Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag ist unzulässig.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings dann nicht ergehen, wenn sich das in der Hauptsache verfolgte Begehren von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. BVerfGE 103, 41 ≪42≫; 111, 147 ≪152 f.≫; stRspr). Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist nur zulässig, wenn das Vorliegen der sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Oktober 2006 – 1 BvQ 30/06 – und vom 17. November 2006 – 1 BvQ 33/06 –, juris).
2. Danach kann eine einstweilige Anordnung nicht ergehen.
a) Soweit die Antragstellerin begehrt, die Beschlüsse des Bundeswahlausschusses vom 17. Juli und 6. August 2009 aufzuheben und dem Bundeswahlleiter aufzugeben, die Antragstellerin als Partei anzuerkennen, wäre eine in der Hauptsache beabsichtigte Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (vgl. BVerfGE 74, 96 ≪101≫; 83, 156 ≪158≫). Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sehen Art. 41 GG in Verbindung mit § 48 BVerfGG, § 49 BWahlG und das Wahlprüfungsgesetz die ausschließlich statthaften Rechtsbehelfe und Anfechtungsmöglichkeiten vor.
aa) Die Wahl im großräumigen Flächenstaat erfordert eine Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫). Der reibungslose Ablauf einer Parlamentswahl kann nur gewährleistet werden, wenn die Rechtskontrolle der zahlreichen Einzelentscheidungen der Wahlorgane während des Wahlverfahrens begrenzt und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 16, 128 ≪129 f.≫). Wären alle Entscheidungen, die sich unmittelbar auf die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zum Deutschen Bundestag beziehen, vor dem Wahltermin mit Rechtsmitteln angreifbar, käme es in dem Wahlorganisationsverfahren, das durch das ebenenübergreifende Zusammenspiel der einzelnen Wahlorgane mit zahlreichen zu beachtenden Terminen und Fristen geprägt ist, zu erheblichen Beeinträchtigungen. Umfangreichere Sachverhaltsermittlungen und die Klärung schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen wären kaum ohne erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf des Wahlverfahrens möglich. Daher ist es von Verfassungs wegen gerechtfertigt, dass gemäß § 49 BWahlG bei der Wahl zum Deutschen Bundestag die Rechtskontrolle der auf das Wahlverfahren bezogenen Entscheidungen während des Wahlablaufs eingeschränkt ist und im Übrigen die Kontrolle von Wahlfehlern einem nach der Wahl durchzuführenden Prüfungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 16, 128 ≪129 f.≫; 29, 18 ≪19≫; 74, 96 ≪101≫; 83, 156 ≪158≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. April 1994 – 2 BvR 2686/93 –, NVwZ 1994, S. 893 ≪894≫).
bb) Zu den nur nach der Wahl anfechtbaren wahlorganisatorischen Entscheidungen und Maßnahmen im Sinne des § 49 BWahlG gehört auch die Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge (vgl. Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 7). Das Bundesverfassungsgericht kann daher wegen der Ablehnung von Wahlvorschlägen nach § 28 BWahlG im Rahmen einer Bundestagswahl nicht unmittelbar, sondern erst nach Durchführung der Wahlprüfung durch den Deutschen Bundestag angerufen werden (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 28, 214 ≪219≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 28. November 1990 – 2 BvQ 18/90 –, juris).
Gleiches gilt für Entscheidungen des Bundeswahlausschusses über die Anerkennung als Partei im Rahmen des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 bis 4 BWahlG, weil damit – für die anderen Wahlorgane bindend – über das Recht der betreffenden Vereinigung zur Einreichung von Landeslisten entschieden wird (vgl. BVerfGE 74, 96 ≪101≫; 83, 156 ff.; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 28. November 1990 – 2 BvQ 18/90 –, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. August 1998 – 2 BvQ 28/98 –, BayVBl 1999, S. 46; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2009 – 2 BvQ 45/09 –, juris; Schreiber, BWahlG, 8. Aufl. 2009, § 49 Rn. 7).
b) Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass die Vorschriften des Bundeswahlgesetzes, wonach gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses vor der Wahl kein Rechtsmittel gegeben ist, verfassungswidrig sind, insbesondere nicht im Einklang mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG stehen, wäre die von ihr in der Hauptsache beabsichtigte Verfassungsbeschwerde ebenfalls unzulässig.
aa) Um den Begründungsanforderungen an eine Verfassungsbeschwerde zu genügen, muss der Beschwerdeführer substantiiert dartun, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nach seiner Auffassung kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 ≪386 f.≫). Die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten ist nicht hinreichend aufgezeigt, wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine solche Verletzung ausscheidet und die Verfassungsbeschwerde sich mit den Gründen hierfür nicht auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪345 f.≫; 102, 147 ≪164≫). Nach den oben dargestellten Anforderungen an die Begründung von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss auch bereits aus dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zumindest ansatzweise ersichtlich werden, dass der Antragsteller über Gründe verfügt, die geeignet sein könnten, eine Änderung der seinem Anliegen in der Hauptsache entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu veranlassen.
bb) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden können, und dies damit begründet, dass Art. 41 GG in Verbindung mit § 48 BVerfGG gegenüber Art. 19 Abs. 4 GG lex specialis sei. Damit werde die Korrektur etwaiger Wahlfehler einschließlich solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg nach Art. 19 Abs. 4 GG entzogen (vgl. BVerfGE 22, 277 ≪281≫; 34, 81 ≪94≫; 46, 196 ≪198≫; 66, 232 ≪234≫).
Zu § 50 BWahlG a.F., der Vorgängerregelung zu § 49 BWahlG, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, dass diese Vorschrift im Hinblick auf Art. 41 GG die Verfassungsbeschwerde in verfassungskonformer Weise ausschließe (vgl. BVerfGE 14, 154 ≪155≫; 16, 128 ≪130≫; 29, 18 ≪19≫) und der notwendige Grundrechtsschutz auch in dem Verfahren nach Art. 41 Abs. 2 GG ausreichend gewährleistet sei (vgl. BVerfGE 34, 81 ≪94 f.≫; 46, 196 ≪198≫). Das Bundesverfassungsgericht prüft im Wahlprüfungsverfahren den angegriffenen Beschluss des Deutschen Bundestages nicht nur in formeller Hinsicht und darauf, ob Vorschriften des materiellen Rechts zutreffend angewandt worden sind (vgl. BVerfGE 97, 317 ≪322≫), sondern auch, ob das angewandte Wahlgesetz mit der Verfassung in Einklang steht (vgl. BVerfGE 16, 130 ≪136≫; 21, 200 ≪204≫; 34, 81 ≪95≫; BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 – 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 –, NVwZ 2009, S. 708 ≪709≫). Etwaige Grundrechtsverstöße stellt es fest und zieht aus ihnen, soweit sie sich möglicherweise auf die Mandatsverteilung ausgewirkt haben, Folgerungen für die Gültigkeit der Wahl (vgl. BVerfGE 34, 81 ≪95≫).
Die Antragstellerin behauptet demgegenüber lediglich ein „rechtswidriges Unterlassen eines Rechts des Bundeswahlausschusses auf Selbstkorrektur” sowie eine Verfassungswidrigkeit „der Vorschriften des Bundeswahlgesetzes, wonach gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses vor der Wahl kein Rechtsmittel gegeben ist”, und rügt pauschal, ein nachträgliches Wahlprüfungsverfahren biete keinen effektiven Rechtsschutz, ohne sich mit den Gründen der vorstehend genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen.
Eine unmittelbar gegen § 49 BWahlG gerichtete Verfassungsbeschwerde wäre auch deshalb von vornherein unzulässig, weil die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG bereits abgelaufen ist. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Diese Frist ist hier erkennbar nicht eingehalten; allein die jetzige Fassung des § 49 BWahlG ist bereits im Jahr 1993 in Kraft getreten (Bekanntmachung der Neufassung des Bundeswahlgesetzes vom 23. Juli 1993 ≪BGBl I 1993 S. 1288≫).
c) Soweit die Antragstellerin beantragt, dem Bundeswahlausschuss im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, zu einer dritten, außerordentlichen Sitzung zusammenzutreten, hat die Antragstellerin schon nicht dargelegt, woraus sich dieser Anspruch ergeben könnte. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf Art. 19 Abs. 4 GG beruft, wendet sie sich im Ergebnis ebenfalls dagegen, dass gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses vor der Wahl kein Rechtsmittel gegeben ist. Dem Begehren der Antragstellerin kann daher aus den unter 2. b) dargelegten Gründen ebenfalls nicht entsprochen werden.
d) Das Bundesverfassungsgericht kann auch nicht dem Begehren der Antragstellerin entsprechen, im Rahmen einer vorverlegten Wahlprüfungsbeschwerde ihre Parteieigenschaft festzustellen. Ist nach dem Willen des Verfassungsgebers und nach der Konzeption des Rechtsschutzes im Wahlverfahren der Rechtsschutz erst nach der Durchführung einer Wahl zu erlangen, so steht dies auch einer in das einstweilige Anordnungsverfahren vorverlegten Wahlprüfungsbeschwerde, die sich gegen Entscheidungen und Maßnahmen im Wahlverfahren richtet, entgegen (vgl. BVerfGE 63, 73 ≪76≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2005 – 2 BvQ 31/05 –, NJW 2005, S. 2982; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2009 – 2 BvQ 45/09 –, juris).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
NVwZ 2009, 1367 |
KommP Wahlen 2010, 49 |