Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der teilweisen Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Erledigung sowie Gegenstandswertfestsetzung
Normenkette
BVerfGG § 34a Abs. 3; RVG § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Freistaat Bayern hat den Beschwerdeführerinnen die im Verfahren der Verfassungsbeschwerde angefallenen notwendigen Auslagen zu zwei Dritteln zu erstatten.
2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde auf 20.000 € (in Worten: zwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Im vorliegenden Verfahren hat die Kammer im Sommer 2016 im Wege der einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit von Teilen der angegriffenen sitzungspolizeilichen Medienverfügung des Senatsvorsitzenden des Oberlandesgerichts München in einem Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausgesetzt. Hinsichtlich der in der Medienverfügung ebenfalls angeordneten Verpixelung von Bildaufnahmen aus dem Sitzungssaal lehnte die Kammer demgegenüber den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Das zugrundeliegende Strafverfahren ist inzwischen beendet.
Rz. 2
Im Jahr 2018 hat die Kammer den Gegenstandswert des einstweiligen Anordnungsverfahrens auf 24.000 Euro festgesetzt. Die Beschwerdeführerinnen haben mit Blick auf den Abschluss des Strafverfahrens die Erledigung erklärt und beantragen die Anordnung der Erstattung ihrer notwendigen Auslagen und Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfassungsbeschwerdeverfahren. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz tritt einer vollständigen Auslagenerstattung entgegen, weil die Beschwerdeführerinnen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur teilweise erfolgreich gewesen seien.
Rz. 3
2. Nach der Erledigungserklärung der Beschwerdeführerinnen ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeit über die Auslagenerstattung zu entscheiden. Eine Auslagenerstattung entspricht der Billigkeit, soweit ausnahmsweise die Erfolgsaussichten im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden können, weil die verfassungsrechtliche Lage insoweit schon geklärt ist (vgl. BVerfGE 133, 37 ≪38≫).
Rz. 4
Nach diesem Maßstab entspricht eine Auslagenerstattung im Umfang von zwei Dritteln der Billigkeit. Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Lage, aufgrund derer ein Obsiegen im Verfassungsbeschwerdeverfahren unterstellt werden kann, ist hinsichtlich der mit Beschluss der Kammer vom 9. September 2016 außer Vollzug gesetzten Ziffern I. und II. der Medienverfügung gegeben. Denn dieser Beschluss wurde gerade mit Blick auf die insoweit offenkundigen Erfolgsaussichten der gleichzeitig eingelegten Verfassungsbeschwerde erlassen. Demgegenüber ergibt sich aus der einstweiligen Anordnung vom 9. September 2016 nicht, wie die Verfassungsmäßigkeit einer Verpixelungsanordnung im Allgemeinen und konkret der Ziffer III. der angegriffenen Medienverfügung zu beurteilen ist. Insoweit scheidet eine ausnahmsweise Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG aus.
Rz. 5
3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫). Sie berücksichtigt, dass dem einstweiligen Anordnungsverfahren hier aufgrund der Zeitgebundenheit des Anliegens der Beschwerdeführerinnen im Vergleich zum Verfassungsbeschwerdeverfahren eine größere Bedeutung zukam, als dies regelmäßig der Fall ist. Hinsichtlich der Ziffern I. und II. der angegriffenen sitzungspolizeilichen Medienverfügung wirft das Verfassungsbeschwerdeverfahren gegenüber dem einstweiligen Anordnungsverfahren keine zusätzlichen Fragen auf. Allerdings wirkt sich die Vertretung mehrerer Beschwerdeführer, die gemeinschaftlich Verfassungsbeschwerde erheben, dahingehend aus, dass die Werte der jeweiligen subjektiven Interessen an der Entscheidung zusammengerechnet werden (vgl. BVerfGE 96, 251 ≪258≫).
Rz. 6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI14102338 |