Entscheidungsstichwort (Thema)
Äußerungen der Bundesregierung über Sekten
Leitsatz (amtlich)
1. Das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bietet keinen Schutz dagegen, dass sich der Staat und seine Organe mit den Trägern dieses Grundrechts sowie ihren Zielen und Aktivitäten öffentlich – auch kritisch – auseinander setzen. Diese Auseinandersetzung hat allerdings das Gebot religiös-weltanschau licher Neutralität des Staates zu wahren und muss daher mit Zurückhaltung geschehen. Diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft sind dem Staat untersagt.
2. Die Bundesregierung ist aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die mit Hilfe von Informationen wahrgenommen werden kann.
3. Für das Informationshandeln der Bundesregierung im Rahmen der Staatsleitung bedarf es über die Zuweisung der Aufgabe der Staatsleitung hinaus auch dann keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung, wenn es zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führt.
Verfahrensgang
BVerwG (Beschluss vom 13.03.1991; Aktenzeichen 7 B 99.90) |
OVG für das Land NRW (Urteil vom 22.05.1990; Aktenzeichen 5 A 1223/86) |
VG Köln (Urteil vom 31.01.1986; Aktenzeichen 10 K 5029/84) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 1990 – 5 A 1223/86 – verletzt die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben, soweit die Klage der Beschwerdeführer hinsichtlich der Attribute „destruktiv”, „pseudoreligiös” und des Vorwurfs der Mitgliedermanipulation abgewiesen worden ist.
Damit wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 1991 – BVerwG 7 B 99.90 – insoweit gegenstandslos.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die Hälfte der im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Äußerungen der Bundesregierung über die Bewegung des Rajneesh Chandra Mohan und die ihr angehörenden Gemeinschaften.
I.
Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts traten in der Bundesrepublik Deutschland vorher unbekannte Gruppierungen in Erscheinung, die alsbald das Interesse der Öffentlichkeit fanden und zumeist als „Sekten”, „Jugendsekten”, „Jugendreligionen”, „Psychosekten”, „Psychogruppen” oder ähnlich bezeichnet wurden. Wegen ihrer nach eigenem Verständnis überwiegend religiös oder weltanschaulich geprägten Zielsetzungen, ihrer inneren Struktur und ihrer Praktiken im Umgang mit Mitgliedern und Anhängern wurden sie schnell Gegenstand kritischer öffentlicher Auseinandersetzung. Vorgeworfen wurde den genannten Gruppen dabei vor allem, dass sie ihre Mitglieder von der Außenwelt abschotteten, insbesondere der eigenen Familie entfremdeten, psychisch manipulierten und finanziell ausbeuteten. Das führe zum Abbruch von Ausbildungen, zu Verstößen gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften, zur Abhängigkeit der Mitglieder von der jeweiligen Gruppierung und zu schweren seelischen Schädigungen vor allem jugendlicher Personen.
Das Phänomen dieser Gruppierungen und der hinter ihnen stehenden Bewegungen beschäftigte seit den siebziger Jahren auch die Regierungen in Bund und Ländern, die sich in Antworten auf parlamentarische Anfragen mehrfach zur Problematik dieser Gruppen äußerten und in Broschüren, Presseverlautbarungen und Vorträgen die Öffentlichkeit auch unmittelbar darüber informierten. 1996 beschloss der Deutsche Bundestag, einer Empfehlung seines Petitionsausschusses folgend, die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen” (vgl. BTDrucks 13/4477). Diese legte 1997 einen Zwischenbericht (vgl. BTDrucks 13/8170) und 1998 ihren Endbericht (vgl. BTDrucks 13/10950) vor. In dessen Vorwort ist unter anderem ausgeführt:
Die Enquete-Kommission wurde mit Befürchtungen von … Bürgern über die Gefahren von „sogenannten Sekten” ebenso konfrontiert wie mit der Besorgnis vieler Gemeinschaften, als „schadensbringende Sekte” etikettiert und entsprechend behandelt zu werden. Die Kommission … wendet sich … gegen eine pauschale Stigmatisierung solcher Gruppen und lehnt die Verwendung des Begriffs „Sekte” wegen seiner negativen Konnotation ab. Die Ablehnung des Begriffs „Sekte” wird auch durch das Ergebnis der Arbeit der Enquete-Kommission unterstützt, daß nur ein kleiner Teil der Gruppierungen, die bislang unter dem Begriff „Sekte” zusammengefaßt wurden, problematisch sind. Daher wäre eine weitere Verwendung des Sektenbegriffs für alle neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften fahrlässig.
… Unsere Gesellschaft ist von religiösem Pluralismus geprägt. Neben den Gemeinschaften großer Weltreligionen existieren … kleinere Gruppen unterschiedlichster Glaubensausrichtungen. Dieser Sachverhalt allein … veranlaßt den Staat nicht zum Handeln. Vielmehr hat der Staat die Entscheidung eines jeden Einzelnen und sein Bekenntnis zu dem von ihm gewählten Glauben zu respektieren. Aber: Wo Gesetze verletzt werden, wo gegen Grundrechte verstoßen wird, wo gar unter dem Deckmantel der Religiosität strafbare Handlungen begangen werden, kann der Staat nicht untätig bleiben.
Unterhalb dieser Schwelle zwingend notwendiger staatlicher Eingriffe ist der Staat … zu flankierender Hilfe aufgerufen. So wenig er Vorschriften für individuelle Lebensformen geben darf, so sehr kann er seine … Bürger in einer unübersichtlich gewordenen und sich schnell verändernden Welt durch Information und Aufklärung in ihren Entscheidungsfindungen unterstützen (a.a.O., S. 4 f.).
Im Bericht selbst heißt es:
Während der Arbeit der Kommission wurde immer deutlicher, daß eine pauschalisierende Herangehensweise, die sich des Begriffs „Sekte” als Oberbegriff für alle Formen neuer … Art von Religiosität und/oder Weltanschauung bedient, der Vielfalt der Phänomene … nicht gerecht werden kann… Die Verwendung des populären, aber nebulösen „Sekten”-Begriffs … kann zu Stigmatisierungseffekten führen. Einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppe, die öffentlich als „Sekte” eingeordnet wurde, entstehen angesichts der hohen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber der vermuteten Konfliktträchtigkeit von „Sekten” vielfältige Probleme… (a.a.O., S. 30).
Speziell für Aufklärungsschriften staatlicher Stellen wird schließlich empfohlen:
In Anbetracht der … Unschärfe und Mißverständlichkeit des Begriffes der „Sekte” hält es die Enquete-Kommission für wünschenswert, wenn im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung mit neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen auf die … Verwendung des Begriffes „Sekte” verzichtet würde. Insbesondere in Verlautbarungen staatlicher Stellen – sei es in Aufklärungsbroschüren, Urteilen oder Gesetzestexten – sollte … die Bezeichnung … vermieden werden (a.a.O., S. 154 unter 6.2.12).
II.
Die Beschwerdeführer sind – jeweils in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins des bürgerlichen Rechts – Meditationsvereine der so genannten Shree Rajneesh-, Bhagwan- oder Osho-Bewegung des von seinen Anhängern erst Bhagwan, später Osho genannten indischen Mystikers Rajneesh Chandra Mohan (zu ihm und den Zielen seiner Bewegung vgl. etwa Süss, Osho-Bewegung, in: Klöcker/Tworuschka, Handbuch der Religionen: Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland, Abschnitt VIII-8 ≪Stand: 2001≫). Im verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren verlangten sie von der Bundesrepublik Deutschland die Unterlassung bestimmter Äußerungen über diese Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften.
1. Den Anlass zur Klageerhebung gaben Antworten der Bundesregierung auf drei Kleine Anfragen, die im Deutschen Bundestag gestellt worden waren, ein Bericht der Bundesregierung an den Petitionsausschuss des Bundestags und eine Rede, die der damalige Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit auf einer Tagung der Jungen Union Bayern und einer „Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus” gehalten hatte.
In der Antwort vom 27. April 1979 (BTDrucks 8/2790) zum Thema „Neuere Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften (sogenannte Jugendsekten)” wurde neben anderen die „Shree Rajneesh-Bewegung” zu den so genannten neueren Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gezählt. Diese würden, so ließ die Bundesregierung die Fragesteller wissen, mit generalisierenden Begriffen wie „Jugendsekten”, „destruktive religiöse Gruppen” oder „destructive Cults” gekennzeichnet. Die Bundesregierung selbst verwandte für sie die Bezeichnungen „Jugendsekten”, „pseudoreligiöse und Psycho-Gruppen” sowie durchgängig „Sekten” (vgl. a.a.O., insbesondere S. 1 f.).
In ihrem Bericht an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags über „Jugendreligionen in der Bundesrepublik Deutschland” vom Februar 1980, als Band 21 der Reihe: Berichte und Dokumentationen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlicht, wies die Bundesregierung einleitend darauf hin, dass mit „Jugendreligionen” oder „Jugendsekten” sehr verschiedenartige Gruppierungen angesprochen würden (vgl. a.a.O., S. 6). Als eine dieser Gruppierungen wurde die „Gruppe um ‚Bhagwan’ (d.h. Gott) Shree Rajneesh” vorgestellt und zu den „Psychobewegungen” gerechnet (vgl. a.a.O., S. 10 f.).
In der Antwort, welche die Bundesregierung unter dem 23. August 1982 auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Sogenannte neue Jugendsekten” erteilte (BTDrucks 9/1932), wurde die „Bhagwan-Shree-Rajneesh-Bewegung” im Zusammenhang mit der Frage nach der Mitgliederstruktur der „sogenannten neuen Jugendsekten” genannt (vgl. a.a.O., S. 6 f.). In der Vorbemerkung zu der Antwort wurde darüber hinaus von „sogenannten Psychosekten”, in der Antwort selbst durchweg von „Jugendreligionen” gesprochen (vgl. a.a.O., S. 1 ff.).
Die Antwort vom 10. Oktober 1984 auf eine weitere Kleine Anfrage betraf „Wirtschaftliche Aktivitäten von destruktiven Jugendreligionen und Psychosekten” (BTDrucks 10/2094). Entsprechend dieser Themenbeschreibung wurden in der Antwort überwiegend die Begriffe „Jugendreligionen” und „Psychosekten” verwendet (vgl. a.a.O., vor allem S. 1 f.). Zu Frage 6 wurde ausgeführt, es erscheine schwer erreichbar, Regelungen des materiellen Arbeitsrechts bei Vereinigungen zur Geltung zu bringen, „deren Mitglieder weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit in ihrem Verhalten manipuliert werden” (vgl. a.a.O., S. 4). Die Bhagwan-Bewegung wurde dabei nicht ausdrücklich genannt. Sie war jedoch Gegenstand der Antworten zu den Fragen 16 bis 19 (vgl. a.a.O., S. 7).
In der Rede, die der Bundesminister am 8. Dezember 1984 auf der genannten Tagung zu dem Thema „Neue Jugendreligionen – Die Freiheit des einzelnen schützen” hielt und die in der Broschüre Sauter/Ach/Sackmann/Schuster, JUGENDSEKTEN – Die Freiheit des einzelnen schützen, 1985, S. 11 ff., veröffentlicht ist, wurden mit Bezug auf die behandelten Gruppen die Begriffe „Jugendreligion”, „Jugendsekte”, „Sekte”, „destruktive religiöse Kulte”, „Pseudoheilslehren” und „Pseudoreligion” verwendet (vgl. a.a.O., insbesondere S. 14 f., 21). Die Bhagwan-Bewegung wurde in der Rede selbst nicht erwähnt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen im Ausgangsverfahren wurde sie jedoch in der anschließenden Diskussion angesprochen.
2. Mit ihrer Klage erstrebten die Beschwerdeführer die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterlassung mehrerer der in diesen Darstellungen enthaltenen Äußerungen.
a) Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie darauf gerichtet war, es der Beklagten zu untersagen, in amtlichen Verlautbarungen jeder Art die Rajneesh-Gemeinschaft als „Jugendreligion”, „Jugendsekte” oder „Psychosekte” zu bezeichnen, mit den Attributen „destruktiv” oder „pseudoreligiös” zu belegen sowie weiterhin öffentlich zu behaupten, dass Mitglieder dieser Gemeinschaft weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert würden. Dagegen hat es die Klage abgewiesen, soweit außerdem begehrt worden war, der Beklagten auch den Gebrauch der Bezeichnungen „destruktiver Kult”, „Psychokult” und „Sekte” zu verbieten (vgl. Entscheidungen in Kirchensachen ≪im Folgenden: KirchE≫ 24, S. 10 ≪17 ff.≫):
Die Beklagte verwende „Jugendreligion”, „Jugendsekte”, „Psychosekte”, „destruktiv” und „pseudoreligiös” als disqualifizierende Begriffe für wesentliche Inhalte des religiösen Bekenntnisses der Beschwerdeführer, die insoweit unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG Unterlassung beanspruchen könnten. Ein negatives Werturteil stelle auch die Wendung dar, die Mitglieder der neuen religiösen Bewegungen würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert. Dagegen handele es sich bei der Bezeichnung „Sekte” für sich genommen nicht um eine abwertende Äußerung über das religiöse Bekenntnis der Beschwerdeführer.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Anschlussberufung der Beschwerdeführer zu 2 und 4, mit der diese die Abweisung der Klage hinsichtlich des Gebrauchs des Begriffs „Sekte” angegriffen hatten, zurückgewiesen (vgl. KirchE 28, S. 106 ≪114 ff.≫):
Die Beschwerdeführer hätten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Anspruch auf Unterlassung der noch streitigen Äußerungen. Sie könnten sich zwar als inländische juristische Personen auf dieses Grundrecht berufen, weil sie nach ihrer Satzung der Pflege der Lehre des Osho-Rajneesh dienten und diese eine Religion oder Weltanschauung sei. Doch seien die mit den Äußerungen verbundenen Grundrechtseingriffe gerechtfertigt. Die verfassungsrechtliche Legitimation dafür ergebe sich aus der Aufgabenstellung der Bundesregierung gemäß Art. 65 GG in Verbindung mit den staatlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Schranken für die Äußerungen der Bundesregierung ergäben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Willkürverbot, wonach Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssten und Werturteile nicht auf sachfremde Erwägungen zurückgehen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürften. Werturteile müssten auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen.
Letzteres sei bei den angegriffenen Äußerungen der Fall. Sie hielten sich noch in den Grenzen des Beurteilungsspielraums, welcher der Bundesregierung zukomme. Zu deren Gunsten wirke sich aus, dass die Gefahrenabwehr, der die Äußerungen gedient hätten, Rechtsgüter betreffe, die nach der Wertordnung des Grundgesetzes höchsten Rang hätten. Bei ihnen rechtfertige schon ein bloßer Gefahrenverdacht die Annahme, entsprechende Hinweise und Warnungen seien zu ihrem Schutz geeignet und erforderlich.
c) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen (vgl. KirchE 29, S. 59 = NJW 1991, S. 1770):
Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Nach der schon vorliegenden Rechtsprechung sei ein Eingriff in die Religions- oder Weltanschauungsfreiheit durch Äußerungen der in Rede stehenden Art durch die verfassungsrechtliche Befugnis der Bundesregierung zur Öffentlichkeitsarbeit und ihre ebenfalls verfassungsunmittelbare Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde und der Gesundheit der Bürger gerechtfertigt. Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit schließe das Recht zur Abgabe appellativer Äußerungen (Warnungen) ein. Die Bundesregierung sei daher auch berechtigt, das Verhalten einzelner Grundrechtsträger als gefährlich zu bewerten.
Bei der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung gehe es um eine Staatsaufgabe, die nur tatsächlich, nicht rechtsförmlich erfüllbar sei und bei deren Wahrnehmung der Staat dem Einzelnen kein – notfalls zwangsweise durchzusetzendes – Handeln verbindlich aufgebe oder verbiete. In solchen Fällen stehe das Rechtsstaatsprinzip einem Schluss von der Aufgabe auf die Zulässigkeit von Individualrechtsbeschränkungen nicht von vornherein entgegen. Dies folge aus dem jeder Staatsaufgabe innewohnenden Postulat einer wirksamen Aufgabenwahrnehmung und aus der Vielgestaltigkeit der Eingriffslagen und -wirkungen solchen „informalen” Staatshandelns. Wenn das Äußerungsrecht der Bundesregierung nicht zu sehr beschnitten werden solle, erlaube es weder eine Festlegung auf bestimmte Äußerungsinhalte noch eine nähere Bestimmung der zulässigen Äußerungszwecke. Inhaltlich könne es nur dahin eingegrenzt werden, dass die jeweilige Warnung nicht ohne hinreichend gewichtigen, dem Inhalt und der Bedeutung des berührten Grundrechts entsprechenden Anlass ausgesprochen werden dürfe, mitgeteilte Tatsachen zutreffen müssten und unsachliche Abwertungen zu unterbleiben hätten.
Die Bundesregierung habe für Warnungen der vorliegenden Art auch die (Verbands-)Kompetenz. Das folge aus ihrer Aufgabe, als Organ der Staatsleitung gesellschaftliche Veränderungen zu beobachten und zu prüfen, ob und inwieweit sie staatliche Reaktionen erforderten. Entsprechende Tätigkeiten könnten nicht unmittelbar an den Zuständigkeitskatalogen des Grundgesetzes für die Gesetzgebung und Verwaltung gemessen werden. Ausreichend sei, dass Maßnahmen des Bundes vorstellbar seien. Für den Bereich der Jugendreligionen ergebe sich dies aus der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge und des Gesundheitswesens.
Die Bundesregierung dürfe Warnungen nicht nur zum Schutz der Grundrechte anderer, sondern auch zum Schutz des Gemeinwohls aussprechen. Deshalb sei die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Äußerungen über die Osho-Bewegung seien zum Schutz der verfassungsrechtlich hervorgehobenen Gemeinschaftsgüter Ehe und Familie zulässig, nicht zu beanstanden.
Die Frage, in welchem Maß bei der Auslegung von Texten einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft deren Selbstverständnis zu beachten sei, könne, soweit sie entscheidungserheblich sei, ohne weiteres im Sinne des Berufungsurteils beantwortet werden. Dieses habe sich auf zahlreiche Lehraussagen von Osho-Rajneesh vor allem zu den Themen Ehe und Familie gestützt und dabei auf den objektiven Erklärungswert dieser Aussagen für einen in den Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft nicht besonders sachkundigen Dritten abgestellt. Dieser Ansatz sei zutreffend.
Die Revision sei auch nicht wegen Verfahrensfehlern zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht habe den im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträgen nicht zu entsprechen brauchen, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht angekommen sei. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis genommen worden sei.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die genannten gerichtlichen Entscheidungen. Sie rügen vor allem die Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG und tragen dazu im Wesentlichen vor:
1. Die Äußerungen der Bundesregierung, durch welche die Beschwerdeführer und ihre Mitglieder öffentlich als Anhänger einer „pseudoreligiösen”, „destruktiven”, die Mitglieder „manipulierenden” „Jugendsekte”, „Jugendreligion” oder „Psychosekte” herabgewürdigt würden, stellten einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit dar. Die Beschwerdeführer seien nach ihrem Selbstverständnis Religions- und Meditationsvereine, die sich durch das Abhalten von Meditationen sowie durch öffentliche Vorträge, das Begehen religiöser Feiern, den Verkauf von Büchern, Tonbändern und Video-Mitschnitten und das Angebot spiritueller Therapien mit der Verbreitung der Lehre Oshos befassten. Die gegen sie gerichteten Maßnahmen der Bundesregierung berührten deshalb den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG.
Die staatlichen Äußerungen hätten – nicht zuletzt wegen der mit ihnen in Anspruch genommenen staatlichen Autorität – für die Ausbreitung der betroffenen Gemeinschaft schwerwiegende negative Folgen; diese seien, soweit sie das Verhalten der gewarnten Öffentlichkeit beträfen, beabsichtigt und im Übrigen in Kauf genommen. Zu berücksichtigen sei auch die bestehende Konkurrenzsituation. Wertende Äußerungen des Staates verzerrten den Wettbewerb unter den Religionen und Weltanschauungen.
Zu Unrecht werde die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für solche Äußerungen verneint. Es sei verfehlt, aus Schutzpflichten Eingriffsrechte abzuleiten. Auch die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit könne keine Grundlage für grundrechtsbeschränkende Warnungen sein. Dasselbe gelte für die Rechenschaftspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Parlament. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip reiche nicht aus, verfassungsunmittelbar eröffneten Eingriffsmöglichkeiten ausreichende Grenzen zu ziehen; notwendig sei – wenigstens in den Grundzügen – eine gesetzliche Festlegung, zum Schutz welcher Verfassungsrechtsgüter Eingriffe in die Religionsfreiheit zulässig seien. Es widerspreche auch der Bedeutung dieses Grundrechts, wenn nicht zumindest minimale Verfahrensregeln insbesondere zur Ermittlungs- und Begründungspflicht der Bundesregierung und zur Beteiligung der betroffenen Religionsgemeinschaften getroffen würden.
Der Bundesregierung fehle auch die Kompetenz für Warnungen vor neuen religiösen Bewegungen. Aus den Kompetenztiteln für öffentliche Fürsorge, Jugendschutz und Gesundheitswesen ergebe sich keine allgemeine Befassungsbefugnis der Bundesregierung mit der Berechtigung, ihre Erkenntnisse und Problemsicht gegenüber Parlament und Öffentlichkeit darzulegen.
Inhaltlich sei in mehrfacher Hinsicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt worden. Die Bezeichnung „destruktiv” sei hochgradig abwertend und zur Kennzeichnung von Gefahren ungeeignet. Die Verwendung des Begriffs „pseudoreligiös” sei schon deshalb unzulässig, weil die Gerichte der Osho-Bewegung den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG zuerkannt hätten. Die Weltanschauung Oshos sei keine „Jugendsekte” oder „Jugendreligion”. Es sei unwidersprochen vorgetragen worden, dass das Durchschnittsalter der Mitglieder bei 34 Jahren liege. Die Verwaltungsgerichte manipulierten das Tatsachenmaterial, wenn sie sich darüber mit dem Argument hinwegsetzten, gemeint sei Jugend im weiteren Sinne. Zum Begriff „Sekte” sei ebenfalls vorgebracht worden, dass er heute umgangssprachlich abwertend verstanden werde. Das habe der Endbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen” des Deutschen Bundestags bestätigt. Die Bezeichnung „Psychosekte” bringe durch den Wortbestandteil „Psycho” eine zusätzliche Abwertung zum Ausdruck. Hinsichtlich des Begriffs „manipuliert” werde daran angeknüpft, dass die Osho-Bewegung verstärkt Erkenntnisse der Psychologie einsetze. Dass dies mit Manipulation verbunden sei, sei eine freie Erfindung.
2. Verletzt worden sei auch der Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.
Beim Oberverwaltungsgericht seien die Beiziehung sämtlicher Verwaltungsvorgänge der Bundesregierung und die Gewährung von Akteneinsicht beantragt worden. Dem sei nicht entsprochen worden. Außerdem seien vor allem zur Interpretation der Lehren Oshos Beweisanträge gestellt worden. Das Gericht habe sie mit einer Ausnahme, als es sich selbst für sachkundig erklärt habe, als entscheidungsunerheblich abgelehnt. Soweit die Nichtvernehmung eines sachverständigen Zeugen zu Inhalt und Bedeutung der Lehren Oshos damit begründet worden sei, dass auf den objektiven Erklärungswert der Aussagen für einen in diesem Bereich nicht besonders sachkundigen Dritten abzustellen sei, sei auch dies verfassungswidrig. Zum Teil hätten die im Berufungsurteil erwähnten Aussagen Oshos im Prozess zuvor keine Rolle gespielt. Die Beschwerdeführer hätten deshalb keine Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern.
Auch die Zurückweisung all dieser Rügen durch das Bundesverwaltungsgericht verletze Art. 103 Abs. 1 GG.
IV.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat namens der Bundesregierung das Bundesministerium für Frauen und Jugend Stellung genommen. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
1. Die Bundesregierung habe aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Stellung und im Hinblick auf die Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte und verfassungsrechtlich hervorgehobener Gemeinschaftsgüter die Aufgabe, sich mit gesellschaftlichen Erscheinungen, die in der Öffentlichkeit mit Sorge verfolgt würden, zu befassen, besonders wenn mit ihnen Gefahren für Grundrechte und Gemeinschaftsgüter wie den Jugendschutz verbunden sein könnten. Dass die Jugendreligionen in der für das Urteil des Oberverwaltungsgerichts maßgeblichen Zeit Gegenstand einer von Besorgnis gekennzeichneten öffentlichen Debatte gewesen seien, werde auch die Verfassungsbeschwerde nicht bezweifeln wollen.
Die Bundesregierung sei auch befugt, ihre Erkenntnisse und Problemsicht in Form von Wertungen, Empfehlungen und Warnungen der Öffentlichkeit darzulegen, auch wenn es dabei zu Grundrechtseingriffen kommen könne. Die Bundesregierung habe sich gegenüber dem Parlament zu erklären. Derartige Erklärungen würden in der Öffentlichkeit regelmäßig bekannt. Zutreffend hätten das Ober- und das Bundesverwaltungsgericht das Äußerungsrecht der Bundesregierung aus dieser Erklärungspflicht gegenüber dem Parlament abgeleitet. Eine zweite verfassungsrechtliche Wurzel habe dieses Recht in der schon genannten Schutzpflicht für den Einzelnen und die durch das Grundgesetz hervorgehobenen Gemeinschaftsgüter.
Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe es für Äußerungen der genannten Art nicht; die Ermächtigung ergebe sich unmittelbar aus der Verfassung. Angesichts der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen wäre eine gesetzlich normierte Ermächtigung auch kaum vorstellbar; sie müsste sich in der bloßen Feststellung eines Äußerungsrechts erschöpfen und könnte als verfassungsrechtliche Voraussetzungen nur den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Willkürverbot nennen, die ebenfalls unmittelbar der Verfassung zu entnehmen seien.
Die Bundesregierung habe für die genannten Aufgaben und Befugnisse auch eine Verbandskompetenz. Dass die Länder in gleicher Weise tätig werden könnten, stehe dem nicht entgegen. Es habe sich um Erscheinungen gehandelt, die länderübergreifend im ganzen Bundesgebiet festgestellt worden seien. Auch könnten Erkenntnisse, die bei den Beobachtungen der Bundesregierung anfielen, zu gesetzlichen Maßnahmen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 oder 19 GG führen.
Die Äußerungs-, Empfehlungs- und Warnrechte der Bundesregierung bestünden allerdings nicht unbegrenzt. Sie müssten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und unterlägen ferner dem Willkürverbot, wonach mitgeteilte Tatsachen zutreffen müssten und Werturteile weder auf sachfremden Erwägungen beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten dürften. Eine Pflicht zur vorherigen Anhörung betroffener Vereinigungen bestehe dagegen grundsätzlich nicht.
Nach diesen Maßstäben seien die vom Oberverwaltungsgericht überprüften Äußerungen nicht zu beanstanden. Soweit Bezeichnungen als Wertungen einen negativen Inhalt hätten, sei ihre Verwendung durch tatsächliche Feststellungen gedeckt.
2. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG könne ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Oberverwaltungsgericht habe den gesamten Vortrag der Beschwerdeführer einschließlich aller Beweisanträge zur Kenntnis genommen und darüber entschieden. Es liege auch kein Überraschungsurteil vor.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Bezeichnungen „Sekte”, „Jugendreligion”, „Jugendsekte” und „Psychosekte”, welche die Bundesregierung in der Unterrichtung über die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften für diese verwendet hat, im Ausgangsverfahren für unbedenklich gehalten worden sind. Dagegen kann das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts insoweit keinen Bestand haben, als es auch den Gebrauch der Attribute „destruktiv” und „pseudoreligiös” sowie den Vorwurf der Manipulation von Mitgliedern dieser Gemeinschaften als verfassungsmäßig angesehen hat.
I.
Das Urteil verletzt insoweit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
1. Die Beschwerdeführer sind Träger dieses Grundrechts. Dass sie als eingetragene Vereine des bürgerlichen Rechts nach § 21 BGB juristische Personen sind, steht dem nicht entgegen. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG gilt das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit auch für inländische juristische Personen, wenn ihr Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses ist (vgl. BVerfGE 19, 129 ≪132≫; 24, 236 ≪247≫; 99, 100 ≪118≫). Bei den Beschwerdeführern ist dies nach den tatsächlichen Feststellungen, die das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren getroffen haben, der Fall. Danach verfolgen die Beschwerdeführer ausweislich ihrer Satzungen jeweils den Zweck, gemeinschaftlich die Lehren des Osho-Rajneesh zu pflegen. Diese bestimmten, wie es das Oberverwaltungsgericht ausgedrückt hat, die Ziele des Menschen, sprächen ihn im Kern seiner Persönlichkeit an und erklärten auf eine umfassende Weise den Sinn der Welt und des menschlichen Lebens. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht daraus gefolgert hat, dass es sich bei den Zielen und Inhalten der Osho-Bewegung jedenfalls um eine Weltanschauung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG handelt.
Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass sich die Beschwerdeführer wie die Osho-Bewegung insgesamt auch wirtschaftlich betätigen. Die ideellen Zielsetzungen dieser Bewegung dienen, wie die Tatsachengerichte im Ausgangsverfahren weiter festgestellt haben, den Beschwerdeführern und ihren Anhängern nicht nur als Vorwand für wirtschaftliche Aktivitäten. Die Tätigkeit der Beschwerdeführer sei nicht einmal überwiegend auf Gewinnerzielung gerichtet. Die Verwaltungsgerichte haben den Beschwerdeführern auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu Recht zuerkannt.
2. Das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit umfasst neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 53, 366 ≪387≫; 83, 341 ≪355≫). Die durch den Zusammenschluss gebildete Vereinigung selbst genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses (vgl. BVerfGE 19, 129 ≪132≫; 24, 236 ≪246 f.≫; 53, 366 ≪387≫). Geschützt sind auch die Freiheit, für den eigenen Glauben und die eigene Überzeugung zu werben, und das Recht, andere von deren Religion oder Weltanschauung abzuwerben (vgl. BVerfGE 12, 1 ≪4≫; 24, 236 ≪245≫).
Bedeutung und Tragweite dieser Gewährleistungen finden darin ihren besonderen Ausdruck, dass der Staat nach Art. 4 Abs. 1 GG, aber auch gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV verpflichtet ist, sich in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten und nicht seinerseits den religiösen Frieden in der Gesellschaft zu gefährden (vgl. BVerfGE 19, 206 ≪216≫; 93, 1 ≪16 f.≫; 102, 370 ≪383≫). Art. 4 Abs. 1 GG schützt daher gegen diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft. Nicht aber sind der Staat und seine Organe gehalten, sich mit derartigen Fragen überhaupt nicht zu befassen. Auch der neutrale Staat ist nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppierung oder das ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, selbst wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist (vgl. BVerfGE 102, 370 ≪394≫).
Ebenso ist den staatlichen Verantwortungsträgern die Information des Parlaments, der Öffentlichkeit oder interessierter Bürgerinnen und Bürger über religiöse und weltanschauliche Gruppen und ihre Tätigkeit nicht schon von vornherein verwehrt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt nicht dagegen, dass sich staatliche Organe mit den Trägern des Grundrechts öffentlich – auch kritisch – auseinander setzen. Nur die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, nur die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen, die Handlungen und in die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften sind dem Staat untersagt (vgl. BVerfGE 93, 1 ≪16≫; 102, 370 ≪394≫). Weder dürfen von ihm bestimmte Bekenntnisse – etwa durch Identifikation mit ihnen – privilegiert noch andere um ihres Bekenntnisinhalts willen – beispielsweise durch Ausgrenzung – benachteiligt werden. In einem Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gelingen, wenn der Staat selbst in Glaubens- und Weltanschauungsfragen Neutralität bewahrt (vgl. BVerfGE 93, 1 ≪16 f.≫ m.w.N.). Er hat sich deshalb im Umgang mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften besondere Zurückhaltung aufzuerlegen, deren konkretes Maß sich nach den Umständen des Einzelfalles bestimmt.
3. Diesen Grundsätzen werden die Äußerungen der Bundesregierung, die im Ausgangsverfahren in Bezug auf die Osho-Bewegung und ihre Gemeinschaften vom Berufungsgericht noch zu beurteilen waren, nicht in vollem Umfang gerecht.
a) aa) Zuzustimmen ist den angegriffenen Entscheidungen allerdings darin, dass diese Äußerungen, soweit mit ihnen die Osho-Bewegung und die zu ihr gehörenden Gemeinschaften als „Sekte”, „Jugendreligion”, „Jugendsekte” und „Psychosekte” bezeichnet wurden, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Diese Äußerungen berühren schon nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit. Sie enthalten keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen, sondern bewegen sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit über die betroffenen Gemeinschaften und wahren damit die Zurückhaltung, zu welcher der Staat und seine Organe nach dem Gebot der religiöswelt- anschaulichen Neutralität verpflichtet sind.
(1) Allerdings soll die Bezeichnung „Sekte” nach der Empfehlung der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen” des Deutschen Bundestags in Verlautbarungen staatlicher Stellen über Gruppierungen der hier vorliegenden Art in Zukunft nicht weiter verwendet werden. Der Gebrauch im seinerzeitigen Kontext war aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht hat den Begriff „Sekte” unter anderem deshalb für unbedenklich gehalten, weil er sämtliche kleineren Religionsgemeinschaften unabhängig von ihrer Herkunft umfasse und jedenfalls eine weit über den Kreis der neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen hinausgehende Gruppe solcher Gemeinschaften bezeichne. Gegen diese Beurteilung sind verfassungsrechtliche Einwände nicht zu erheben (vgl. zur Spannweite des Sektenbegriffs außer dem Endbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen”, BTDrucks 13/10950, S. 18, etwa noch König, Sekten, in: Staatslexikon, 7. Aufl., 4. Bd., 1988, Sp. 1147 ff.). Gleiches gilt für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Begriff „Sekte” seine allgemeine Verwendung typischerweise im religiösen Bereich erfahre und eine gegenüber den großen Glaubensgemeinschaften nicht selten durch besonders pointierte Unterscheidungen in der Lehre unterstrichene Minderheitenrolle indiziere, die bei der Osho-Bewegung ihren Ausdruck unter anderem darin finde, dass sich diese vorrangig an Jugendliche und junge Erwachsene wende.
Dass die Verwendung der Bezeichnung „Sekte” in staatlichen Verlautbarungen vor diesem Hintergrund im Lichte des Neutralitäts- und Zurückhaltungsgebots in religiös-weltanschaulichen Fragen verfassungsrechtlich keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieser Begriff in Bezug auf die neueren religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen zum Teil als negativ gefärbt verstanden wird. Dieses Verständnis ergibt sich notwendig aus der Weite und den inhaltlichen Differenzierungen des Sektenbegriffs selbst. Im Übrigen ist der Staat durch die Pflicht zur religiös-weltanschaulichen Neutralität nicht gehindert, in der öffentlichen Diskussion über religiöse oder weltanschauliche Gruppen für diese die Bezeichnungen zu verwenden, die in der aktuellen Situation dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen und in diesem Sinne von den Adressaten der jeweiligen Äußerung auch verstanden werden.
(2) Entsprechendes gilt für den Gebrauch der Begriffe „Jugendreligion” und „Jugendsekte”. Das Oberverwaltungsgericht hat sie auch mit Bezug auf die Osho-Bewegung und die sich zu ihr bekennenden Organisationen als unbedenklich eingestuft, weil diese sich vorrangig an junge Erwachsene wendeten und die Letzteren in einem erweiterten Sinne noch zum Bereich der „Jugend” gerechnet werden könnten, der nach allgemeinem Sprachgebrauch und gesellschaftlicher Praxis auch Angehörige von Altersgruppen deutlich jenseits von 20 Jahren umfasse.
Diese Einschätzung entspricht, wie die Ausführungen im Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen” des Deutschen Bundestags zeigen, dem Stand der öffentlichen Diskussion über die neuen religiösen und weltanschaulichen Gruppen und Bewegungen, wie sie nach den damals möglichen Erkenntnissen in den Jahren geführt wurde, in denen auch die hier in Rede stehenden Äußerungen gefallen sind. Danach wurden die genannten Gruppierungen fast ausschließlich als ein neues gesellschaftliches Problem wahrgenommen, das vorwiegend Jugendliche oder junge Erwachsene betraf (vgl. BTDrucks 13/8170, S. 52). Es verletzt nicht das dem Staat in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten auferlegte Neutralitäts- und Zurückhaltungsgebot, wenn dieser durch seine Organe im Rahmen einer solchen Debatte die Bezeichnungen und Begriffe verwendet, die in der aktuellen Situation den Gegenstand der Auseinandersetzung einprägsam und für die Adressaten seiner Äußerungen verständlich umschreiben, sofern die Äußerungen als solche nicht diffamierend oder sonst wie diskriminierend sind. Diese Voraussetzung war bei den Begriffen „Jugendreligion” und „Jugendsekte” unter den genannten Umständen gegeben, zumal ihr Gebrauch nicht selten mit einschränkenden und relativierenden Zusätzen und Ausdrucksformen („so genannte”, Verwendung der Begriffe in Anführungszeichen) verbunden wurde.
(3) Schließlich wahrt auch der Gebrauch der Bezeichnung „Psychosekte” noch die dem Staat vorgegebene Neutralität in religiös-weltanschaulichen Fragen. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Begriff mit Bezug auf die Osho-Bewegung damit erklärt, dass diese – nach der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unstreitig – in großem Umfang therapeutische Meditationskurse anbiete und ihre Lehre selbst als eine Synthese aus östlicher Weisheit und westlicher Psychologie bezeichne.
Auch dieser Befund stimmt mit den Erkenntnissen überein, welche die Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen” des Deutschen Bundestags für die Zeit gewonnen hat, in der die Äußerungen gemacht wurden, gegen deren weiteren Gebrauch die Beschwerdeführer sich wenden. Danach gehörten zu dem so genannten Psychomarkt mit seinen vielfältigen psychologischen und pseudopsychologischen Angeboten zur Lebenshilfe, Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung außerhalb der fachlichen Psychologie und des Gesundheitswesens (vgl. BTDrucks 13/10950, S. 19) auch meditativ orientierte Strömungen wie die Bhagwan/Osho-Bewegung (vgl. ebd., S. 48, 86 f.). Es war vor diesem Hintergrund für die betroffenen Gruppen und ihre Angehörigen nicht diskriminierend, wahrte vielmehr die verfassungsrechtlich gebotene Neutralität, wenn diese Gruppen in der öffentlichen Diskussion über sie von staatlicher Seite auch als „Psychosekten” bezeichnet wurden, zumal auch dies häufig in der Weise geschah, dass dem Begriff der einschränkende Zusatz „so genannte” hinzugefügt wurde.
bb) Nicht mehr in dem verfassungsrechtlich gebotenen Sinne neutral sind dagegen die Attribute „destruktiv” und „pseudoreligiös”, mit denen die der Osho-Bewegung angehörenden Gemeinschaften versehen wurden, und der Vorwurf, deren Mitglieder würden von der jeweiligen Gemeinschaft – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – manipuliert.
(1) Wie schon das Verwaltungsgericht in seinem insoweit nicht angegriffenen Urteil nachvollziehbar angenommen hat, liegt der diffamierende Charakter der Attribute „destruktiv” und „pseudoreligiös” offen zu Tage. Es hat dazu weiterhin festgestellt, dass die Qualifizierung der Osho-Bewegung und der ihr zugehörigen Gruppen als destruktiv sich nicht auf einzelne als gefährlich eingeschätzte Folgerungen aus der Mitgliedschaft in solchen Gemeinschaften beziehe, sondern dass die genannte Bewegung durch diese Bezeichnung pauschal abgewertet werde und auch die Verwendung des Ausdrucks „pseudoreligiös” die Inhalte der Osho-Bewegung diffamiere und einen darüber hinausgehenden Sinngehalt nicht aufweise. Auch das Oberverwaltungsgericht hat in den genannten Attributen eine abwertende Beurteilung der Osho-Bewegung gesehen. Dass es sie für gerechtfertigt hält, ändert nichts daran, dass damit die in der Auseinandersetzung mit religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften gebotene Neutralität und Zurückhaltung nicht mehr gewahrt wurden.
(2) Das Gleiche trifft für den im Ausgangsverfahren festgestellten Vorwurf der Bundesregierung zu, Mitglieder der Osho-Bewegung und ihrer Gemeinschaften würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert. Nach der Deutung durch das Verwaltungsgericht ist diese – von ihm als negativ gekennzeichnete – Aussage nicht auf bestimmte Tätigkeiten der Bewegung, etwa im Bereich des Arbeits- und Tarifrechts, sondern auf die ihr angehörenden Vereinigungen in ihrer Gesamtheit bezogen. Es habe zum Ausdruck gebracht werden sollen, die Osho-Bewegung wirke insgesamt auf ihre Mitglieder mit unlauteren Methoden ein. Das Oberverwaltungsgericht hat die Würdigung der Äußerung als generelle Aussage geteilt und auch eine stark abwertende Bedeutung des Begriffs „Manipulation” nicht in Abrede gestellt (vgl. KirchE 28, S. 106 ≪125≫). Von Verfassungs wegen begegnet diese Einschätzung keinen Bedenken.
Mit den Begriffen „Manipulation” und „Manipulieren” wird nicht nur entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch die Vorstellung einer Beeinflussung von Menschen durch andere verbunden. Durch den Gebrauch dieser Wörter wird vielmehr auch der Gedanke des Lenkens und Steuerns von Menschen ohne oder gegen ihren Willen, ihrer Benutzung als Objekt und des Sichverschaffens von Vorteilen auf betrügerische oder scheinlegale Weise zum Ausdruck gebracht (vgl. die Stichworte „Manipulation” und „manipulieren” in: Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl., Bd. 27, 1995, S. 2191; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., Bd. 6, 1999, S. 2505 f.; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2. Aufl. 2000, S. 837). Damit ist die Grenze einer zurückhaltend-neutralen Bewertung religiös-weltanschaulicher Vorgänge und Verhaltensweisen jedenfalls dann überschritten, wenn dies – wie hier – nicht auf konkrete Tatsachen gestützt wird.
b) Die Verwendung der Attribute „destruktiv” und „pseudoreligiös” und die Erhebung des Vorwurfs der Mitgliedermanipulation beeinträchtigen danach das durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierte Recht der Beschwerdeführer auf eine in religiös-weltanschaulicher Hinsicht neutral und zurückhaltend erfolgende Behandlung. Die Merkmale eines Grundrechtseingriffs im herkömmlichen Sinne werden damit allerdings nicht erfüllt. Danach wird unter einem Grundrechtseingriff im Allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt. Keines dieser Merkmale liegt bei den Äußerungen vor, die hier zu beurteilen sind.
Die Kennzeichnung der Osho-Bewegung und der ihr zugehörigen Gemeinschaften als „destruktiv” und „pseudoreligiös” und die Behauptung, diese Gemeinschaften manipulierten – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ihre Mitglieder, erfolgten nicht rechtsförmig, sondern waren in Parlamentsantworten enthalten und außerhalb des Parlaments Gegenstand von Rede- und Diskussionsbeiträgen. Sie waren auch nicht unmittelbar an die Organisationen der Osho-Bewegung und ihre Mitglieder adressiert, sondern wollten Parlament und Öffentlichkeit über die Gruppen dieser Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten unterrichten. Weiter war es nicht Zweck der Äußerungen, den angesprochenen Gemeinschaften und ihren Anhängern Nachteile zuzufügen; beabsichtigt war vielmehr nur, Parlament, Öffentlichkeit und hier vor allem den interessierten und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Risiken aufzuzeigen, die nach Auffassung der Bundesregierung mit der Mitgliedschaft in einer der Osho-Bewegung angehörenden Gruppierung verbunden sein konnten. Nachteilige Rückwirkungen auf die einzelne Gemeinschaft wurden allerdings in Kauf genommen. Sofern sie eintraten, beruhten sie aber nicht auf einem erforderlichenfalls zwangsweise durchsetzbaren staatlichen Ge- oder Verbot, sondern darauf, dass der Einzelne aus der ihm zugegangenen Information Konsequenzen zog und der betreffenden Gruppe fernblieb, aus ihr austrat, auf Angehörige oder andere Personen einwirkte, sich ebenso zu verhalten, oder davon absah, die Gemeinschaft (weiter) finanziell zu unterstützen.
Dies hindert jedoch nicht, Äußerungen der vorliegenden Art an Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu messen. Das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben. Die genannten Äußerungen hatten in Bezug auf die Beschwerdeführer eine mittelbar faktische Wirkung. Als Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sind aber auch sie von Verfassungs wegen nur dann nicht zu beanstanden, wenn sie sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lassen.
c) Das ist nicht der Fall. Zwar hat die Bundesregierung mit den angegriffenen Äußerungen im Rahmen ihrer Informationskompetenz gehandelt (aa). Die Beschwerdeführer sind dadurch jedoch unverhältnismäßig in ihren Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beeinträchtigt worden (bb).
aa) Die Bundesregierung durfte Parlament und Öffentlichkeit über die Osho-Bewegung, die ihr angehörenden Gruppierungen sowie deren Ziele und Aktivitäten informieren. Dabei konnte sie sich auf ihre verfassungsunmittelbare Aufgabe der Staatsleitung stützen, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigung bedurft hätte.
(1) (a) Die Ermächtigung zur Erteilung derartiger Informationen ergibt sich aus der der Bundesregierung zugewiesenen Aufgabe, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit auch auf aktuelle streitige, die Öffentlichkeit erheblich berührende Fragen einzugehen und damit staatsleitend tätig zu werden. Diese Aufgabe, bei der es um die politische Führung, die verantwortliche Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik geht und die sich die Bundesregierung mit den anderen dazu berufenen Verfassungsorganen teilt (zur Staatsleitung als Regierungsaufgabe vgl. schon BVerfGE 11, 77 ≪85≫; 26, 338 ≪395 f.≫), wird nicht allein mit den Mitteln der Gesetzgebung (zur Staatsleitung durch Gesetz vgl. BVerfGE 70, 324 ≪355≫) und der richtungweisenden Einwirkung auf den Gesetzesvollzug wahrgenommen. Staatsleitung durch die Bundesregierung wird vielmehr auch im Wege des täglichen Informationshandelns im Wechselspiel insbesondere mit dem Parlament, aber auch mit der interessierten Öffentlichkeit sowie den jeweils betroffenen Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen.
Die staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation hat sich im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt und verändert sich unter den gegenwärtigen Bedingungen fortlaufend weiter. Die gewachsene Rolle der Massenmedien, der Ausbau moderner Informations- und Kommunikationstechniken sowie die Entwicklung neuer Informationsdienste wirken sich auch auf die Art der Aufgabenerfüllung durch die Regierung aus. Regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit war herkömmlich insbesondere auf die Darstellung von Maßnahmen und Vorhaben der Regierung, die Darlegung und Erläuterung ihrer Vorstellungen über künftig zu bewältigende Aufgaben und die Werbung um Unterstützung bezogen (vgl. BVerfGE 20, 56 ≪100≫; 44, 125 ≪147≫; 63, 230 ≪242 f.≫). Informationshandeln unter heutigen Bedingungen geht über eine solche Öffentlichkeitsarbeit vielfach hinaus (vgl. auch VerfGH NW, NWVBl 1992, S. 14 ≪15 f.≫). So gehört es in einer Demokratie zur Aufgabe der Regierung, die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld ihrer eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit zu unterrichten. In einer auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Bürger bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ausgerichteten politischen Ordnung ist von der Regierungsaufgabe auch die Verbreitung von Informationen erfasst, welche die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen. Dementsprechend erwarten die Bürger für ihre persönliche Meinungsbildung und Orientierung von der Regierung Informationen, wenn diese andernfalls nicht verfügbar wären. Dies kann insbesondere Bereiche betreffen, in denen die Informationsversorgung der Bevölkerung auf interessengeleiteten, mit dem Risiko der Einseitigkeit verbundenen Informationen beruht und die gesellschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen.
Von der Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen, oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten und auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht zu reagieren sowie diesen zu Orientierungen zu verhelfen (vgl. weiter Beschluss des Ersten Senats vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 und 1428/91 – Glykol). Ein Schweigen der Regierung in solcher Lage würde von vielen Bürgern als Versagen bewertet werden. Dies kann zu Legitimationsverlusten führen.
(b) Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge und Entwicklungen, die für den Bürger und das funktionierende Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft von Wichtigkeit sind, ist von der der Regierung durch das Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe der Staatsleitung auch dann gedeckt, wenn mit dem Informationshandeln mittelbar-faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden sind, wie dies bei den hier in Rede stehenden Äußerungen über die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften der Fall war. Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber, es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden.
(aa) Unter der Geltung des Grundgesetzes ist der Grundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne begrenzt, sondern auf faktische und mittelbare Beeinträchtigungen ausgedehnt worden. Damit reagierte die Rechtsordnung auf geänderte Gefährdungslagen. Zugleich ist der Gesetzesvorbehalt ausgedehnt worden, und zwar nicht nur im Interesse des Schutzes subjektiver Rechte, sondern auch zur Stärkung der parlamentarischen Verantwortung und damit der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns.
Wegen der zum Teil unterschiedlichen Gründe für die Ausweitung des Grundrechtsschutzes einerseits und des Gesetzesvorbehalts andererseits ist es nicht selbstverständlich, dass der Gesetzesvorbehalt zwangsläufig mit der Ausweitung des Schutzes auf faktisch-mittelbare Beeinträchtigungen von Grundrechten in jeder Hinsicht mitgewachsen ist. Die Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigung werden dadurch mitbestimmt, ob diese dazu beitragen kann, die im Rechtsstaats- und im Demokratieprinzip wurzelnden Anliegen des Gesetzesvorbehalts zu erfüllen. Dies hängt auch von den hierauf bezogenen Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers ab. Der Sachbereich muss staatlicher Normierung zugänglich sein (vgl. BVerfGE 49, 89 ≪126≫). Ob und inwieweit das der Fall ist, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegen standes beurteilen (vgl. BVerfGE 98, 218 ≪251≫).
Die Aufgabe staatlichen Handelns kann der Gesetzgeber ohne weiteres normativ festlegen. Ebenso kann er die Voraussetzungen gezielter und unmittelbarer Eingriffe normieren. Für die faktisch-mittelbaren Wirkungen staatlichen Handelns gilt dies regelmäßig nicht. Hier liegt die Beeinträchtigung nicht in einem staatlicherseits geforderten Verhalten des Normadressaten, sondern in den Wirkungen staatlichen Handelns für einen Dritten, die insbesondere vom Verhalten anderer Personen abhängen. Die Beeinträchtigung entsteht aus einem komplexen Geschehensablauf, bei dem Folgen grundrechtserheblich werden, die indirekt mit dem eingesetzten Mittel oder dem verwirklichten Zweck zusammenhängen. Derartige faktisch-mittelbare Wirkungen entziehen sich typischerweise einer Normierung.
(bb) So liegt es jedenfalls bei einer Informationstätigkeit der Regierung, die aufgrund der Reaktionen der Bürger zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führt. Die Voraussetzungen dieser Tätigkeit lassen sich gesetzlich sinnvoll nicht regeln.
Ist eine Aufgabe der Regierung zum Informationshandeln gegeben, steht damit im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit und Veränderlichkeit der in Betracht kommenden Lebenssachverhalte in aller Regel nicht im Vorhinein fest, aus welchen Anlässen es zu welchem Informationshandeln der Regierung kommen wird. Die Themen denkbarer staatlicher Informationstätigkeit betreffen praktisch alle Lebensbereiche. Dementsprechend vielfältig sind die Zwecke staatlichen Informationshandelns. Die Art und Weise des staatlichen Vorgehens werden durch den konkreten Anlass der Äußerung bestimmt, der oft kurzfristig entsteht, sich unter Umständen schnell wieder ändert und deshalb vielfach ebenfalls nicht prognostiziert werden kann. Ungewiss sind auch und vor allem die Wirkungen und weiteren Folgen der staatlichen Informationstätigkeit für den Bürger. Ob und welche nachteiligen Konsequenzen diese Tätigkeit im Einzelfall für den Grundrechtsträger hat, hängt im Allgemeinen von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren und deren Zusammenwirken ab. Häufig ist hierfür das Verhalten Dritter ausschlaggebend, das, weil es auf deren freier Entscheidung beruht, regelmäßig nicht abschätzbar ist und hinsichtlich seiner Folgen nur schwer kalkuliert werden kann.
Weder die rechtsstaatliche, grundrechtsschützende und den Rechtsschutz gewährleistende noch die demokratische Funktion des Gesetzesvorbehalts fordert unter diesen Umständen eine über die Aufgabenzuweisung hinausgehende gesetzliche Ermächtigung. Gegenstand und Modalitäten staatlichen Informationshandelns sind so vielgestaltig, dass sie angesichts der eingeschränkten Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers allenfalls in allgemein gehaltenen Formeln und Generalklauseln gefasst werden könnten. Ein Gewinn an Messbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns ist für den Bürger auf diesem Wege regelmäßig nicht zu erreichen oder nur in einer Weise, die den Erfordernissen staatlicher Informationstätigkeit nicht gerecht wird. Gleiches gilt für das Ziel, die Entscheidung grundsätzlicher, insbesondere für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlicher Fragen (vgl. BVerfGE 47, 46 ≪79≫; 98, 218 ≪251≫) aus Gründen der demokratischen Legitimation wenigstens in den Grundzügen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorzubehalten. Angesichts der zwangsläufig weiten und unbestimmten Fassung einer einfachgesetzlichen Ermächtigung zum Informationshandeln der Regierung wäre mit einer solchen Ermächtigung eine Entscheidung zur Sache in Wirklichkeit nicht verbunden.
(c) Dass der Vorbehalt des Gesetzes über die Aufgabenzuweisung hinaus keine besondere gesetzliche Ermächtigung der Bundesregierung zum Informationshandeln erfordert, bedeutet allerdings nicht, dass dieser Tätigkeit keine verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzt wären. Auch beim Informationshandeln ist die Kompetenzordnung zu beachten. Auf der Ebene des Bundes ergibt sich die Zuständigkeit im Verhältnis zwischen Bundeskanzler, Bundesministern und der Bundesregierung als Kollegium aus Art. 65 GG. Darüber hinaus ist die föderale Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern zu wahren (vgl. BVerfGE 44, 125 ≪149≫). Dabei hängt die Entscheidung über die Verbandskompetenz davon ab, ob die jeweils zu erfüllende Informationsaufgabe dem Bund oder den Ländern zukommt oder ob parallele Kompetenzen bestehen.
Die Aufgabe der Staatsleitung und der von ihr als integralem Bestandteil umfassten Informationsarbeit der Bundesregierung ist Ausdruck ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung. Für die Regierungskompetenz zur Staatsleitung gibt es, anders als für die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten, keine ausdrücklichen Bestimmungen im Grundgesetz. Das Grundgesetz geht aber stillschweigend von entsprechenden Kompetenzen aus, so etwa in den Normen über die Bildung und Aufgaben der Bundesregierung (Art. 62 ff. GG) oder über die Pflicht der Bundesregierung, den Bundestag und seine Ausschüsse zu unterrichten; Gleiches gilt für die Verpflichtung der Regierung und ihrer Mitglieder, dem Bundestag auf Fragen Rede und Antwort zu stehen und seinen Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandats erforderlichen Informationen zu verschaffen (vgl. zu Letzterem BVerfGE 13, 123 ≪125 f.≫; 57, 1 ≪5≫; 67, 100 ≪129≫). Die Bundesregierung ist überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung der Staatsleitung zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Verantwortung lassen sich etwa aus sonstigen Kompetenzvorschriften, beispielsweise denen über die Gesetzgebung, gewinnen, und zwar auch unabhängig von konkreten Gesetzesinitiativen. Der Bund ist zur Staatsleitung insbesondere berechtigt, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität der Problembewältigung fördert. In solchen Fällen kann die Bundesregierung den betreffenden Vorgang aufgreifen, gegenüber Parlament und Öffentlichkeit darstellen und bewerten und, soweit sie dies zur Problembewältigung für erforderlich hält, auch Empfehlungen oder Warnungen aussprechen.
Mit dieser Ermächtigung der Bundesregierung zum Informationshandeln trifft das Grundgesetz zugleich im Verhältnis zu den Ländern eine andere Regelung im Sinne des Art. 30 GG. Maßgebend für die Kompetenz der Bundesregierung im Bereich des Informationshandelns sind nicht die Art. 83 ff. GG. Die Regierungstätigkeit ist nicht Verwaltung im Verständnis dieser Normen. Zur Ausführung von Gesetzen durch administrative Maßnahmen ist die Bundesregierung im Zuge ihrer Staatsleitung nicht befugt.
Die Informationskompetenz der Bundesregierung endet nicht schon dort, wo zur Behandlung einer Thematik zusätzlich ein Handeln von Staatsorganen mit anderer Verbandskompetenz in Betracht kommt, etwa das der Landesregierungen im Zuge der Wahrnehmung ihrer eigenen staatsleitenden Aufgabe oder das der Verwaltung im Rahmen polizeilicher Gefahrenabwehr. Das Ziel der Aufklärung der Bevölkerung könnte verfehlt werden, wenn die Informationstätigkeit der Bundesregierung sich auf alles andere zur Erreichung dieses Ziels Wichtige beziehen, nicht aber einen Hinweis auf die Gefährlichkeit bestimmter Umstände enthalten dürfte. Die Vollständigkeit einer Information ist ein wichtiges Element der Glaubwürdigkeit. Die problemangemessene und gegebenenfalls Kompetenzen anderer Staatsorgane übergreifende Unterrichtung durch die Bundesregierung ist unter dem Aspekt der föderalen Kompetenzaufteilung unbedenklich, da dieses Informationshandeln weder das der Landesregierungen für ihren Verantwortungsbereich ausschließt oder behindert noch den Verwaltungsbehörden verwehrt, ihre administrativen Aufgaben zu erfüllen.
(2) Nach diesen Maßstäben sind die Äußerungen der Bundesregierung unter Kompetenzgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
(a) Die Äußerungen waren Teil der staatsleitenden Informationsarbeit der Bundesregierung. Nach den tatsächlichen Feststellungen insbesondere des Oberverwaltungsgerichts sind die mit den Äußerungen verbundenen Werturteile über die Osho-Bewegung, ihre Ziele und Aktivitäten im Zusammenhang mit den Stellungnahmen zu sehen, die Osho-Rajneesh in seinen Schriften und sonstigen Äußerungen zu den Themen „Ehe und Familie”, „menschliches Leben” und „menschliche Würde” abgegeben hatte. Anlass für die abwertende Beurteilung seiner Bewegung sei die Einschätzung gewesen, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene weiter unter den Einfluss der Osho-Bewegung und ihrer Einzelorganisationen geraten und auf diese Weise Gefahren für die genannten Rechtsgüter entstehen könnten.
Das Informationshandeln der Bundesregierung war danach eine Reaktion auf Vorgänge im gesellschaftlichen Raum, welche die Öffentlichkeit, Jugendliche und junge Erwachsene wie ihre Angehörigen seinerzeit – vor allem als Betroffene – im Hinblick auf die erwähnte Gefahrenlage in erheblichem Maße bewegten. Dabei ging es der Bundesregierung nicht um Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen Sinne durch Verwaltungshandeln, sondern darum, durch ihre Informationsarbeit den Beitrag in der Auseinandersetzung mit den neuen religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen zu leisten, den der Bundestag und die Bevölkerung auch von ihr als staatsleitendem Organ erwarteten. Eigenes Informationshandeln anderer Staatsorgane, insbesondere der Landesregierungen, sollte dadurch ebenso wenig ausgeschlossen werden wie erforderlichenfalls ein Einschreiten der Verwaltungsbehörden im Wege der Gefahrenabwehr.
(b) Die Bundesregierung konnte sich für ihre Äußerungen auch auf die Verbandskompetenz des Bundes für ein Informationshandeln der Regierung stützen. Die über die Osho-Bewegung und die zu ihr gehörenden Gruppen abgegebenen Bewertungen waren überregional geprägt. Sie sind durch Vorgänge und Erscheinungen ausgelöst worden, die nicht auf den Bereich eines Bundeslandes oder einiger weniger Länder beschränkt waren und außerdem auch Bezüge zu religiösen und weltanschaulichen Gruppierungen im Ausland hatten (vgl. BTDrucks 13/10950, S. 38, 105 ff., 118 ff.). Die Bundesregierung durfte davon ausgehen, dass bewertende Äußerungen allein im Verantwortungsbereich der Länder und ihrer Regierungen dem öffentlichen Handlungsbedarf nicht gerecht geworden wären.
bb) Die Bezeichnung der Osho-Bewegung und ihrer einzelnen Gruppen als „destruktiv” und „pseudoreligiös” und der gegen diese gerichtete Vorwurf, ihre Mitglieder würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert, halten als das Neutralitätsgebot verletzende Äußerungen der verfassungsgerichtlichen Prüfung gleichwohl nicht stand. Sie sind nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerechtfertigt.
Geht es wie hier um die Bewertung von Vorgängen, die religiöse oder weltanschauliche Gruppen, ihre Ziele und ihre Verhaltensweisen betreffen, müssen Äußerungen, die den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beeinträchtigen, danach insbesondere dem Anlass, der sie ausgelöst hat, angemessen sein; in diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, welche belastenden Folgen die mittelbar-faktisch betroffenen Grundrechtsträger nachvollziehbar zum Abwägungsgegenstand machen können. Die Bezeichnung der Osho-Bewegung und ihrer Gruppierungen als „destruktiv” und „pseudoreligiös” und der Vorwurf, diese manipulierten – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ihre Mitglieder, waren unangemessen.
Zwar konnte die Bundesregierung nach den tatsächlichen Feststellungen vor allem des Oberverwaltungsgerichts von der Einschätzung ausgehen, dass insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene weiterhin unter den Einfluss der Osho-Bewegung und ihrer Einzelorganisationen geraten und dadurch für sie, aber auch für ihre Familien und für die Gesellschaft insgesamt Folgen entstehen könnten, die zum damaligen Zeitpunkt weite Kreise der Bevölkerung erheblich beunruhigten. In dieser Lage durch aufklärendes Informationshandeln zur Orientierung der Bürger beizutragen, war legitim.
Es war jedoch nicht gerechtfertigt, die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden Gruppen mit den Attributen „destruktiv” und „pseudoreligiös” zu versehen und ihnen vorzuwerfen, sie manipulierten ihre Mitglieder. Diese Attribute und dieser Vorwurf sind für die Beschwerdeführer diffamierend. Es ist auch nachvollziehbar, wenn diese geltend machen, infolge dieser Äußerungen hätten sie schwerwiegende Nachteile zu befürchten, etwa den Verlust vorhandener und das Ausbleiben neuer Mitglieder oder das Unterbleiben finanzieller Unterstützungsleistungen. Hinreichend gewichtige, durch konkrete Tatsachen gestützte Gründe, welche die Äußerungen der Bundesregierung angesichts des Zurückhaltungsgebots trotzdem rechtfertigen könnten, sind von dieser weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Sie lassen sich insbesondere nicht der Situation entnehmen, in der die Bewertungen durch die Bundesregierung vorgenommen wurden. Sowohl in der Rede des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit als auch in den Antworten, welche die Bundesregierung auf die ihr gestellten Anfragen gegenüber dem Bundestag gab, hätten deshalb Ausdrücke und Bezeichnungen, wie sie hier in Rede stehen, vermieden werden müssen. In Anbetracht der Bedeutung des Grundrechts der Weltanschauungsfreiheit und der Neutralitätspflicht des Staates war es überzogen und unangemessen, die genannten Äußerungen über die Osho-Bewegung und Organisationen zu treffen, die sich – wie die Beschwerdeführer – zu dieser Bewegung bekennen.
4. Von den angegriffenen Gerichtsentscheidungen ist demnach das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar, soweit es mit der Klage auch das Begehren der Beschwerdeführer abgewiesen hat, es der beklagten Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, in amtlichen Verlautbarungen jeder Art die Osho-Bewegung und die ihr zugehörigen Gruppen mit den Attributen „destruktiv” und „pseudoreligiös” zu belegen und weiter öffentlich zu behaupten, die Mitglieder solcher Gruppen würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert.
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen das verwaltungsgerichtliche Urteil. Da die Beschwerdeführer gegen die Abweisung der Klage, soweit diese die weitere Verwendung der Bezeichnungen „destruktiver Kult” und „Psychokult” durch die Bundesregierung betraf, Berufung nicht eingelegt hatten, unterliegt dieses Urteil der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nur insoweit, als es außerdem das Verlangen der Beschwerdeführer für unbegründet erachtet hat, der Bundesregierung den Gebrauch des Begriffs „Sekte” zu untersagen. Durch die Verwendung dieses Begriffs wird jedoch, wie ausgeführt, schon der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht berührt. Von daher sind auch gegen die Abweisung der Klage insoweit im Blick auf dieses Grundrecht verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.
Schließlich beruht der angegriffene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf Erwägungen, die verfassungsrechtlich zu kritisieren wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich einer eigenen Bewertung der Bezeichnungen und Begriffe enthalten, die im Ausgangsverfahren in der Berufungsinstanz noch im Streit waren. Soweit die von ihm gefundenen Maßstäbe für die Beurteilung von Äußerungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Informationshandelns von den vorstehend dargestellten Grundsätzen abweichen, ist nicht ersichtlich, dass die Berücksichtigung dieser Grundsätze zu einer anderen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geführt hätte. Es besteht deshalb kein Anlass, neben dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts auch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision verfassungsrechtlich zu beanstanden.
II.
Weitere Verfassungsrechte der Beschwerdeführer sind nicht verletzt. Insbesondere haben das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht, deren Entscheidungen insoweit allein angegriffen sind, im Zusammenhang mit den Äußerungen der Bundesregierung, die nach den Ausführungen unter B I im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht zu beanstanden sind, nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen, den Beschwerdeführern rechtliches Gehör zu gewähren.
Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte gehalten, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dazu gehört auch die Pflicht der Verwaltungsgerichte, Beweisanträge, die sie für erforderlich und geeignet halten, nicht zu übergehen. Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Die Nichtberücksichtigung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 69, 141 ≪143 f.≫; 79, 51 ≪62≫).
Gemessen daran kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Entscheidungen des Ober- und des Bundesverwaltungsgerichts auf einer Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör beruhen.
Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kam es für die Entscheidung des Berufungsgerichts auf den Inhalt der Akten, in die die Beschwerdeführer Einsicht nehmen wollten, nicht an. Auch die Tatsachen, für die die Beschwerdeführer den Richtern die erforderliche Sachkunde bestreiten, waren danach für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Hinsichtlich der Verwendung des abwertenden Attributs „destruktiv” hat die Verfassungsbeschwerde schon wegen Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Erfolg.
III.
Das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG wegen dieses Verstoßes unter Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht aufzuheben, soweit es dem Antrag der Beschwerdeführer nicht entsprochen hat, es der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, in amtlichen Verlautbarungen jeder Art die Osho-Bewegung und die ihr angehörenden Gemeinschaften mit den Attributen „destruktiv” und „pseudoreligiös” zu belegen und weiter öffentlich zu behaupten, die Mitglieder solcher Organisationen würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit manipuliert. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision wird in diesem Umfang gegenstandslos.
Unterschriften
Papier, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 776540 |
BVerfGE, 279 |
NJW 2002, 2626 |
NVwZ 2002, 1089 |
NVwZ 2002, 1495 |
ZAP 2002, 1106 |
AfP 2002, 410 |
EzFamR aktuell 2002, 311 |
GewArch 2002, 419 |
JA 2003, 113 |
JZ 2003, 310 |
JuS 2003, 186 |
BayVBl. 2003, 273 |
DVBl. 2002, 1351 |
JURAtelegramm 2003, 18 |
KJuG 2002, 132 |