Leitsatz (amtlich)
Der Staat des Grundgesetzes ist grundsätzlich verpflichtet, auf seinem Territorium die Unversehrtheit der elementaren Grundsätze des Völkerrechts zu garantieren und bei Völkerrechtsverletzungen nach Maßgabe seiner Verantwortung und im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten einen Zustand näher am Völkerrecht herbeizuführen. Daraus folgt jedoch keine Pflicht zur Rückgabe des in dem Zeitraum von 1945 bis 1949 außerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs entschädigungslos entzogenen Eigentums.
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Vereinbarkeit der Enteignungen in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 mit dem Völkerrecht und die Folgen einer möglichen Völkerrechtswidrigkeit für die verfassungsrechtlichen Bindungen der Bundesrepublik Deutschland.
I.
1. a) Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 7. und 8. Mai 1945 übte zunächst jede Besatzungsmacht in dem von ihr besetzten deutschen Staatsgebiet allein die Herrschaftsgewalt aus. Erst am 5. Juni 1945 übernahmen die vier Siegermächte – die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, das Vereinigte Königreich und Frankreich – mit ihrer so genannten Juni-Deklaration gemeinsam die „oberste Regierungsgewalt in Deutschland” einschließlich „aller Befugnisse der deutschen Regierung”. Der Alliierte Kontrollrat, der sich aus den Oberkommandierenden der Besatzungstruppen zusammensetzte, wurde höchstes Entscheidungsorgan für Deutschland. Daneben übten jedoch die einzelnen Befehlshaber in ihren Besatzungszonen die Entscheidungshoheit aus, d.h. sie konnten vor allem selbständig Befehle und Gesetze erlassen.
Auf der Potsdamer Konferenz der vier Siegermächte vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 betonten die Alliierten noch einmal, dass die Oberkommandierenden der Streitkräfte als Mitglieder des Kontrollrates die höchste Regierungsgewalt in Deutschland ausübten, und zwar jeder in seiner Besatzungszone nach den Leitsätzen seiner entsprechenden Regierung, sowie gemeinsam in den Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Als Ziele des Besatzungsregimes wurden genannt:
Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.
Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven. Die Alliierten wollen dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen (Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin [Potsdamer Protokoll] vom 2. August 1945, zit. nach Rauschning [Hrsg.], Rechtsstellung Deutschlands, 2. Aufl., 1989, Ziff. 6, S. 24 unter Hinweis auf Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsband Nr. 1, S. 13 ff.).
Auf wirtschaftlichem Gebiet wurde die Vernichtung des Kriegspotenzials, die Zerschlagung der „bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndicate, Trusts und andere Monopolvereinigungen” gefordert. Während der Besatzungszeit sollte Deutschland eine wirtschaftliche Einheit bleiben.
b) Am 9. Juni 1945 wurde mit „Befehl Nr. 1” in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) als oberstes Machtorgan die Sowjetische Militäradministration in Deutschland – SMAD – gebildet. Befehl Nr. 1 brachte „zur allgemeinen Kenntnis”, dass „zur Kontrolle über die Durchführung der Deutschland nach der bedingungslosen Kapitulation auferlegten Bedingungen und zur Verwaltung der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland” die SMAD mit Marschall Schukow an der Spitze geschaffen wurde. Mit Befehl Nr. 5 vom 9. Juli 1945 wurden SMAD-Verwaltungen in den Ländern und Provinzen geschaffen sowie deren Chefs ernannt. Die SMAD war die zentrale Agentur der sowjetischen Interessen in der SBZ (vgl. zur SMAD allgemein Foitzik, in: W. Benz ≪Hrsg.≫, Deutschland unter alliierter Besatzung 1945 – 1949/55, 1999, S. 302 ff.). Die zentrale Handlungsform der SMAD war der schriftliche oder mündliche „Befehl”. Die neu einzurichtenden deutschen Instanzen konnten in diesem Zusammenhang nur als Hilfsorgane der sowjetischen Behörden tätig sein. Sie sollten sowohl direkte Anweisungen erhalten als auch überwacht werden.
Ein wesentlicher Schritt zur Veränderung der Eigentumsordnung in der SBZ betraf Grund und Boden (vgl. die Darstellungen bei Dölling, Wende der deutschen Agrarpolitik, 1950; Lochen, in: Deutschland-Archiv 1991, S. 1025 ff.; Biehler, Die Bodenkonfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone nach Wiederherstellung der gesamtdeutschen Rechtsordnung 1990, 1994, S. 32 ff.; vgl. auch BVerfGE 84, 90 ≪96 ff.≫). An einer Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone arbeitete das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen mit der SMAD seit 1945. Dabei benutzte man den Begriff „Demokratische Bodenreform”, der in Deutschland schon vor 1945 verwendet worden war (Stern, Staatsrecht, Bd. V 2000, S. 987 m.w.N.). Auch berief man sich auf gesamtalliierte Vorstellungen, die wirtschaftlichen Grundlagen „des Junkertums” und der „Großkapitalisten” zu zerschlagen, um die „Demokratisierung” des deutschen Volkes voranzubringen. Erfasst werden sollten hiervon nach der Devise „Junkerland in Bauernhand” nicht nur Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher, sondern aller Bodenbesitz über 100 ha als „unaufschiebbare nationale, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit”, um die „Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes” zu gewährleisten, der „immer eine Bastion der Reaktion und des Faschismus und eine der Hauptquellen der Aggression […] gegen andere Völker” gewesen sei.
Demgemäß ergingen im September 1945 in allen Ländern und Provinzen der SBZ Rechtsakte zur Bodenreform. Vereinzelt wurden darüber Volksabstimmungen durchgeführt. Vorreiter war die Provinz Sachsen, die bereits am 3. September 1945 eine Verordnung über die Bodenreform erließ. Betroffen war der gesamte landwirtschaftliche Grundbesitz einschließlich des lebenden und des toten Inventars der
- Kriegsverbrecher, Kriegsschuldigen, Nazi-Führer, aktiven Verfechter der Nazi-Partei und der führenden Personen des Hitler-Staates, darunter aller Personen, die in der Periode der Naziherrschaft Mitglieder der Reichsregierung, des Reichstages, einer deutschen Länderregierung oder eines Landtages waren;
- feudal-junkerlichen Boden- und Großgrundbesitzer über 100 ha;
- des Staates, soweit er nicht landwirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Forschungsinstituten, Versuchs- oder Lehranstalten gewidmet ist.
Insgesamt wurden 7.112 Güter enteignet, die größer als 100 ha waren. Außerdem wurden 4.278 Betriebe unterhalb der 100 ha-Grenze, die vermuteten Kriegsverbrechern und nationalsozialistischen Funktionären gehörten, sowie 2.309 Areale sonstiger Art, die sich in der überwiegenden Zahl der Fälle in Staatsbesitz befanden, enteignet. Aus dem enteigneten Grundbesitz wurde ein Bodenfonds von rund 3,22 Mio. ha Land gebildet. Der Bodenfonds umfasste damit rund ein Drittel der gesamten bodenwirtschaftlichen Nutzfläche der nachmaligen DDR. Aus dem Bodenfonds wurden 2,1 Mio. ha Land in Grundstücken an landlose oder landarme Bauern, Landarbeiter, Flüchtlinge und Umsiedler verteilt, wobei der zugeteilte Boden 5 ha, bei schlechter Bodenqualität bis zu 10 ha nicht überschreiten sollte (vgl. BVerwGE 95, 170 ff.).
Ein Teil des enteigneten Grundbesitzes verblieb im Eigentum der öffentlichen Hand. Die Zuteilungsempfänger hatten für den Boden eine Summe in Höhe des Wertes einer Jahresernte zu entrichten. Die neu geschaffenen landwirtschaftlichen Betriebe durften weder geteilt noch ganz oder teilweise verkauft, verpachtet oder verpfändet werden. Die Durchführung der Bodenreform oblag Kommissionen auf Gemeinde-, Kreis- und Landesebene. Die enteigneten Grundbesitzer wurden in der Regel aus dem Kreis, in dem sie ihren Grundbesitz hatten, ausgewiesen. Sie mussten ihren Hof nicht selten binnen weniger Stunden verlassen und durften nur die notwendige Habe mitnehmen. Gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber den Enteignungsmaßnahmen gab es nicht. Auch die Einstufung als Kriegsverbrecher oder aktiver Nationalsozialist unterlag keiner gerichtlichen Kontrolle.
Nicht wenige Neubauern gaben bald wieder ihre landwirtschaftliche Tätigkeit auf, weil zahlreiche Betriebe zu klein waren und deshalb nicht rentabel bewirtschaftet werden konnten. Im Jahre 1952 setzte darüber hinaus eine erste Phase der gezielten Kollektivierung der Landwirtschaft ein. Doch führte erst eine im Frühjahr 1960 angelaufene Kollektivierungskampagne dazu, dass rund 85% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in über 19.000 Genossenschaften mit knapp 1 Mio. Mitgliedern zusammengefasst wurden. Nach dem Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) vom 3. Juni 1959 und den zusätzlich erlassenen Musterstatuten über die drei verschiedenen Typen landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften blieb der in die Genossenschaften zur allgemeinen Nutzung eingebrachte Boden Eigentum der Mitglieder; durfte nur an den Staat, die LPG oder deren Mitglieder, die wenig oder kein Land besaßen, verkauft werden.
c) Die DDR verankerte die Rechtswirksamkeit der Bodenreform bereits in Art. 24 ihrer Verfassung vom 7. Oktober 1949 (abgedruckt in: Roggemann ≪Hrsg.≫, Die DDR-Verfassungen, 4. Aufl., 1989, S. 452 ff.). Gemäß der neuen vorkommunistischen Ordnung gab es an Produktionsmitteln wie den wirtschaftlichen Nutzflächen indessen nur Volkseigentum „sozialistisches Eigentum”), sei es „gesamtgesellschaftliches Gesamteigentum”, sei es „genossenschaftliches Gemeineigentum”.
2. a) Mit der Wiedervereinigung ging das Eigentum am öffentlichen Vermögen zusammen mit der Gesamtverschuldung des Haushalts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik auf die Bundesrepublik Deutschland über. Kapitel VI des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 – Einigungsvertrag (BGBl II S. 889) legt die Prinzipien fest, nach denen das Vermögen in der föderativen Ordnung auf die verschiedenen Körperschaften verteilt werden soll.
Im Hinblick auf die Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden war eine Vorentscheidung für die Lösung der damit zusammenhängenden offenen Vermögensfragen durch die Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237) gefallen. In der Gemeinsamen Erklärung heißt es, dass die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (1945-1949) „nicht mehr rückgängig zu machen” seien. Für die Enteignungen der DDR 1949-1990 wurde der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung” festgelegt. Die Gemeinsame Erklärung wurde über Art. 41 Abs. 1 Bestandteil des Einigungsvertrags, der wiederum nach Art. 143 Abs. 3 GG n.F. im Grundgesetz verankert wurde. Die in der Erklärung festgelegten Eckpunkte wurden im Vermögensgesetz (Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. September 1990, BGBl II S. 885, 1159) konkretisiert, das für die Enteignungen durch DDR-Organe den Restitutionsanspruch der so genannten Alteigentümer regelt.
b) Die „Gemeinsame Erklärung” hat in ihrer für die vorliegenden Fälle interessierenden Nr. 1 folgenden Wortlaut:
Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muß.
Über die Regelung offener Vermögensfragen ist in Art. 41 EV Folgendes bestimmt:
(1) Die von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik abgegebene Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen (Anlage III) ist Bestandteil dieses Vertrages.
(2) […]
(3) Im übrigen wird die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen, die der in Absatz 1 genannten Gemeinsamen Erklärung widersprechen.
Im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (so genannter Zwei-Plus-Vier-Vertrag) teilten der Bundesminister des Auswärtigen und der DDR-Ministerpräsident in Punkt 1 ihres Gemeinsamen Briefes den Außenministern der Vier Mächte mit:
1. Die Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 enthält u.a. folgende Aussagen:
[es folgt die zitierte Passage aus der Gemeinsamen Erklärung zu den Enteignungen von 1945 bis 1949].
Gemäß Art. 41 Absatz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 ist die Gemeinsame Erklärung Bestandteil dieses Vertrages. Gemäß Art. 41 Absatz 3 des Einigungsvertrags wird die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen, die dem oben zitierten Teil der Gemeinsamen Erklärung widersprechen (abgedruckt in: Bulletin vom 14. September 1990, Nr. 109 S. 11).
Bereits in einem „Aide-Mémoire” vom 28. April 1990 hatte die sowjetische Regierung gefordert:
Nichts im Vertragsentwurf zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik darf dazu berechtigen, die Gesetzlichkeit der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder in ihrer ehemaligen Besatzungszone getroffen haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliegt keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane (abgedruckt in: Fieberig/Reichenbach/Messerschmidt/Verstegen, VermG, § 1, Rn. 179).
Durch Art. 4 Nr. 5 EV wurde folgender neuer Art. 143 Abs. 3 in das Grundgesetz eingefügt:
(3) Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Einigungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses Vertrags genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Das in seiner ursprünglichen Fassung noch von der ehemaligen DDR erlassene, auf Grund des Einigungsvertrags als Bundesrecht übernommene Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen trifft dazu in § 1 Abs. 8 Buchstabe a folgende Regelung:
Dieses Gesetz gilt vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren nicht für
a) Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage; Ansprüche nach den Absätzen 6 und 7 bleiben unberührt; […]
(Fassung nach dem Gesetz zur Änderung des Vermögensgesetzes und anderer Vorschriften ≪Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz – 2. VermRÄndG≫ vom 14. Juli 1992, BGBl 1992 I S. 1257).
c) Nach den Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz (BTDrucks 11/7831) handelt es sich bei den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden, im Wesentlichen um die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zu Gunsten der Länder der ehemaligen sowjetisch besetzten Zone oder im Rahmen sowjetischer Reparationsmaßnahmen sowie um Enteignungen im Bereich der Landwirtschaft im Rahmen der so genannten demokratischen Bodenreform.
Die Qualifizierung der Enteignungen als „besatzungsrechtlich” oder „besatzungshoheitlich” wird in der Erläuterung danach unterschieden, ob die Enteignungen in formeller Hinsicht auf entsprechenden Befehlen oder Anordnungen der SMAD (besatzungsrechtlich) oder aber auf Rechts- oder Hoheitsakten der Länder der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und kommunaler Stellen des sowjetischen Sektors von Berlin (besatzungshoheitlich) beruhten (BTDrucks 11/7831, S. 1 ≪3≫).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage solche, die durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht wurden und maßgeblich auf deren Entscheidungen beruhten (vgl. BVerfGE 94, 12 ≪31 f.≫). Dabei ist unerheblich, dass deutsche Stellen daran einverständlich mitwirkten. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass die Enteignungen nicht zu Gunsten der Besatzungsmacht erfolgten. Selbst Enteignungsmaßnahmen, bei denen die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Maßstäben willkürlich angewendet wurden, beruhen jedenfalls auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Wegen der einheitlichen rechtlichen Beurteilung wird im Folgenden der Begriff „besatzungshoheitliche Enteignungen” verwendet.
d) In Nr. 1 Satz 4 der Gemeinsamen Erklärung hatte die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ihre Auffassung bekräftigt, dass eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen einem künftigen gesamtdeutschen Parlament vorbehalten bleiben müsse. Dementsprechend hat der Gesetzgeber das Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG vom 27. September 1994, BGBl I S. 2624) erlassen. In ihm sind mehrere Gesetze zusammengefasst, darunter – als Art. 1 – das Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG) und – als Art. 2 – das Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG). Das Ausgleichsleistungsgesetz sieht im Grundsatz vor, dass die Berechtigten eine aus einem Entschädigungsfonds zu erbringende Ausgleichsleistung in Geld erhalten, die durch Zuteilung von Schuldverschreibungen erfüllt wird. Insoweit und wegen der Einzelheiten der Berechnung verweist das Gesetz auf die §§ 1 bis 9 EntschG (vgl. § 2 Abs. 1 AusglLeistG).
§ 3 AusglLeistG ermöglicht die Wahl einer Sachentschädigung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Die Entschädigung wird allerdings nicht durch Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Ausgleich in Land, sondern in privatrechtlicher Form, also durch Kauf gewährt. Dabei ist die mit der Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke betraute Stelle in ihrem Ermessen durch detaillierte Vorgaben begrenzt. Gemäß § 3 AusglLeistG sollen die im Umfang überwiegenden Agrargrundstücke zu weniger als der Hälfte des Verkehrswerts – der Wertansatz für landwirtschaftliche Flächen ist das Dreifache des Einheitswerts nach dem Jahre 1935, § 3 Abs. 7 AusglLeistG – an verschiedene Erwerbergruppen verkauft werden. Hierzu gehören vorrangig die derzeitigen Pächter, die LPG-Nachfolgebetriebe, zwischen 1945 und 1949 oder zu DDR-Zeiten enteignete und mittlerweile wieder wirtschaftende Wiedereinrichter und als Neueinrichter bezeichnete Pächter ohne vormaligen Grundbesitz im Gebiet der neuen Länder (§ 3 Abs. 2 AusglLeistG) sowie nachrangig die vor 1949 enteigneten und nicht restitutionsberechtigten Alteigentümer, die nicht wieder vor Ort tätig sind. Letztere sollen jedoch nur diejenigen Flächen erwerben können, die von den anderen Berechtigten nicht gekauft werden (§ 3 Abs. 5 AusglLeistG). Hinsichtlich des Erwerbs von forstwirtschaftlichen Flächen gilt diese Abstufung dagegen nicht, hier ist allein die Qualität des unterbreiteten Betriebskonzepts maßgeblich (§ 4 Abs. 5 Flächenerwerbsverordnung). Die Einzelheiten des Erwerbs und des Verfahrens sind in der Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen, das Verfahren sowie den Beirat nach dem Ausgleichsleistungsgesetz vom 20. Dezember 1995 (Flächenerwerbsverordnung – FlErwV, BGBl I S. 2072) geregelt.
II.
1. a) Der Beschwerdeführer zu I. ist Erbe des voreingetragenen von der M. Dieser wurde gemäß der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Mark B. vom 6. September 1945 enteignet.
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben erteilte auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 Satz 2 Grundstücksverkehrsordnung (GVO) eine Gründstücksverkehrsgenehmigung über eines der enteigneten Grundstücke, da der Antrag des Beschwerdeführers zu I. auf Rückübertragung des Grundstücks offensichtlich unbegründet sei. Die vom Beschwerdeführer im Restitutionswege begehrten Vermögenswerte seien im Zuge der so genannten demokratischen Bodenreform entschädigungslos enteignet worden.
Der Beschwerdeführer erhob gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gemäß § 1 Abs. 2 GVO, § 30 Abs. 1, § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG als offensichtlich unbegründet ab. Die Genehmigung beziehe sich auf ein Grundstück, das im Zuge der so genannten demokratischen Bodenreform und damit auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sei. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung dieser Enteignungen und des Restitutionsausschlusses sei das Gericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an das so genannte Bodenreformurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 ff.) und den diese Entscheidung bestätigenden Beschluss vom 18. April 1996 (BVerfGE 94, 12 ff.) gebunden. Das Bundesverfassungsgericht habe den Restitutionsausschluss auch unter den vom Beschwerdeführer vorgebrachten völkerrechtlichen Gesichtspunkten geprüft.
Hiergegen stellte der Beschwerdeführer Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin und begehrte gleichzeitig, die Sache gemäß Art. 100 Abs. 2 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Beide Anträge lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. März 2000 ab. Zur Begründung verwies es auf die genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers habe sich das Bundesverfassungsgericht dort auch mit der völkerrechtlichen Rechtslage auseinander gesetzt.
b) Der Beschwerdeführer zu II. ist Alleinerbe seines Großvaters Herzog zu B. Der Großvater des Beschwerdeführers zu II. war ursprünglich Eigentümer der zurückbegehrten Vermögenswerte, insbesondere der im Kreis B. belegenen Grundstücke.
Am 30. Juli 1945 verfügte der Landrat des Kreises die Beschlagnahme des Vermögens – später auf Grund von SMAD-Befehl Nr. 124 bestätigt – mit Rücksicht darauf, dass die herzogliche Familie B. „fluchtartig verlassen habe”. Die streitgegenständlichen Vermögensgegenstände wurden sodann bis Ende 1949 in die Bodenreform einbezogen.
Das Regierungspräsidium Halle – Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen – lehnte den Restitutionsantrag des Beschwerdeführers zu II. mit Bescheid vom 31. März 1998 ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Magdeburg führte in seinem Urteil vom 7. März 2000 aus, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Restitution habe, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anwendungsausschlusses des § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG erfüllt seien. Unabhängig von der seinerzeitigen Rechtmäßigkeit sei der faktisch enteignende Zugriff auf die streitgegenständlichen Vermögenswerte den sowjetischen Besatzungsbehörden zuzurechnen. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht mit Erfolg auf ein Enteignungsverbot zu Gunsten ausländischer Staatsbürger berufen. Ein solches Enteignungsverbot lasse sich zwar grundsätzlich dem wiederholt auch durch die Sowjetunion geäußerten Willen, das Eigentum ausländischer Staatsangehöriger vor dem Zugriff durch deutsche Stellen zu schützen, entnehmen. Jedoch gelte dies nicht für Vermögenswerte ausländischer Staatsangehöriger, die zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hätten, wie dies beim Großvater des Beschwerdeführers zu II. der Fall sei.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2000 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg zurück. Es fehle an der Darlegung einer klärungsbedürftigen Frage des Bundesrechts gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die angeführte Ziffer 19b der Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte vom 20. September 1945 über Doppelstaatler wie auch die „Dartwinschen Instruktionen” seien nicht eindeutig und allein auch nicht geeignet, ein dem Beschwerdeführer günstiges Ergebnis herbeizuführen, da es für die Zurechnung einer Maßnahme zur Besatzungsmacht auf die Praxis der sowjetischen Behörden ankomme. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch die übrigen einschlägigen Verlautbarungen der Alliierten bereits mehrfach gewürdigt und ihnen kein Enteignungsverbot für Doppelstaatler entnehmen können.
2. Mit den Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer, deren Vorbringen weitgehend übereinstimmt, in der Sache mittelbar gegen § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG.
a) Der Beschwerdeführer zu I. rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 GG und Art. 79 Abs. 3 GG hinsichtlich der in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze sowie – der Sache nach – seines Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerde sei gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zulässig, da eine neue Entscheidung auch auf einen grundlegenden Wandel in den maßgeblichen Rechtsauffassungen gestützt sein könne.
Die Bodenreformenteignungen in den Jahren 1945 bis 1949 hätten einen Eigentumsverlust im rechtlichen Sinne für die Betroffenen nicht bewirkt. Als völkerrechtswidriger Akt einer Besatzungsmacht hätten sie für die Betroffenen lediglich Besitzverlust bedeutet. Mithin seien die Folgen der Enteignungen 1990 noch reversibel gewesen. Es habe zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit einer rechtlichen Regelung, etwa über eine Rückabwicklung der Enteignungen, durch einen Friedensvertrag bestanden. Als solcher könne nur eine Vereinbarung zwischen der siegreichen Besatzungsmacht und dem souveränen (besiegten) Staat oder seinem Rechtsnachfolger anzusehen sein, hier also der Regelungsvertrag vom 12. September 1990. Dieser Vertrag enthalte eine solche Regelung aber nicht. Vielmehr seien erst durch den Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31. August 1990 die Bodenreformenteignungen für unantastbar erklärt worden.
Diese im Einigungsvertrag getroffene Regelung, die später zur Einfügung des Art. 143 Abs. 3 in das Grundgesetz und im Anschluss daran zum einfachgesetzlich normierten Restitutionsausschluss des § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG geführt habe, verstoße jedoch gegen zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts.
Die Bundesrepublik Deutschland als eine der vertragschließenden Parteien sei wegen Art. 25 GG gehindert gewesen, eine solche Vereinbarung zu treffen und zu ihrer Umsetzung Art. 143 Abs. 3 GG und § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG zu erlassen. Art. 25 GG verpflichte die hoheitliche Gewalt in der Bundesrepublik zur Beachtung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Es existierten völkerrechtliche allgemeine Regeln, die den Entzug von Eigentum durch eine Besatzungsmacht verböten und es im Gegenzug der Bundesrepublik geböten, völkerrechtswidrig erfolgte Enteignungen deutscher Staatsangehöriger durch eine frühere Besatzungsmacht rückgängig zu machen, soweit es in ihrer Macht stehe.
Zum Nachweis für den behaupteten Völkerrechtsverstoß führt der Beschwerdeführer zu I. insgesamt sechs Regeln an, die seiner Ansicht nach allgemeine Normen des zwingenden Völkerrechts darstellen und die für die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrags verbindlich waren. Unter anderem soll danach eine Regel bestehen, dass die Rückerstattung eines unter Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht entzogenen beweglichen oder unbeweglichen Gegenstandes an den ursprünglichen Eigentümer eine besondere Form der Wiedergutmachung völkerrechtlicher Delikte sei und dem Grundsatz der Effektivität der Völkerrechtsordnung Rechnung trage.
Der Einigungsvertrag mit seiner Aufrechterhaltung von besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen perpetuiere den darin liegenden Verstoß gegen zwingendes Völkergewohnheitsrecht und verstoße damit selbst gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts. Die darauf beruhenden Verfassungs- und Gesetzesänderungen verstießen folglich ebenfalls gegen zwingendes Völkerrecht und seien damit verfassungswidrig. Denn das zwingende Völkerrecht sei als änderungsfester Teil des Rechtsstaatsprinzips in Art. 79 Abs. 3 GG verankert. Art. 143 Abs. 3 GG entspreche als verfassungsändernde Norm diesen Vorgaben nicht und sei daher seinerseits verfassungswidrig.
b) Der Beschwerdeführer zu II. begründet seine Auffassung der Verfassungswidrigkeit des Restitutionsausschlusses im Wesentlichen mit denselben, auf das Völkerrecht gestützten Argumenten.
Darüber hinaus trägt er vor, dass die Auslegung und Anwendung der innerstaatlichen Rechtsgrundlage einer Überprüfung an Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot nicht standhalte. Denn die Besatzungsmacht habe ausdrücklich die Enteignung von Staatsangehörigen der alliierten Mächte verboten. Nach Völkerrecht sowie nach Besatzungsrecht (Proklamation Nr. 2 der Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte, SMAD-Befehle Nr. 97, 104, 154 und Dartwinsche Instruktionen) habe die Sowjetunion aber nur das Eigentum der Staatsangehörigen des Feindstaates Deutschland enteignen dürfen und wollen. Keine der Vorschriften differenziere zwischen „Nur-Ausländern” und Doppelstaatlern, die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts sei deshalb zu restriktiv. Die ausführenden deutschen Organe hätten insoweit bei der Enteignung des Großvaters des Beschwerdeführers, eines englischen Staatsbürgers, ultra vires gehandelt. Da es sich somit nicht um eine besatzungshoheitliche Maßnahme handele, finde § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG keine Anwendung.
III.
Von der Möglichkeit zur Stellungnahme haben die Oberfinanzdirektion Berlin, das Bundesverwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Halle Gebrauch gemacht.
1. Der nunmehr (vgl. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern vom 2. November 2000, BGBl I S. 1481) zuständige Präsident der Oberfinanzdirektion Berlin hat sich zu den Verfassungsbeschwerden wie folgt geäußert: Die Verfassungsbeschwerden würfen die Frage auf, ob der Einigungsvertrag gegen zwingendes Völkerrecht, welches über Art. 25 GG in Deutschland gelte, verstoße. Diese Frage sei bisher nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen. Art. 25 GG sei jedoch ebenso wenig verletzt wie Art. 100 Abs. 2 GG.
Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführer habe nicht erst Art. 41 EV, sondern bereits die Bodenreform das Eigentum wirksam entzogen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur faktischen Enteignung gehe davon ebenso aus wie die Europäische Kommission für Menschenrechte in ihrer Entscheidung vom 4. März 1996 (Europäische Kommission für Menschenrechte, Nr. 19048/91; 19049/91; 19342/92; 19549/92; 18890/91, NJW 1996, S. 2292 – Weidlich und Fullbrecht, Hasenkamp, Golf, Klausser und Mayer gegen Deutschland). Zudem habe die ehemalige DDR als souveräner Staat die auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten Enteignungen in ihren Willen aufgenommen. Zwar habe erst der Regelungsvertrag vom 12. September 1990 die Besetzung Deutschlands endgültig beendet. Doch sei die Deutsche Demokratische Republik – wie auch die Bundesrepublik Deutschland – bereits zuvor ein im völkerrechtlichen Sinne souveräner Staat geworden. Allein die DDR sei daher nach Völkerrecht befugt gewesen, über den Fortbestand der von der Besatzungsmacht zuvor vorgenommenen Enteignungen zu entscheiden. Denn grundsätzlich sei nach Völkerrecht der von der Besatzung befreite oder ihm nachfolgende Staat in seiner Entscheidung darüber frei, ob er Maßnahmen der Besatzungsmacht anerkenne und aufrechterhalte. Mit Erlass ihrer Verfassung vom 7. Oktober 1949 sowie mehreren späteren einfachgesetzlichen Regelungen habe die DDR die Wirkungen der Bodenreformenteignungen bestehen lassen.
Ferner könne den Beschwerdeführern nicht darin gefolgt werden, dass der Zwei-Plus-Vier-Vertrag keine Regelung der Restitutionsfrage enthalte. Bereits in einem Aide-Mémoire vom 28. April 1990 habe die sowjetische Regierung gefordert, die Gesetzlichkeit der Enteignungen nicht in Frage zu stellen. Der Gemeinsame Brief des Bundesaußenministers und des Ministerpräsidenten der DDR an die Außenminister der Siegermächte im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen habe diese Forderung bestätigt. Dieser Briefwechsel sei daher gemäß Art. 31 Abs. 2 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 – WVRK (BGBl 1985 II S. 926) bei der Auslegung des Regelungsvertrages heranzuziehen und dahin zu verstehen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich gegenüber den Siegermächten verpflichtet habe, die besatzungshoheitlichen Enteignungen unangetastet zu lassen.
Diese Verpflichtung stelle keinen Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht dar. Eine Norm des zwingenden Völkerrechts, die den Bodenreformenteignungen entgegengestanden hätte, habe weder zu dem Zeitpunkt ihrer Vornahme noch bei Abschluss des Einigungsvertrags bestanden. Die Bodenreformenteignungen würden bereits nicht gegen Kriegsvölkerrecht verstoßen; die Haager Landkriegsordnung sei nicht anwendbar. Die Bodenreform habe auch nicht den behaupteten Strafcharakter gehabt, sondern sei Ausdruck sozialistischer Ideologie und habe in diesem Sinne der Umverteilung von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln zu Gunsten des landlosen Proletariats gedient. Dass die Bodenreformverordnungen neben dem Entzug von Eigentum an Großgrundbesitz über 100 ha auch den Eigentumsentzug von Nazi-Aktivisten und Kriegsverbrechern vorgesehen habe, verleihe ihnen nicht den Charakter einer kollektiven Strafmaßnahme im Sinne der Haager Landkriegsordnung.
Es sei auch keine Norm feststellbar, derzufolge eine völkerrechtswidrige Enteignung schlicht unwirksam sei. Vielmehr lösten derartige Enteignungen lediglich Diskussionen über die Höhe der Schadensersatzverpflichtungen aus. Selbst wenn es ein völkerrechtliches Enteignungsverbot gebe, sei schließlich fraglich, ob die Sowjetunion es gegen sich habe gelten lassen müssen. Ihr Völkerrechtsverständnis sei ideologisch überformt und von dem Grundgedanken des Klassenkampfes oder der sozialistischen Befreiung der unterdrückten Klassen getragen gewesen.
Schließlich gehe das allgemeine Völkerrecht gemäß Art. 25 GG zwar den einfachgesetzlichen Regelungen, nicht aber dem Verfassungsrecht vor. Es könne auch nicht eingewendet werden, dass der eigentliche Restitutionsausschluss durch völkerrechtlichen Vertrag geschaffen worden, seine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 143 Abs. 3 GG also eine Umgehung des allgemeinen Völkerrechts sei. Denn das Grundgesetz habe stets das Wiedervereinigungsgebot enthalten, dessen konkreter Niederschlag Art. 143 Abs. 3 GG sei.
2. Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts verweist in seiner Stellungnahme auf seine Rechtsprechung zu den beiden durch die Verfahren aufgeworfenen Fragen.
Das Enteignungsverbot aus Art. 46 Abs. 2 HLKO entfalte nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten keine Wirkung, weil es an einer faktisch durchsetzbaren Eigentumsposition gefehlt habe. Die tatsächliche Einschätzung, dass die Wiedervereinigung und damit die Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse auch im Osten Deutschlands ohne die Hinnahme des Restitutionsausschlusses nicht erreichbar gewesen wären, bleibe von dem Vortrag zu Art. 46 Abs. 2 HLKO unberührt. Unabhängig davon hat der 7. Senat Zweifel, ob die von der Sowjetunion in ihrer Besatzungszeit zu verantwortende Umgestaltung der Eigentums- und Wirtschaftsordnung ihrer Zielrichtung nach von den Vorschriften der Haager Landkriegsordnung über die kriegerische Besetzung erfasst werden.
Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde zu II. führt der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts aus, das Schutzversprechen der sowjetischen Besatzungsmacht für das Eigentum von Ausländern gelte nicht für Doppelstaatler. Die Frage, ob das Schutzversprechen auch für inländische Doppelstaatler galt – ob also das Tatbestandsmerkmal „auf besatzungshoheitlicher Grundlage” auch den Zugriff auf das Vermögen solcher Doppelstaatler erfasst –, sei jedenfalls einfachrechtlicher Natur. Zwar ordne Art. 143 Abs. 3 GG an, dass der in Art. 41 EV und in § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG vorgenommene Restitutionsausschluss Bestand haben solle. Damit werde die Frage, ob der Entzug des Vermögens von inländischen Doppelstaatlern unter diesen Restitutionsausschluss falle, jedoch nicht zu einer verfassungsrechtlichen Frage.
3. Das Regierungspräsidium Halle – Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen – ist der Ansicht, dass der Ausschluss der Rückgängigmachung der Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage entsprechend der Gemeinsamen Erklärung der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 verhindern sollte, dass deutsche Behörden oder Gerichte die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen prüfen, die die Sowjetunion als eine der vier Besatzungsmächte zu verantworten oder mitzuverantworten habe. Das sei unbedenklich. Der in Art. 46 Abs. 2 HLKO aufgeführte Schutz des Einzelnen und des Privateigentums, also der Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte, wirke nicht absolut. Besatzungshoheitliche Konfiskationen seien daher nicht ultra vires und hätten keine Nichtigkeit zur Folge.
Dem besatzungshoheitlichen Charakter der Enteignungsmaßnahme im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu II. stehe der Umstand nicht entgegen, dass der Großvater des Beschwerdeführers zu II. neben der deutschen auch die britische Staatsangehörigkeit besessen habe. Für Doppelstaatler habe bis Ende des Zweiten Weltkriegs völkerrechtlich die Regel gegolten, dass der eine Heimatstaat die Interessen einer solchen Person jedenfalls nicht gegenüber dem anderen Heimatstaat schützen dürfe. Auch unter dem Gesichtspunkt der so genannten effektiven Staatsangehörigkeit führe die Auslegung des Schutzversprechens zu keinem anderen Ergebnis. Der Großvater des Beschwerdeführers zu II. habe auch nach seiner Flucht aus dem Gebiet der sowjetischen Besatzungsmacht die engere Beziehung zu Deutschland gehabt, da er seinen Wohnsitz weiterhin in der westlichen Besatzungszone unterhalten, die deutsche Sprache bevorzugt und sich selbst als deutscher Staatsbürger angesehen habe. Im Übrigen decke sich die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Definition des Begriffs „besatzungshoheitlich” mit der damaligen Intention und dem Handeln der sowjetischen Besatzungsmacht. Hintergrund der gesamten Enteignungsmaßnahmen seien unter anderem die Vergesellschaftung des Grundeigentums und die Umverteilung von Grundeigentum an die landarme Bevölkerung gewesen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommenen entschädigungslosen Enteignungen wären unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten allein gegenüber Ausländern bedenklich gewesen. Um den völkerrechtlichen Anforderungen zu genügen, reiche es jedoch aus, den Schutz auf diejenigen ausländischen Personen zu beschränken, die nicht zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 25, Art. 79 Abs. 3 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG und der Beschwerdeführer zu II. zusätzlich gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot geltend machen. Im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG fehlt den Beschwerdeführern die Beschwerdebefugnis (I.). Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts ist zur Entscheidung ohne Anrufung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts befugt (II.).
I.
1. Die Beschwerdeführer können ihre Verfassungsbeschwerden nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG stützen.
Art. 14 GG ist nicht Prüfungsmaßstab für die Entscheidungen des bundesdeutschen Gesetzgebers über die Restitution der zwischen 1945 und 1949 enteigneten Vermögensgegenstände, weil die Enteignungen selbst abgeschlossen und etwaige daraus resultierende Ansprüche praktisch nicht durchsetzbar und daher wertlos waren (BVerfGE 84, 90 ≪122 ff.≫). Diese Auslegung von Art. 14 GG, die sich im Einklang mit der Spruchpraxis der für die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zuständigen Straßburger Organe befindet (siehe dazu C. VI.), hat auch vor dem Hintergrund der Bedeutung des Völkerrechts Bestand. Das Eigentumsrecht hat neben der institutionellen Verbürgung auch eine auf tatsächliche Freiheitsausübung in der Zeit gerichtete Seite. Wer langfristig von der Verfügung über sein Eigentum völkerrechtlich legitim durch eine fremde Hoheitsgewalt ausgeschlossen wird, verliert seine Rechtsstellung als Eigentümer. Ist die Inanspruchnahme des Eigentums langfristig durch darauf gerichtete Maßnahmen einer fremden, aber territorial zuständigen Staatsgewalt ausgeschlossen, fehlt es für das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG an einem Anknüpfungspunkt.
Das Eigentum hat zwar im Sinne des Art. 1 Abs. 2 GG denselben menschenrechtlichen Rang wie andere Freiheitsrechte, aber es bleibt abhängig von einer bestehenden Rechtsordnung, die es ausgestaltet und gewährleistet. Durchtrennt eine völkerrechtlich legitim ins Leben getretene Rechtsordnung wie das sowjetische Besatzungsregime die Verbindung von Eigentümer und Eigentumsgegenstand, so endet unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit des Entzugs mit der Enteignung die förmliche Rechtsstellung des Eigentümers. Hat die Enteignung außerhalb des zeitlichen oder territorialen Geltungsbereichs des Grundgesetzes stattgefunden, kann sich der vormalige Eigentümer nicht auf Art. 14 GG berufen.
2. Die Beschwerdeführer sind gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 25 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG beschwerdebefugt.
a) Art. 2 Abs. 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit und damit grundsätzlich jedes Tun und Unterlassen nach dem eigenen Willen und letztlich jede Freiheit von staatlichem Zwang vorbehaltlich vorrangiger Spezialgrundrechte (vgl. BVerfGE 6, 32 ≪36≫). Art. 2 Abs. 1 GG schützt deshalb auch davor, durch die öffentliche Gewalt mit einem Nachteil belastet zu werden, der seinen Ursprung und seine innere Rechtfertigung nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung findet.
Zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen alle Bestandteile des geltenden Rechts. Art. 25 GG verschafft den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Geltung in der Bundesrepublik mit Vorrang vor den deutschen Gesetzen und gibt den Bewohnern des Bundesgebiets grundsätzlich das Recht, sich auf diese innerstaatliche Geltung der Regeln zu berufen. Der Wortlaut des Art. 25 Satz 2 GG, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts „Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes” erzeugen, verdeutlicht die Wertung der Verfassung, dass die Beachtung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht soll erzwungen werden können (vgl. BVerfGE 18, 441 ≪448≫; 27, 253 ≪274≫). Zweifel zu Geltung und Reichweite einer Regel des Völkerrechts sollen im Rahmen des Normenverifikationsverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG, §§ 83 f. BVerfGG durch das Bundesverfassungsrecht beseitigt werden.
Eine den Einzelnen belastende gerichtliche Entscheidung, die auf einer den allgemeinen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Vorschrift des innerstaatlichen Rechts oder auch einer mit dem allgemeinen Völkerrecht unvereinbaren Auslegung und Anwendung einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts beruht, kann gegen das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit verstoßen.
In der vom Grundgesetz verfassten staatlichen Ordnung kann es unabhängig davon, ob Ansprüche von Einzelpersonen schon kraft Völkerrechts bestehen, geboten sein, Völkerrechtsverstöße als subjektive Rechtsverletzungen geltend machen zu können. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls für Konstellationen, in denen völkerrechtliche Regelungen einen engen Bezug zu individuellen hochrangigen Rechtsgütern aufweisen, wie das im völkerrechtlichen Enteignungsrecht der Fall ist. Die Institution des Eigentums trägt die private Zuordnung von vermögenswerten Gegenständen in sich, so dass der völkerrechtliche Schutz von Eigentumspositionen, z.B. durch ein Enteignungsverbot, zumindest in der Schutzwirkung subjektiv gerichtet ist, auch wenn sich der ursprüngliche Wille eher auf die objektive Einhaltung von gegenseitig anerkannten zivilisatorischen Mindeststandards bezogen hat.
Im vorliegenden Fall kommt auch in Betracht, dass die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein können. Verstößt nämlich der Ausschluss der Restitution der auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Vermögensgegenstände gegen eine vorrangige verfassungsrechtliche Pflicht, so entbehrt er der inneren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, und es liegt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber den restitutionsberechtigten Alt-Eigentümern vor.
b) Soweit der Beschwerdeführer zu II. geltend macht, aus völkerrechtlichen und besatzungsrechtlichen Gründen stelle die ihn betreffende Enteignung keine besatzungshoheitliche, sondern eine Maßnahme der DDR-Behörden dar, ist die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausgestaltung als Willkürverbot dargetan.
II.
Der Zweite Senat ist zur Sachentscheidung befugt. Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts ist nicht gemäß § 16 Abs. 1 BVerfGG anzurufen.
Nach § 16 Abs. 1 BVerfGG entscheidet das Plenum des Bundesverfassungsgerichts, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der in einer Entscheidung des anderen Senats enthaltenen Rechtsauffassung abweichen will. Maßgeblich ist, ob eine Aussage des Bundesverfassungsgerichts gerade zu der nunmehr aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage vorliegt (vgl. BVerfGE 40, 88 ≪93 f.≫; 79, 256 ≪264≫; Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkung im öffentlichen Recht, 1995, S. 354 f.).
Dabei muss es sich um eine Rechtsfrage handeln, auf der die Entscheidung des anderen Senats beruht; die Rechtsauffassung muss entscheidungstragende Bedeutung haben (vgl. BVerfGE 77, 84 ≪104≫).
Die Entscheidung, dass der Ausschluss der Restitution gemäß Art. 143 Abs. 3 GG mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar sei, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter anderem darauf gestützt, dass der Änderung der Verfassung Völkerrecht nicht entgegenstehe. Tragender Entscheidungsgrund ist die Auslegung des Art. 14 Abs. 1 GG, wonach dieses Grundrecht nur Ansprüche schütze, die nicht praktisch wertlos seien, und dass dies auch für Ansprüche nach Völkerrecht gelte. Unbeschadet der Frage, ob die Entscheidungsgründe von BVerfGE 84, 90 ff. und BVerfGE 94, 12 ff. demnach das Völkerrecht allein in seinem subjektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt sehen und deshalb nicht die durch die Verfassungsbeschwerden aufgeworfene Frage erfassen, ob die objektive Völkerrechtslage nach Art. 25 GG und dem Rechtsstaatsprinzip beachtlich ist, beabsichtigt der Zweite Senat jedenfalls nicht, von der tragenden Rechtsauffassung des Ersten Senats abzuweichen.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Pflicht, Völkerrecht zu respektieren, kann nicht festgestellt werden; schon deshalb ist auch ein Verstoß des verfassungsändernden Gesetzgebers gegen Art. 79 Abs. 3 GG ausgeschlossen (I.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG lässt sich nicht feststellen (II.). Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu II. ist nicht ersichtlich, dass die Gerichte bei der Auslegung und der Anwendung des einfachen nationalen und internationalen Rechts verfassungsrechtliche Anforderungen verletzt hätten (III.). Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Ausprägung durch die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) überein (IV.).
I.
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind gemäß Art. 25 GG Bestandteil des deutschen Rechts im Rang über dem einfachen Bundesrecht. Die daraus folgende Pflicht, diese Regeln zu respektieren, erfordert, dass die deutschen Staatsorgane die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen befolgen und Verletzungen unterlassen, dass der Gesetzgeber für die deutsche Rechtsordnung grundsätzlich eine Korrekturmöglichkeit für Verletzungen durch deutsche Staatsorgane gewährleistet und dass deutsche Staatsorgane – unter bestimmten Voraussetzungen – im eigenen Verantwortungsbereich das Völkerrecht durchsetzen, wenn dritte Staaten dieses verletzen (1.).
Der Staat des Grundgesetzes ist zwar verpflichtet, auf seinem Territorium die Unversehrtheit der elementaren Grundsätze des Völkerrechts zu garantieren und bei Völkerrechtsverletzungen nach Maßgabe seiner Verantwortung und im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten einen Zustand näher am Völkerrecht herbeizuführen. Daraus folgt jedoch keine Pflicht zur Rückgabe des in dem Zeitraum von 1945 bis 1949 außerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs entschädigungslos entzogenen Eigentums (2.).
1. a) Die deutschen Staatsorgane sind gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an das Völkerrecht gebunden, das als Völkervertragsrecht nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG und mit seinen allgemeinen Regeln insbesondere als Völkergewohnheitsrecht nach Art. 25 Satz 1 GG innerstaatlich Geltung beansprucht.
Das Grundgesetz ordnet den von ihm verfassten Staat in eine freiheits- und friedenswahrende Völkerrechtsordnung ein, weil es einen Gleichklang der eigenen freiheitlichen Friedensordnung mit einem Völkerrecht sucht, das nicht nur die Koexistenz der Staaten betrifft, sondern Grundlage der Legitimität jeder staatlichen Ordnung sein will (vgl. Tomuschat, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 ≪1978≫, S. 7 ≪50 f.≫). Die Verfassung hebt bestimmte Einrichtungen und Rechtsquellen der internationalen Zusammenarbeit und des Völkerrechts hervor (Art. 23 Abs. 1, Art. 24, Art. 25, Art. 26 und Art. 59 Abs. 2 GG). Insoweit erleichtert das Grundgesetz die Entstehung von Völkerrecht unter Beteiligung des Bundes und sichert dem entstandenen Völkerrecht Effektivität. Das Grundgesetz stellt die Staatsorgane mittelbar in den Dienst der Durchsetzung des Völkerrechts und vermindert dadurch das Risiko der Nichtbefolgung internationalen Rechts (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, im Umdruck S. 30 und auch BVerfGE 109, 13 ≪24≫; 109, 38 ≪50≫).
Eine solche verfassungsunmittelbare Pflicht ist nach deutschem Verfassungsrecht allerdings nicht unbesehen für jede beliebige Bestimmung des Völkerrechts anzunehmen, sondern nur, soweit es dem in den Art. 23 bis 26 GG sowie in den Art. 1 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegten Konzept des Grundgesetzes entspricht. Das Grundgesetz will die Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung für das Völkerrecht und die internationale Zusammenarbeit in den Formen einer kontrollierten Bindung; es ordnet nicht die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter die Völkerrechtsordnung und den unbedingten Geltungsvorrang von Völkerrecht vor dem Verfassungsrecht an, sondern will den Respekt vor friedens- und freiheitswahrenden internationalen Organisationen und dem Völkerrecht erhöhen, ohne die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte durch die deutsche öffentliche Gewalt aus der Hand zu geben (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, im Umdruck S. 17).
b) Diese sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ergebende Pflicht, das Völkerrecht zu respektieren, hat drei Elemente: Erstens sind die deutschen Staatsorgane verpflichtet, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen. Welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen diese Pflicht ergeben, hängt von der Art der betroffenen Völkerrechtsnorm ab. Das Grundgesetz selbst regelt bestimmte Fallgruppen. So kann Art. 25 Satz 2 GG entnommen werden, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts jedenfalls vor dem einfachen Gesetzesrecht Vorrang haben. Zweitens hat der Gesetzgeber für die deutsche Rechtsordnung zu gewährleisten, dass durch eigene Staatsorgane begangene Völkerrechtsverstöße korrigiert werden können. Drittens können die deutschen Staatsorgane – unter hier nicht näher zu bestimmenden Voraussetzungen – auch verpflichtet sein, das Völkerrecht im eigenen Verantwortungsbereich zur Geltung zu bringen, wenn andere Staaten es verletzen.
Ansätze zu einer solchen Verpflichtung sind der deutschen Rechtsordnung schon bislang nicht unbekannt. Sie liegt etwa dem Völkerstrafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Juni 2002 (BGBl I S. 2254) zu Grunde, mit dem wesentliche Normen des allgemeinen Völkerrechts gegenüber Einzelnen durchgesetzt werden, die als Organe fremder Staaten tätig geworden sind. Darüber hinaus kann die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 – SRÜ (BGBl 1994 II S. 1799) als Küstenstaat gegenüber Schiffen eigener wie fremder Staatsangehörigkeit vorgehen, die die Umweltschutznormen auf Hoher See verletzt haben, wenn sie einen Hafen des Küstenstaates anlaufen. Mit dieser Regelung kann das Seerecht in staatsfreien Räumen dezentral durchgesetzt werden (vgl. Art. 218 SRÜ).
Die Rechtsfrage, wie die deutsche Rechtsordnung mit möglichen Völkerrechtverletzungen einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Hoheitsgewalt umzugehen hat, hat sich vor allem auch im Bereich des Auslieferungsrechts gestellt. Nach dem für diesen Bereich entwickelten Maßstab sind die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland durch Art. 25 GG grundsätzlich daran gehindert, innerstaatliches Recht in einer Weise auszulegen und anzuwenden, die die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verletzt. Nach dem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, alles zu unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger im Geltungsbereich des Grundgesetzes Wirksamkeit verschafft, und gehindert, an einer gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verstoßenden Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger bestimmend mitzuwirken (vgl. BVerfGE 75, 1 ≪18 f.≫; 109, 13 ≪26≫; 109, 38 ≪52≫).
Diese nach außen gerichtete Pflicht kann allerdings in ein Spannungsverhältnis zu der gleichfalls verfassungsrechtlich gewollten internationalen Zusammenarbeit zwischen den Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten geraten, insbesondere wenn eine Rechtsverletzung nur auf dem Kooperationswege beendet werden kann. Dann kann sich diese Ausprägung der Respektierungspflicht nur im Zusammenspiel und Ausgleich mit den weiteren internationalen Verpflichtungen Deutschlands konkretisieren.
c) Über Art. 1 Abs. 2 und Art. 25 Satz 1 GG rezipiert das Grundgesetz auch die graduelle Anerkennung der Existenz zwingender, also der Disposition der Staaten im Einzelfall entzogener Normen (ius cogens). Dabei handelt es sich um die in der Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft fest verwurzelten Rechtssätze, die für den Bestand des Völkerrechts unerlässlich sind und deren Beachtung alle Mitglieder der Staatengemeinschaft verlangen können (vgl. BVerfGE 18, 441 ≪448 f.≫). Dies betrifft insbesondere Normen über die internationale Friedenssicherung, das Selbstbestimmungsrecht (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Satzung der Vereinten Nationen; siehe dazu Doehring, in: Simma ≪ed.≫, Charter of the United Nations, 2. Aufl., Bd. I, 2002, Self-Determination, Rn. 57 ff.), grundlegende Menschenrechte sowie Kernnormen zum Schutz der Umwelt (vgl. allgemein Internationaler Gerichtshof – IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited ≪New Application: 1962≫, ICJ-Reports 1970, 3, Ziffer 33 f.). Solches Völkerrecht kann von den Staaten weder einseitig noch vertraglich abbedungen, sondern nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden (vgl. Art. 53 Satz 2 WVRK).
Eine Bestätigung und Weiterentwicklung hat das Konzept der zwingenden Völkerrechtsnormen jüngst in den Artikeln der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (International Law Commission – ILC) zum Recht der Staatenverantwortlichkeit erfahren (siehe die Anlage zur Resolution 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2001, zitiert nach der nicht amtlichen deutschen Fassung des Übersetzungsdienstes der Vereinten Nationen). Bei diesem Rechtsgebiet handelt es sich um einen Kernbereich des allgemeinen Völkerrechts, der die (sekundären) Rechtsfolgen des Verstoßes eines Staates gegen die ihn treffenden (primären) völkerrechtlichen Pflichten regelt. Die ILC-Artikel über Staatenverantwortlichkeit definieren in Art. 40 Abs. 2 einen qualifizierten Tatbestand für die Verletzung von ius cogens und verpflichten die Staatengemeinschaft zur Kooperation, um die Verletzung mit Mitteln des Völkerrechts zu beenden. Darüber hinaus werden die Staaten verpflichtet, eine unter Verstoß gegen ius cogens geschaffene Situation nicht anzuerkennen.
2. In den zu entscheidenden Fällen liegt keine Verletzung dieser Respektierungspflicht durch deutsche Staatsorgane vor. Die Eigentumsentziehungen lagen in der Verantwortung der sowjetischen Besatzungsmacht (a). Die Bundesrepublik Deutschland erlangte mit der deutschen Vereinigung die souveräne Kompetenz, über die Rückgängigmachung der besatzungshoheitlichen Maßnahmen zu entscheiden. Das Völkerrecht verpflichtet die Bundesrepublik nicht zur Restitution. Sie war auch nicht verpflichtet, die Rechtsfolge der Nichtigkeit an die Eigentumsentziehungen zu knüpfen. Für die Bundesrepublik Deutschland bestand lediglich eine erfolgsbezogene Pflicht zur Zusammenarbeit (b). Dieser Pflicht ist sie dadurch nachgekommen, dass sie die deutsche Vereinigung auf dem Verhandlungsweg friedlich herbeigeführt hat. Erst dadurch hat sie sich die tatsächliche Möglichkeit zur Korrektur der historisch bedingten Lage verschafft. Die Bundesrepublik Deutschland durfte zu der Einschätzung gelangen, dass die kooperative Bewältigung der deutschen Vereinigung mit einer Behandlung der Enteignungen als nichtig unvereinbar wäre (c).
a) Die Eigentumsentziehungen im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands in den Jahren 1945 bis 1949 können unabhängig davon, ob sie unmittelbar von der sowjetischen Besatzungsmacht veranlasst wurden oder ob den von dieser Besatzungsmacht eingesetzten deutschen Stellen insoweit ein eigener Entscheidungsspielraum zustand, nicht dem Verantwortungsbereich der dem Grundgesetz verpflichteten Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪122 f.≫). Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zwar seit ihrer Gründung im Sinne der Präambel des Grundgesetzes für das ganze Deutschland als verantwortlich gesehen (vgl. BVerfGE 36, 1 ≪16≫; 77, 137 ≪149 ff.≫). Ihre Staatsgewalt beschränkte sich aber nicht nur tatsächlich, sondern auch staatsrechtlich auf das damalige Gebiet der Bundesrepublik (Art. 23 Satz 1 GG a.F.). Eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne eines Einstehenmüssens für aus ihrer Sicht rechts- oder verfassungswidrige Maßnahmen in der sowjetisch besetzten Zone bestand danach ebenso wenig wie etwa gegenüber Maßnahmen ausländischer Staatsgewalten.
Vielmehr nahm die sowjetische Besatzungsmacht, die die besatzungshoheitlichen Enteignungen durchführte oder sie wegen der tatsächlichen Beherrschungsumstände verantwortete, besondere Befugnisse in Anspruch, um die Eigentumsordnung in ihrer Besatzungszone planmäßig umzugestalten.
Es sprechen verschiedene Gründe dafür, dass die Kompetenz zur Gestaltung des Besatzungsregimes begrenzt ist durch die in der Haager Landkriegsordnung niedergelegten Mindestanforderungen der Humanität (zur völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der Haager Landkriegsordnung bereits im Verlauf des Zweiten Weltkrieges vgl. Internationaler Militärgerichtshof, Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, 14. November 1945 bis 1.Oktober 1946, Urteil, S. 260 ff., 267 ff.; Greenwood, in: Fleck ≪Hrsg.≫, Handbuch des humanitären Völkerrechts, 1994, Nr. 120).
Nach Art. 42 ff. HLKO begründet die kriegerische Besetzung ein Rechtsverhältnis zwischen dem besetzenden und dem besetzten Staat. Der Besetzende hat bestimmte Rechte und Pflichten in dem besetzten Gebiet. Zwar haben die Siegermächte in den Rechtsgrundlagen für die Ausübung der Regierungsgewalt in Bezug auf Deutschland vereinbart, dass es der jeweiligen Siegermacht möglich sein sollte, in erheblichem Umfang in das politische und das wirtschaftliche Leben Deutschlands einzugreifen. Sie betrachteten es als ihre Aufgabe, „das politische System, die Verfassungsgrundlage, ja das Erziehungswesen und die gesamte wirtschaftliche und soziale Struktur Deutschlands von Grund auf umzugestalten” (siehe Teil IIIa § 3, 7, 9 und 11 ff. Potsdamer Abkommen; vgl. dazu E. Kaufmann, Deutschlands Rechtslage unter der Besetzung, 1948, S. 16 f.; Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. II, 1951, S. 930 ff.; Schweisfurth, in: Bernhardt ≪Hrsg.≫, Encyclopedia of Public International Law, Bd. III, 1997, S. 191 ≪196 f.≫).
Der humanitäre Kern der Haager Landkriegsordnung, der aus den Grundsätzen der Menschlichkeit im Sinne der Martens'schen Klausel der Präambel der Haager Landkriegsordnung besteht (vgl. Partsch, Internationale Menschenrechte?, AVR 74 (1948), S. 158 ≪173≫; Scupin, Über die Menschenrechte, Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts und der Rechtsphilosophie, in: Festschrift für Laun, 1953, S. 184 ff.; F. Münch, Das Völkerrecht der militärischen Besetzung, in: Festschrift für Schlochauer, 1981, S. 457 ≪459≫; andeutungsweise auch Laun, Die Haager Landkriegsordnung, 5. Aufl., 1950, S. 38 ff.), war aber auch zum Zeitpunkt der Besatzung bindend. Die Martens'sche Klausel wurde in Art. 1 Abs. 2 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen wie folgt bestätigt:
In Fällen, die von diesem Protokoll oder anderen internationalen Übereinkünften nicht erfasst sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattanten unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts, wie sie sich aus feststehenden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass – wie die Beschwerdeführer meinen – Handlungen der sowjetischen Besatzungsmacht elementaren Rechtsgrundsätzen widersprachen, weil sie sich ohne Differenzierung nach individueller Verantwortung gegen eine als „Klassenfeind” bezeichnete Personengruppe richteten und auf deren wirtschaftliche oder gar physische Vernichtung zielten.
Indes ist hier nicht zu entscheiden, wo die Grenzen der Kompetenz zur Gestaltung des Besatzungsregimes verlaufen und ob sie überschritten worden sind.
b) Der Bundesrepublik Deutschland erwuchs mit der deutschen Vereinigung die souveräne Kompetenz, über das Fortbestehen der besatzungshoheitlichen Enteignungen zu entscheiden (aa). Das Völkerrecht verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland nicht zur Restitution (bb). Sie unterlag nur einer Pflicht zur erfolgsbezogenen Zusammenarbeit, um einen Zustand näher am Völkerrecht zu erreichen (cc).
aa) Nach dem Ende einer kriegerischen Besetzung seines Gebiets oder eines Teils desselben kann der zurückkehrende Souverän über den Fortbestand besatzungshoheitlicher Maßnahmen frei befinden, insbesondere Enteignungen als nichtig behandeln (vgl. F. Münch, a.a.O., S. 457 ≪466≫; Wengler, Fragen der Faktizität und Legitimität bei der Anwendung fremden Rechts, in: Festschrift für Lewald, 1953, S. 622 ≪629 ff.≫). Dieser Souverän ist im Falle der besatzungshoheitlichen Enteignungen in der SBZ die Bundesrepublik Deutschland.
Eine vor dem 7. Oktober 1949 – der Gründung der DDR – auf besatzungshoheitlicher Grundlage ergangene Maßnahme verlor ihren Charakter nicht durch eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte behördliche oder gerichtliche Bestätigung (vgl. die amtlichen Erläuterungen zu den Anlagen zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990, BTDrucks 11/7831, S. 3 f.). Die Tatsache, dass die ehemalige DDR die Enteignungen ihrerseits in ihren Willen aufgenommen hatte, ändert hieran nichts. Mit der Gründung der DDR war auf das von der sowjetischen Besatzungsmacht (rechtlich) geräumte Gebiet des Deutschen Reichs ein anderer Souverän im Sinne des Völkerrechts gerückt (vgl. BVerfGE 92, 277 ≪320≫). Die DDR konnte – aus der völkerrechtlichen Perspektive – als dritter Staat auf Grund seiner Gebietshoheit und im Rahmen seiner vertraglichen Bindungen Maßnahmen der Besatzungsmacht aufheben, verzichtete hierauf jedoch. Nach dem Untergang der Deutschen Demokratischen Republik konnte die Bundesrepublik Deutschland als nunmehriger Souverän über dieses Gebiet eine solche Korrektur vornehmen.
bb) Die Bundesrepublik Deutschland unterliegt keiner aus dem Völkerrecht abgeleiteten Pflicht zur Restitution des von den Eigentumsentziehungen Betroffenen. Auf etwaige ihr zustehende völkerrechtliche Schadensersatzansprüche hat sie stillschweigend im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen zulässigerweise verzichtet (1). Dem Verzicht stehen keine Normen des zwingenden Völkerrechts entgegen (2).
(1) Der völkerrechtliche Kriegszustand herrschte zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion, die die Bundesrepublik Deutschland und die Russische Föderation jeweils fortsetzen (vgl. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 85 ff.). Aus der Haager Landkriegsordnung können sich Ansprüche auf der zwischenstaatlichen Ebene ergeben, nämlich zwischen Besatzungsmacht und zurückkehrendem Souverän. Eine Konfliktpartei, die die Bestimmungen des Haager Rechts nicht einhält, ist gemäß Art. 3 HLKO (vgl. Art. 91 des I. Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Konventionen) zum Schadensersatz verpflichtet. Diese Norm entspricht dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz, dass die Verletzung seiner völkerrechtlichen Pflichten die Verantwortlichkeit des Staates begründet (siehe auch Art. 1 der ILC-Artikel über die Staatenverantwortlichkeit). Dieser sekundärrechtliche Schadensersatzanspruch besteht jedoch nur in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen den betroffenen Staaten und ist Gegenstand ihrer Disposition. Der Schadensersatzanspruch unterscheidet sich insoweit von dem primärrechtlichen Anspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts, der in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen dem ein Territorium besetzenden Staat und der in diesem Gebiet lebenden Bevölkerung besteht.
Die Bundesrepublik Deutschland hat auf die Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus der Haager Landkriegsordnung im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen stillschweigend verzichtet. Nach dem Wortlaut der Haager Landkriegsordnung und der Staatenpraxis bestand keine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland, solche Ansprüche gegenüber der ehemaligen Besatzungsmacht geltend zu machen.
Dem steht nicht entgegen, dass jede der vier Genfer Konventionen aus dem Jahr 1949 eine Vorschrift enthält, die den Vertragsstaaten das Recht nimmt, sich oder einen anderen Staat von der Verantwortlichkeit für „schwere Verletzungen” des Völkerrechts zu befreien (Art. 51 der I. Genfer Konvention, Art. 52 der II. Genfer Konvention, Art. 131 der III. Genfer Konvention und Art. 148 der IV. Genfer Konvention). Als man diese Vorschriften schuf, glaubte man, in ihnen ein effizientes Mittel zur Durchsetzung des Haager Rechts gefunden zu haben. In der Praxis des Kriegsrechts hat sich dieser Grundsatz aber bisher nicht durchzusetzen vermocht. Vielmehr fordert in aller Regel der Sieger Entschädigungsleistungen von dem Besiegten (Reparationen), ohne dass eindeutig auf Verletzungen des Kriegsrechts im Einzelnen abgestellt würde und vor allem ohne dass der Sieger Schadensersatz für die von ihm begangenen Verletzungen des Rechts leistet. Aus der Regelung der Genfer Konvention kann nicht gefolgert werden, dass es den Staaten untersagt wäre, auf Ansprüche aus der Haager Landkriegsordnung im Zusammenhang mit einem Friedensvertragsschluss zu verzichten.
Etwaige Ansprüche der von der Haager Landkriegsordnung geschützten Einzelnen sind von vornherein mit dieser Regelungs- und Verzichtsbefugnis von Besatzungsmacht und Souverän belastet und durch diese beschränkt.
(2) Die Bundesrepublik war für den Fall einer Verletzung zwingender Normen des Völkerrechts durch die sowjetische Besatzungsmacht auch nicht nach allgemeinem Völkerrecht verpflichtet, die Rechtsfolge der Nichtigkeit an die Enteignungen zu knüpfen.
Zu dem für die Maßstabsbildung maßgeblichen Zeitpunkt der Eigentumsentziehungen bestand keine allgemeine Rechtsüberzeugung, dass der Schutz des Eigentums eigener Staatsangehöriger Teil des universell geltenden Völkerrechts im Sinne des ius cogens sei.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Norm des zwingenden Völkerrechts entstanden ist, die es ex nunc ausschließt, den bestehenden Zustand als rechtmäßig zu behandeln (ius cogens superveniens). Das Institut einer überholenden Entwicklung zwingenden Völkerrechts ist positiv-rechtlich für das Recht der Verträge normiert. Gemäß Art. 53 WVRK sind Verträge, die gegen eine Norm des zwingenden Völkerrechts verstoßen, nichtig. Nach Art. 64 WVRK wird ein zuvor geschlossener, bis dato nicht zu beanstandender Vertrag nichtig, wenn er gegen eine später entstandene zwingende Völkerrechtsnorm verstößt.
Danach kommt es nicht so sehr darauf an, welchen menschenrechtlichen Bindungen die Besatzungsmacht im Zeitraum von 1945 bis 1949 als vielmehr darauf, welchen Bindungen die Bundesrepublik Deutschland bei Abschluss des Einigungsvertrags unterlag. Das universelle Völkerrecht kannte und kennt eine Gewährleistung des Eigentums der eigenen Staatsangehörigen als menschenrechtlichen Schutzstandard nicht. Zwar wurde im Jahr 1948 in Art. 17 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Resolution 217 A ≪III≫ der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948, zitiert in der Fassung des deutschen Übersetzungsdienstes) festgelegt, dass „[n]iemand […] willkürlich seines Eigentums beraubt werden” darf, doch stellt die Allgemeine Erklärung kein verbindliches Völkerrecht dar. Wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen West und Ost fand das Eigentum auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl 1973 II S. 1534) keine Erwähnung. Angesichts dieses Zögerns der Internationalen Gemeinschaft, eine vertragliche Bindung einzugehen, kann von einer weltweit geltenden gewohnheitsrechtlichen Norm menschenrechtlichen Eigentumsschutzes, also zu Gunsten nicht nur fremder Staatsangehöriger, sondern auch der eigenen Bürger, nicht gesprochen werden. Die Bedeutung des Eigentums für die Würde und die Freiheit des Menschen – als Bestandteil des menschenrechtlichen Mindestschutzes – ist erst später erkannt worden; der Diskussionsprozess auf der völkerrechtlichen Ebene ist auch heute nicht abgeschlossen (vgl. etwa Tomuschat, Die Vertreibung der Sudetendeutschen, ZaöRV 56 ≪1996≫, S. 1 ≪29≫).
cc) Das moderne Völkerrecht ist durch eine kontinuierliche Stärkung der Rechtsfolgen gekennzeichnet, die es an die Verletzung bestimmter zentralen Normen knüpft; die Beendigung und Beseitigung von gravierenden Verstößen gegen das zwingende Völkerrecht wird zunehmend zur Pflicht der Staaten gemacht.
Art. 53 Satz 1 WVRK sieht vor, dass Verträge, die gegen das zur Zeit des Vertragsschlusses bestehende Völkerrecht verstoßen, nichtig sind. Die International Law Commission hat in ihren Artikeln zum Recht der Staatenverantwortlichkeit nunmehr auch klare Regelungen für die Rechtsfolgen des Verstoßes eines Staates gegen die ihn treffenden zwingenden völkerrechtlichen Pflichten formuliert. So kommen nach Art. 26 der ILC-Artikel die allgemeinen Rechtfertigungsgründe für einen Völkerrechtsverstoß gemäß Art. 20 bis 25 beim Verstoß gegen eine zwingende Norm nicht zur Anwendung. Die Einwilligung des verletzten Staates rechtfertigt nicht den Verstoß gegen eine zwingende Völkerrechtsnorm. Gleiches gilt für den Notstand (Art. 25) und force majeure (Art. 23). Ein Staat darf auch beim Ergreifen von grundsätzlich gerechtfertigten Gegenmaßnahmen gegen die Völkerrechtsverletzung eines anderen Staates (Art. 22) nicht gegen zwingendes Recht verstoßen.
Eine Handlungspflicht dritter Staaten regeln die ILC-Artikel in einem eigenen Dritten Kapitel (Art. 40 ff.), das sich allerdings nur mit „erheblichen” (serious) Verstößen gegen zwingendes Völkerrecht befasst. „Erheblich” ist ein Verstoß, der schwerwiegender oder systematischer Art ist (Art. 40 Abs. 2). Die Staaten müssen zusammenarbeiten, um einen solchen Verstoß zu beenden (Art. 41 Abs. 1). Ferner darf kein Staat eine durch einen solchen Verstoß geschaffene Lage als rechtmäßig anerkennen oder ihre Aufrechterhaltung unterstützen (Art. 41 Abs. 2).
Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich jedoch nicht die Rechtsfolge, dass die besatzungshoheitlichen Enteignungen von der Bundesrepublik – ein Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht unterstellt – als nichtig zu behandeln sind. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit ist vielmehr nur insoweit angeordnet, als völkervertragliche Pflichten gerade auf eine Leistung zielen, die durch eine zwingende Norm verboten ist. Im Übrigen aber, und zumal dann, wenn eine faktisch verfestigte Situation und verschiedene politische Interessenlagen in Rede stehen, haben die Staaten lediglich eine Pflicht zur erfolgsbezogenen Zusammenarbeit. Hinter dieser Pflicht zur Zusammenarbeit steht die Erwägung, dass es vordringlich ist, unter Wahrung beiderseitiger Interessen eine Lage zu schaffen, die auch tatsächlich den Verstoß gegen das zwingende Recht möglichst mildert.
Dem steht nicht entgegen, dass die Staaten von Völkerrechts wegen auch verpflichtet sein können, bestimmte tatsächliche Entwicklungen, die sich unter Bruch grundlegender Prinzipien der internationalen Ordnung vollzogen haben, nicht anzuerkennen. So heißt es in der so genannten Friendly Relations Declaration der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970, die vom Internationalen Gerichtshof in weitem Umfang als Kondensat des geltenden Völkergewohnheitsrechts anerkannt worden ist (vgl. IGH, Urteil vom 27. Juni 1986, Military and Paramilitary Activities in and Against Nicaragua, ICJ-Reports 1986, 14, Ziffer 199), dass kein gewaltsamer Gebietserwerb von der Staatengemeinschaft als legal behandelt werden dürfe. Eine ganz ähnliche Wertung prägt das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Lage Namibias (IGH, Gutachten vom 21. Juni 1971, ICJ-Reports 1971, 16). Der Internationale Gerichtshof kam in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Beherrschung Namibias durch den südafrikanischen Staat wegen der wirksamen Kündigung des Mandatsvertrages, auf Grund dessen Südafrika das frühere Deutsch-Südwestafrika von Seiten des Völkerbundes anvertraut worden war, illegal geworden sei. Im Hinblick auf die nunmehr rechtswidrige Okkupation des Landes seien alle Staaten der Welt verpflichtet, die Handlungen Südafrikas für oder in Bezug auf Namibia als ungültig zu betrachten, soweit eine solche Nichtanerkennung nicht den Lebensinteressen der Einwohner Namibias zuwiderlaufe (IGH, a.a.O., S. 58). Auch in jenem Fall stand aber die Beendigung oder Beseitigung des Zustands im Vordergrund. Daher hat die Staatengemeinschaft bei der Beendigung der Besetzung Namibias auch mit Südafrika zusammengearbeitet.
c) Dieser Pflicht zur erfolgsbezogenen Zusammenarbeit ist die Bundesrepublik Deutschland dadurch nachgekommen, dass sie die Wiedervereinigung auf friedlichem Verhandlungswege herbeigeführt hat. Erst dadurch hat sie sich die tatsächliche Möglichkeit verschafft, die 1945 bis 1949 geschaffene Lage wenn nicht ungeschehen zu machen, so doch substantiell zu korrigieren, sie jedenfalls in den tatsächlichen Wirkungen zu mildern. In diesem Rahmen durfte die Bundesregierung zu der Einschätzung gelangen, dass die kooperative Bewältigung der Wiedervereinigung mit einer Behandlung der Enteignungen als nichtig nicht vereinbar wäre.
Soweit zu den völkerrechtlichen Pflichten in diesem Zusammenhang gehört, dass sich der Staat nicht am fremden Völkerrechtsverstoß bereichern soll, liegt ein Verstoß nicht vor. Eine solche Pflicht ist hier nicht zwingend darauf gerichtet, dass die wiedererlangten Vermögensgegenstände gerade an die Alt-Eigentümer zurückgegeben werden. Verlangt wird vielmehr ein insgesamt hinreichendes Niveau der Auskehrung, bei deren Durchführung der Staat auch weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 ≪321≫). Über die Auskehrung von Vermögenswerten auf Grund des Globalentschädigungsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika (Abkommen über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche vom 13. Mai 1992, BGBl II S. 1223) und die Rehabilitierung angeblicher Kriegsverbrecher durch russische Behörden (vgl. K. Hesse, Führt die Rehabilitierung durch russische Behörden zur Rückgabe entzogener Vermögenswerte?, VIZ 1997, S. 268 ≪270≫; M. Redeker, Wiedergutmachung auf Grund russischer Rehabilitierungsentscheidungen, NJW 2001, S. 2359 ff.) hinaus hat der Bund die sich aus Art. 21 f. EV ergebende Bereicherung durch den Erlass des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes hinreichend ausgekehrt.
Der Gesetzgeber hat neben dem Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen das Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (AusglLeistG) erlassen (BGBl 1994 I S. 2624, berichtigt BGBl 1995 I S. 110). Das Ausgleichsleistungsgesetz setzt insoweit den Vorbehalt der Bundesregierung in Nr. 1 Satz 4 der Gemeinsamen Erklärung um.
Das Ausgleichsleistungsgesetz sieht im Grundsatz vor, dass die Berechtigten eine aus einem Entschädigungsfonds zu erbringende Ausgleichszahlung in Geld erhalten, die durch Zuteilung von Schuldverschreibungen erfüllt wird. Für die Bemessungsgrundlagen verweist das Gesetz auf die einschlägigen Vorschriften des Entschädigungsgesetzes. Hinzu kommen Regelungen zum so genannten Flächenerwerbsprogramm in § 3 und § 4, das für bestimmte Personengruppen die Möglichkeit des begünstigten Erwerbs von land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Beitrittsgebiet eröffnet (vgl. BVerfGE 94, 334 ≪336≫). § 3 AusglLeistG eröffnet die Möglichkeit des begünstigten Erwerbs von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, auf die sich der Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt und ihrer Nachfolger erstreckt. Ergänzend hierzu ist die Flächenerwerbsverordnung ergangen.
Die getroffenen Ausgleichsregelungen sind mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechts- und des Sozialstaatsprinzips sowie mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 102, 254 ≪301 ff.≫). Höhere Anforderungen ergeben sich auch nicht aus der verfassungsrechtlichen Pflicht, das Völkerrecht zu respektieren.
Das gilt zum einen für die absolute Höhe der von der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Ausgleichsleistungen. Es gilt aber auch für die Ausgestaltung der Regelungen über den begünstigten Flächenerwerb. Die Regelungen ermöglichen Wieder- und Neueinrichtern land- und forstwirtschaftlicher Betriebe im Beitrittsgebiet und den Rechtsnachfolgern der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, zu vergünstigten Konditionen Flächen vorrangig zu erwerben. Dabei wird zwischen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen unterschieden. Durch die Richtlinie der Treuhandanstalt für die Durchführung der Verwertung und Verwaltung volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen vom 26. Juni 1992 in der Fassung der Anpassungsrichtlinie vom 22. Juni 1993 (abgedruckt in: VIZ 1993, S. 347 ff.; vgl. auch BTDrucks 12/7588, S. 15 ff.) wird für das Flächenerwerbsprogramm vorgegeben, dass bei der Entscheidung über die Verpachtung von Grundstücken zu landwirtschaftlichen Zwecken Betroffene der Bodenreform und ihre Erben – innerhalb der vorrangigen Gruppe der Wiedereinrichter und ihnen gleichgestellter Neueinrichter und bei gleichwertigem Betriebskonzept – „im Sinne eines Interessenausgleichs zu berücksichtigen” sind.
Mit den Regelungen zum begünstigten Flächenerwerb wollte der Gesetzgeber zwei Zwecke erreichen: einerseits ein Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und andererseits ein Förderprogramm zum Aufbau der privatnützigen Land- und Forstwirtschaft in den neuen Ländern (vgl. BVerfGE 94, 334 ≪349 f.≫). Dies steht mit etwaigen völkerrechtlichen Zielvorgaben ebenso im Einklang wie mit dem Verfassungsrecht.
In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die deutsche Vereinigung ein Prozess ist, in dem die Bundesrepublik Deutschland die Behandlung einzelner Themen – wie die Bewältigung der Bodenreform – in ein Gesamtkonzept des Interessenausgleichs einordnen darf. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges, einer Besatzungsherrschaft und einer Nachkriegsdiktatur sind von den Deutschen als Schicksalsgemeinschaft zu tragen und als individuelle Unrechtserfahrung in bestimmten Grenzen auch zu ertragen, ohne dass in jedem Fall ein angemessener Ausgleich oder gar Naturalrestitution zu erlangen wäre. Auch aus diesem Grund wäre es unangemessen, eine bilanztaugliche Saldierung der Vermögenszuwächse des Bundes durch die Wiedervereinigung mit den an die Betroffenen ausgekehrten Summen vorzunehmen.
3. Sind die bestehenden verfassungsrechtlichen Pflichten der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf das Völkerrecht erfüllt, kann der Restitutionsausschluss gemäß Art. 143 Abs. 3 GG nicht gegen Art. 79 Abs. 3 GG verstoßen. Ob und in welchem Umfang die verfassungsrechtliche Respektierungspflicht gegenüber dem Völkerrecht auch den verfassungsändernden Gesetzgeber bindet, kann daher offen bleiben.
II.
Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar haben die Fachgerichte die völkerrechtliche Argumentation der Beschwerdeführer lediglich mit dem Hinweis auf ihre Bindung an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gewürdigt. Das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör ist deswegen jedoch nicht berührt.
Gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG sind die Fachgerichte an die tragenden Gründe der Entscheidungssaussprüche des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Soweit die Fachgerichte hier den Umfang der Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG womöglich fehlerhaft beurteilt haben, folgt daraus noch kein Verfassungsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG ist gewahrt, weil die Fachgerichte den Vortrag der Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen und allenfalls irrtümlich unter Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BVerfGG subsumiert haben.
III.
Die in den angegriffenen Entscheidungen geäußerte Rechtsauffassung im Hinblick auf die doppelte Staatsangehörigkeit des Rechtsvorgängers des Beschwerdeführers zu II. begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere kann im Hinblick auf Art. 3 GG die Auffassung nicht beanstandet werden, das von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochene Enteignungsverbot für ausländisches Vermögen gelte nicht für Personen, die neben der ausländischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit hatten.
1. Eine besatzungshoheitliche Enteignung ist diejenige Maßnahme, die zwar formal auf der Basis von Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Hoheitsakten deutscher Stellen vorgenommen wurde, die aber auf Anregung oder Wunsch der Besatzungsmacht zurückging oder mit ihrem Einverständnis erfolgte. Hierher gehören vor allem die Enteignungen im Rahmen der Bodenreform und die im Anschluss an den SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 vorgenommenen Enteignungen, die durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 – mit dem der Oberste Chef der SMAD die Beendigung des Sequestrierungsverfahrens in der Sowjetischen Besatzungszone anordnete – ausdrücklich bestätigt wurden (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪113≫).
Es ist nicht maßgeblich, ob die Enteignungen formell auf Rechtsakten der Besatzungsmacht oder der von ihr eingerichteten deutschen Behörden beruhten. Entscheidend ist vielmehr, ob die Maßnahme von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht nur hingenommen wurde, sondern ihrem erklärten Willen entsprach (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪114≫) oder ob der Besatzungsmacht als nichtdeutscher Staatsgewalt zur Zeit der Enteignung noch die oberste Hoheitsgewalt zukam (vgl. BVerfGE 94, 12 ≪31≫). Insbesondere Enteignungen im Rahmen der Bodenreform sind daher als „besatzungshoheitlich” anzusehen. Als deutsche Beschlüsse sind nur solche Enteignungsakte zu verstehen, die des maßgeblichen Zurechnungszusammenhangs zur Besatzungsmacht entbehrten, etwa deshalb, weil diese die Enteignungen ihrer Art nach oder im Einzelfall ausdrücklich verboten hatte. Allein eine daran orientierte Abgrenzung von alliierten – sei es besatzungsrechtlichen, sei es besatzungshoheitlichen – Entscheidungen und deutschen Beschlüssen wird der Rechtswirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone gerecht (vgl. BVerfGE 94, 12 ≪32≫).
2. Dieses Ergebnis ist auch aus völkerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Im Recht der Staatenverantwortlichkeit ist anerkannt, dass Akte der Organe eines Staates die Verantwortlichkeit eines anderen Staates dann begründen, wenn sie diesem zugerechnet werden können (vgl. Art. 18 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, a.a.O.). Danach bestehen keine Bedenken, die Enteignungen völkerrechtlich der Sowjetunion angesichts ihrer Gesamtverantwortung als Besatzungsmacht für und ihrer prägenden Einflussnahme auf das Geschehen zuzurechnen.
IV.
Die Entscheidung steht schließlich nicht in einem Widerspruch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
1. Die einschlägige Vorschrift zum Schutze des Eigentums in Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls – ZP 1 (das ZP 1 trat für die Bundesrepublik Deutschland am 13. Februar 1957 in Kraft, BGBl 1956 II S. 1880) lautet in der nicht authentischen deutschen Sprachfassung:
Jede natürliche Person oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.
Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstiger Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält (Bek. der Neufassung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 17. Mai 2002, BGBl II, S. 1054).
Den sachlichen Schutzbereich des Rechts umschreibt die deutsche Sprachfassung mit der Formulierung „Recht auf Achtung des Eigentums”. Damit wird den authentischen Fassungen der Formulierungen „peaceful enjoyment of his possessions” und „droit au respect de ses biens” entsprochen. Die Europäische Menschenrechtskonvention folgt in ihrer Konzeption des Eigentumsrechts nicht einer konkreten nationalen, zivilrechtlich geprägten Eigentums- und Wirtschaftsordnung, sondern baut auf der völkerrechtlichen Vorstellung auf. Danach umfasst Eigentum alle von Privaten erworbenen Rechte mit Vermögenswert (vgl. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im Völkerrecht, 1985, S. 170; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, § 25 Rn. 3).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR schützt Art. 1 ZP 1 jedoch nicht nur nach nationalem Recht bereits vorhandene Eigentumspositionen (existing possessions), sondern auch erworbene Ansprüche, auf deren Realisierung der Anspruchsinhaber berechtigterweise vertrauen durfte (legitimate expectations) (EGMR, Nr. 39794/98, Urteil vom 10. Juli 2002, Ziffer 69 – Gratzinger gegen Tschechische Republik; Nr. 40057/98, Urteil vom 4. März 2003, Ziffer 2 – Walderode gegen Tschechische Republik). Von diesem Eigentumsbegriff ausgeschlossen wird das Vertrauen auf das Weiterbestehen früherer Eigentumsrechte, die über einen langen Zeitraum nicht wirksam ausgeübt werden konnten (Europäische Kommission für Menschenrechte, Nr. 18890/91, 19048/91, 19049/91, 19342/92 und Nr. 19549/92, Beschluss vom 4. März 1996 – Weidlich u.a. gegen Deutschland, NJW 1996, S. 2291 ≪2292≫).
2. a) Die Europäische Kommission für Menschenrechte und der Gerichtshof hatten mittlerweile in mehreren mit den anhängigen Verfassungsbeschwerden vergleichbaren Verfahren Gelegenheit, sich zu der Vereinbarkeit von Enteignungen und Konfiskationen mit Art. 1 ZP 1 zu äußern. Im Ergebnis wurde entschieden, dass die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle auf Eigentumsentziehungen vor dem Inkrafttreten der Konvention ratione temporis nicht anwendbar seien. Im Hinblick auf Enteignungen der sowjetischen Besatzungsmacht in Deutschland wurde ferner eine Zuständigkeit der Konventionsorgane ratione personae verneint, weil die Bundesrepublik Deutschland für die in Rede stehenden Enteignungen nicht verantwortlich gewesen sei und deshalb auch nicht eventuelle Entschädigungsforderungen als Adressat gegen sich gelten lasse müsse.
Dabei ist es für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung, dass die Wirkung einer rechtswidrigen Enteignung auch noch nach dem Inkrafttreten der Konvention besteht. Die Eigentumsentziehung wird als einmalige Handlung ohne Dauerwirkung im Rechtssinne bewertet (vgl. Europäische Kommission für Menschenrechte, a.a.O., S. 2292).
b) Entscheidend für die vorliegenden Fälle ist jedoch die mehrfach geäußerte Auffassung des Gerichtshofs, dass in der unmittelbaren Nachkriegszeit als Folge des Zweiten Weltkrieges entzogene Eigentumsrechte regelmäßig keine von Art. 1 ZP 1 geschützten „berechtigten Erwartungen” (legitimate expectations) bei den ehemaligen Rechteinhabern begründeten (vgl. EGMR, Nr. 42527/98, Urteil vom 12. Juli 2001, insbesondere Ziffer 85 – Prinz Hans-Adam II von Liechtenstein gegen Deutschland).
Die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission für Menschenrechte, wonach weder „vorhandenes Eigentum” noch rechtlich anerkannte Entschädigungsansprüche bestanden hätten, als der Einigungsvertrag in Kraft getreten sei, wurde vom Gerichtshof in drei neueren Entscheidungen bestätigt. Die Verfahren betrafen die Rechtmäßigkeit von Enteignungen der Tschechischen Republik in den Jahren 1945/46 sowie 1983 mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. In den Fällen Walderode (EGMR, Nr. 40057/98, Urteil vom 4. März 2003) und Harrach (EGMR, Nr. 77532/01, Beschluss vom 27. Mai 2003) ging es um Grundstücke ehemaliger deutscher Staatsangehöriger, die auf der Grundlage der Beneš-Dekrete enteignet wurden; in dem Fall Gratzinger (EGMR, Nr. 39794/98, Urteil vom 10. Juli 2002) war die Enteignung eines aus der Tschechoslowakei geflohenen Ehepaars Gegenstand des Verfahrens. Die Beschwerdeführer hatten sich erfolglos um ihre Restituierung auf der Grundlage einschlägiger Gesetzgebung aus dem Jahr 1992 bemüht.
Die Rüge einer Verletzung von Art. 1 ZP 1 wurde jeweils mit dem Argument zurückgewiesen, die Beschwerdeführer hätten nicht mehr über eine Rechtsposition verfügt, die ihnen „berechtigte Erwartungen” auf eine Wiedereinsetzung in ihr ehemaliges Eigentum hätte geben können.
Unterschriften
Hassemer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1261609 |
NVwZ 2005, 180 |
WM 2004, 2497 |
ZfIR 2005, 315 |
DVP 2005, 256 |
JA 2005, 847 |
LKV 2005, 65 |