Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen vom Bundesverfassungsgericht schon entschieden sind (vgl. BVerfGE 23, 191 ≪202≫; 45, 434 ≪435≫; 56, 22 ≪27 ff.≫). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
I.
1. Die Fachgerichte verurteilten den Beschwerdeführer, der aufgrund eines Motorradunfalls einer Schwerbehinderung von 80% unterliegt und an Schmerzen im linken Arm und Bein leidet, wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Geldstrafe, weil er bei seiner Einreise aus den Niederlanden auf ärztliche Empfehlung 175 ml Haschischöl und insgesamt 107 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 11,9 Gramm Tetrahydrocannabinol mit sich geführt hatte, welche er (als für ihn wirksamstes Mittel) zur Linderung seiner Schmerzen konsumieren wollte.
2. Der Beschwerdeführer meint, die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis, der eine offensichtlich fehlsame Gefahrenprognose des Gesetzgebers zugrunde liege, sei zur Erreichung des damit verfolgten Zwecks, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, jedenfalls in Fällen des Gebrauchs des Betäubungsmittels zur medizinischen Heilbehandlung ungeeignet, nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Außerdem hätten die Fachgerichte einen rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstand (§§ 34, 35 StGB) annehmen müssen; auch sei in Fällen der Einfuhr von Cannabis die in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG vorgesehene Strafschärfung nicht anwendbar. Ferner macht er zahlreiche weitere, die allgemeine Strafbewehrung des Umgangs mit Cannabis betreffende verfasungsrechtliche Einwände geltend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig.
1. Soweit sie sich unmittelbar gegen Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes richtet, ist die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht gewahrt.
2. Soweit der Beschwerdeführer die Entscheidung des Amtsgerichts angreift, fehlt es an einer Beschwer, weil diese durch die Entscheidung des Landgerichts prozessual überholt ist.
3. Außerdem ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sie mit der Notwendigkeit einer medizinischen Heilbehandlung begründet. Denn insoweit hat er den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet. Danach sind über die Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Grundrechtsverletzung abzuwenden. Vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen die Strafdrohung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wegen unerlaubter Einfuhr von Cannabis oder Marihuana müssen Beschwerdeführer versuchen, eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG mit der Folge der Straflosigkeit des Besitzes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG zu erlangen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2000 – 2 BvR 2382/99 –, NJW 2000, S. 3126 ≪3127≫).
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG für eine medizinisch notwendige Behandlung mit Cannabisprodukten war hier nicht ausgeschlossen, denn auch therapeutische Zwecke können das erforderliche öffentliche Interesse auslösen; die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG rechtfertigen kann (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Januar 2000 – 2 BvR 2382/99 –, NJW 2000, S. 3126 ≪3127≫). Es war hier dem Beschwerdeführer, der insoweit eine ermessensfehlerfreie Entscheidung beanspruchen kann, auch zumutbar, zunächst einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis zu stellen.
4. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde schließlich auch, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG rügt, weil nicht er selbst, sondern allenfalls sein Arzt in der Berufsfreiheit betroffen ist.
III.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
1. Die fachgerichtlichen Entscheidungen haben durch die Anwendung der Strafvorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht die Menschenwürde und die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt.
a) In seiner 1994 ergangenen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, mit dem Konsum von Cannabis seien erhebliche gesundheitliche Gefahren verbunden, zwar umstritten, andererseits aber auch die Auffassung mangelnder Gefährlichkeit von Cannabis ungesichert sei (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪177≫); es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken für die Gesundheit verbleiben (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪181≫). Die Konzeption des Gesetzgebers, den gesamten Umgang mit Cannabisprodukten (mit Ausnahme des Konsums selbst) wegen der von der Droge und dem Drogenhandel ausgehenden Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit einer umfassenden staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und zu deren Durchsetzung den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten mit Strafe zu bedrohen, hat das Bundesverfassungsgericht als zur Erreichung des Zwecks, die Gesundheit sowohl des Einzelnen wie der Bevölkerung im Ganzen zu schützen, als geeignet und erforderlich gebilligt (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪182≫). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers gehört der Umgang mit Drogen, insbesondere auch das Sichberauschen, aufgrund seiner vielfältigen sozialen Aus- und Wechselwirkungen nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪171≫). Die Strafbewehrung des Erwerbs und Besitzes von Cannabisprodukten zum Eigenverbrauch verstößt nicht gegen das Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪187≫). Einer im Einzelfall unangemessenen Strafverfolgung kann durch die Anwendung der Vorschriften über Verfahrenseinstellungen entgegen gewirkt werden (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪189 ff.≫).
b) Neue Tatsachen, welche diese Einschätzung erschüttern könnten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Eine generelle Ungefährlichkeit des Konsums von Cannabis behauptet er nicht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Gefahren des Cannabiskonsums mit den Mitteln des Strafrechts zu begegnen, ist weiterhin zu respektieren (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juni 2004 – 2 BvL 8/02 –, NJW 2004, S. 3620 ≪3621≫). Dies schließt das grundsätzliche Verbot einer Selbstmedikation durch Cannabisprodukte ein. Auch insoweit liegt ein (noch) ausreichend gerechtfertigtes Verbot vor, zumal durch den in § 3 Abs. 2 BtMG enthaltenen Befreiungsvorbehalt angemessene Lösungen im Einzelfall möglich sind.
2. Verfassungsrechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber durch § 1 Abs. 2 und 4 BtMG die Bundesregierung und den Bundesminister für Gesundheit ermächtigt hat, im Wege der Rechtsverordnung Stoffe in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz mit der Folge aufzunehmen, dass der unerlaubte Umgang mit ihnen den Straftatbeständen des Betäubungsmittelgesetzes unterfällt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 1997 – 2 BvR 509/96 und 2 BvR 511/96 –, NJW 1998, S. 669 ≪670 f.≫).
3. Die Rechtsanwendung der Fachgerichte zeigt auch im Übrigen keinen Grundrechtsverstoß auf. Insbesondere haben das Landgericht und das Oberlandesgericht das Vorliegen eines rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstands (§§ 34, 35 StGB) im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer nicht wahrgenommene Möglichkeit, eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zu erhalten, nicht willkürlich verneint.
Ebenso wenig lässt die Anwendung des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (Einfuhr einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln) einen Verfassungsverstoß erkennen. Die Fachgerichte sind ausdrücklich davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die Cannabisprodukte zu seiner medizinischen Behandlung nach Deutschland gebracht hat, und haben diesen Umstand in der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt, indem sie einen minder schweren Fall angenommen und eine an der unteren Grenze des Strafrahmens liegende Sanktion festgesetzt haben. Im Übrigen ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, den unerlaubten Besitz von Cannabisprodukten tatbestandlich anders zu behandeln als den Besitz so genannter harter Drogen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003 – 2 BvR 511/01 –, NJW 2003, S. 2978).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1986059 |
NVwZ 2005, 1039 |
NPA 2006 |
VRR 2005, 313 |
BA 2006, 37 |