Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung kirchlicher Einrichtungen wegen so genannter Loyalitätsobliegenheiten
Beteiligte
Rechtsanwalt Dr. Werner Liedtke |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung, die eine kirchliche Einrichtung gegen die in ihren Diensten stehende Beschwerdeführerin wegen der Verletzung so genannter Loyalitätsobliegenheiten ausgesprochen hat.
I.
Die Beschwerdeführerin war für die Beklagte des Ausgangsverfahrens, eine Benediktinerabtei, an deren Gymnasium als Lehrkraft für die Fächer Kunsterziehung und Kunstgeschichte tätig. Sie unterhielt seit Jahren ein nichteheliches Verhältnis zu Herrn F., einem zum Priester geweihten Mönch der Abtei, der zugleich das Gymnasium leitete. Aus der Beziehung sind zwei in den Jahren 1977 und 1980 geborene Kinder hervorgegangen. Am 12. Mai 1989 unterrichtete Herr F. den Abt der Beklagten über seine Beziehung zu der Beschwerdeführerin, erklärte seinen Weggang aus dem Kloster und zog in die Wohnung der Beschwerdeführerin. Am 13. Mai 1989 beriefen Herr F. und die Beschwerdeführerin eine Pressekonferenz ein und unterrichteten die Pressevertreter über die Entwicklung des Verhältnisses und die Gründe für dessen Offenbarung. Am 29. Juni 1989 heirateten die Beschwerdeführerin und Herr F. Bereits am 23. Mai 1989 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin wegen der Beziehung zu Herrn F. und wegen der Pressekonferenz vom 13. Mai 1989 zunächst fristlos und dann durch weiteres Schreiben vom 2. Juni 1989 auch ordentlich zum 31. Dezember 1989 gekündigt. In dem (allein) angegriffenen Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde die ordentliche Kündigung als wirksam angesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da die von ihr aufgeworfenen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt sind (vgl. BVerfGE 70, 138 ff.). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1, Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 1 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Der Verstoß gegen das Willkürverbot ist erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäß § 93 Abs. 1 BVerfGG geltend gemacht worden. Hinsichtlich der übrigen genannten Grundrechtsverletzungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Dies gilt auch für die behauptete Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Grundrechtsbestimmung käme vorliegend neben Art. 5 Abs. 1 GG nur insoweit als eigenständiger Prüfungsmaßstab in Betracht, als das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung auch auf die Begründung einer Lebensgemeinschaft zwischen Herrn F., der Beschwerdeführerin und ihren gemeinsamen Kindern gestützt hat. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Beschwerdeführerin jedoch innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG nicht gerügt.
2. Soweit die Beschwerdeführerin sich darüber hinaus auf ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beruft, kann eine Verletzung dieses Grundrechts durch die allein angegriffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht festgestellt werden.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollte die Beschwerdeführerin mit der Veröffentlichung Druck auf die Beklagte ausüben. Wäre dies der ausschließliche Zweck ihrer Pressekonferenz gewesen, würden ihre Äußerungen bereits aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen. Ob ihr Verhalten so zu bewerten war, kann jedoch dahinstehen. Eine Verletzung der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin scheidet nämlich auch dann aus, wenn – entsprechend ihrem Vortrag – die Offenlegung und Verteidigung ihres nichtehelichen Verhältnisses ihre Familie vor einer verzerrenden Berichterstattung durch die Presse bewahren sollte.
Zwar wäre in diesem Fall der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eröffnet. Es läge auch ein Eingriff in den Schutzbereich vor, weil das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung auch auf die Äußerungen in der Pressekonferenz gestützt und insoweit eine (arbeits-)rechtliche Sanktion an diese Äußerungen geknüpft hat. Dieser Eingriff wäre jedoch gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch § 1 Kündigungsschutzgesetz als allgemeines Gesetz gerechtfertigt. Insoweit kollidiert die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin mit dem ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Kirchen, in den Schranken der für alle geltenden Gesetze den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen (vgl. BVerfGE 70, 138 ≪165 ff.≫ unter Bezugnahme auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV). Dass das Landesarbeitsgericht bei der hiernach gebotenen Güterabwägung der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin nicht den Vorrang eingeräumt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Bei der Klärung, welches Gewicht den widerstreitenden Verfassungspositionen zukommt, ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht ausschließlich wegen der von der Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten durchgeführten Pressekonferenz als sozial gerechtfertigt angesehen hat. Es hat vielmehr auf die Gründe der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen, soweit es um die rechtliche Bewertung der langjährigen geschlechtlichen Beziehung der Beschwerdeführerin zu Herrn F. geht. Das Landesarbeitsgericht knüpft im Anschluss an das Arbeitsgericht an ein „Dauerverhalten” der Beschwerdeführerin an, das durch das bewusste Offenlegen des außerehelichen Verhältnisses, das Begründen einer Wohngemeinschaft und durch die Pressekonferenz eine neue Dimension erhalten habe. Im vorliegenden Fall kann nicht überprüft werden, ob die gerichtliche Einordnung dieses Verhaltens als qualifizierten Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten der Beschwerdeführerin als solche verfassungsrechtlich tragfähig ist. Die Beschwerdeführerin hat es nämlich versäumt, das Urteil des Arbeitsgerichts, auf das sich das Landesarbeitsgericht bezogen hat, anzugreifen oder auch nur vorzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb von einem qualifizierten Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten auszugehen. Unerheblich sind insoweit auch die nach Fristablauf von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots erhobenen Einwendungen, dass durch ihre Beziehung zu Herrn F. keine fundamentalen Grundsätze der kirchlichen Lehre in Frage gestellt würden.
b) Auf Grund dieser als schwer wiegend bewerteten Obliegenheitsverletzung konnte das Landesarbeitsgericht auch verfassungsrechtlich tragfähig von der Wirksamkeit der Kündigung ausgehen. Die Weiterbeschäftigung einer Lehrerin, die jahrelang in einer heimlichen Beziehung zu einem Mönch als dem Leiter der Schule der Benediktiner Abtei stand, hätte für die Beklagte einen gravierenden Glaubwürdigkeitsverlust zur Folge haben können. Der Widerspruch zwischen dem kirchlichen Auftrag der Schule und dem Handeln einzelner Personen trat, wie auch die Medienreaktion zeigte, spektakulär in Erscheinung. Der Vorgang konnte den Eindruck vermitteln, hier biete sich eine „Innenansicht” der Kirche, die ein Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit belege. Das machte eine deutliche Reaktion der Beklagten jedenfalls verständlich, zumal die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht in einer die Interessen ihres Arbeitgebers so weit wie möglich schonenden Weise verfahren ist. Manche in den Berichten wiedergegebene Einzelheiten waren nicht erforderlich, um das Verhalten der Beschwerdeführerin zu erklären, andererseits geeignet, ein Aufsehen zu erregen, das dem Interesse der Beklagten offensichtlich widersprach. Schließlich beruhte die besondere Konfliktsituation, in der sich die Beschwerdeführerin befand, gerade auf ihrem eigenen vorangegangenen, im Verhältnis zur Beklagten obliegenheitswidrigen Verhalten (vgl. zu diesem Abwägungsgesichtspunkt auch BAG NZA 1985, S. 215 ≪217≫).
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 567593 |
FA 2001, 318 |
NZA 2001, 717 |
EzA |
MDR 2001, 635 |
ZMV 2001, 204 |
DVBl. 2001, 723 |