Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Verwendung des Begriffs "Balsamico" für deutsche Essigprodukte vor dem Hintergrund des Schutzes der geografischen Angabe "Aceto Balsamico di Modena". Unzulässigkeit mangels hinreichender Begründung
Normenkette
EUV 1151/2012 Art. 13 Abs. 1 UAbs 1 Buchst. b; EUV 1143/2024; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, § 92
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Rz. 1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufgrund von Art. 1 in Verbindung mit Anhang I Verordnung (EG) Nr. 583/2009 der Kommission vom 3. Juli 2009 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Aceto Balsamico di Modena (g.g.A.)) (ABl. L 175/7 vom 4. Juli 2009, in ihrer in Erwägungsgrund 10 in der deutschen Sprachfassung berichtigten (ABl. L 207/15 vom 11. August 2009 (583/2009)) Fassung im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 583/2009) geschützte geografische Angabe „Aceto Balsamico di Modena“. Die Beschwerdeführerin ist die in (...) genannte Erzeugervereinigung.
I.
Rz. 2
Im Ausgangsverfahren legte ein deutscher Essigproduktehersteller gegen die Beschwerdeführerin Klage vor den deutschen Gerichten mit dem Ziel der Feststellung ein, dass der von der Beschwerdeführerin gegen ihn erhobene Anspruch auf Unterlassung der Verwendung des Begriffs „Balsamico“ auf seinen im Übrigen in deutscher Sprache gehaltenen Flaschenetiketten nicht bestehe. Dem Oberlandesgericht war nach Zurückverweisung vom Bundesgerichtshof noch zu prüfen aufgegeben, ob die Beschwerdeführerin dem deutschen Hersteller die verfahrensgegenständliche Produktaufmachung als Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 1151/2012) untersagen könne. Dies verneinte das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Urteil, und zwar unabhängig davon, ob der nicht-geografische Bestandteil „Balsamico“ - auf den sich der Schutz der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ nicht erstreckt (vgl. vorgängig auf Vorlage des Bundesgerichtshofs im selben Ausgangsverfahren EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2019 - C-432/18 -, Rn. 36) - hinweggedacht oder ob die Produktaufmachung unter Einbeziehung des Worts „Balsamico“ geprüft würde.
II.
Rz. 3
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
Rz. 4
1. Einen Beschwerdeführer trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 1, § 92 BVerfGG fließende Begründungslast für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 106, 210 ≪214 f.≫; 158, 170 ≪194 Rn. 57≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2021 - 1 BvR 1416/17 -, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2022 - 1 BvR 1623/17 -, Rn. 8; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. November 2022 - 2 BvR 2316/21 -, Rn. 11; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. Oktober 2023 - 1 BvR 1558/22 -, Rn. 17). Dieser Begründungslast ist die Beschwerdeführerin vorliegend insofern nicht nachgekommen, als sie ihr Vorbringen zwar noch im November 2023 ergänzt, jedoch eine Aktualisierung im Hinblick auf die Verordnung (EU) 2024/1143 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. April 2024 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantierte traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (im Folgenden: Verordnung (EU) 2024/1143) unterlassen hat. Dies betrifft die Prüfung, nach welcher Maßgabe die Beschwerdeführerin unter dem geltenden Recht als Erzeugervereinigung zum Schutz der verfahrensgegenständlichen geschützten geografischen Angabe beschwerdebefugt ist.
Rz. 5
Die Beschwerdeführerin ist damit auch die Darlegung schuldig geblieben, ob das vom Oberlandesgericht nach einer etwaigen Zurückverweisung (§ 95 Abs. 2 BVerfGG) nunmehr anzuwendende aktuelle Recht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 273/16 -, Rn. 3) vollständig unionsrechtlich determiniert ist und inwiefern das Rechtsschutzbedürfnis für die negative Feststellungsklage fortbesteht.
Rz. 6
2. Dessen ungeachtet verfehlte die Verfassungsbeschwerde die Begründungsanforderungen auch vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2024/1143, weil sie die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass eine mögliche Vorlagefrage, ob bei der Prüfung der verfahrensgegenständlichen Produktaufmachung auf eine gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 verbotene Anspielung der betreffende nicht-geografische Bestandteil hinwegzudenken oder einzubeziehen ist, vorliegend nicht entscheidungserheblich war, nicht substantiiert zu entkräften vermocht hat. Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass sich die im angegriffenen Urteil zugrunde gelegte Auffassung von der Geläufigkeit des Begriffs „Balsamico“ und seiner Übersetzung für deutsche Verbraucher jedenfalls nicht unmittelbar aufdrängt. Insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass der von der Bundesrepublik Deutschland im Verfahren über die Eintragung der geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ erhobene Einspruch (vgl. Erwägungsgründe 3, 7 und 10 Verordnung (EG) Nr. 583/2009) bezüglich der Verwendung des nicht-geografischen Bestandteils „Balsamico“ zur Bezeichnung deutscher Essigprodukte im Ausgangsverfahren eine zivilrechtliche Entsprechung findet, wäre dafür auch die Vorlage der im angegriffenen Urteil in Bezug genommenen Unterlagen erforderlich gewesen, darunter beispielsweise eine vom Oberlandesgericht referenzierte Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 18. Oktober 2018 zum Vorabentscheidungsverfahren, in welchem diese den Begriff „Balsamico“ als eingedeutscht bezeichnet haben soll. Über die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen zur Anwendbarkeit des Art. 47 GRCh war daher nicht mehr zu entscheiden.
Rz. 7
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI16696595 |