Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 26.06.2002; Aktenzeichen 2 S 711/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090,34 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines Gebäudes, in dem er seit 1989 eine Gaststätte und eine Sauna betreibt. Auf seinen 1993 gestellten Umbauantrag wurde ihm auch die Nutzung des Hausgartens als “Ruhezone und Luftbad” für Zwecke des Saunabetriebs genehmigt. Auf den Widerspruch der beigeladenen Nachbarn hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid von 1997 diese Baugenehmigung auf, soweit sie die Nutzung des Gartens für Zwecke des Saunabetriebs betraf. Die dagegen vom Kläger erhobene Anfechtungsklage hatte im Berufungsrechtszug Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, der Widerspruchsbescheid des Beklagten sei rechtswidrig, weil der Widerspruch der Beigeladenen gegen die genehmigte Gartennutzung schon mangels Widerspruchsinteresses unzulässig, jedenfalls aber unbegründet gewesen sei. Die vom Kläger beabsichtigte Gartennutzung sei nach der Landesbauordnung nicht genehmigungspflichtig gewesen. Die Beigeladenen seien daher durch die dem Kläger dennoch erteilte Baugenehmigung insoweit nicht in ihren Rechten verletzt.
Mit der Beschwerde erstrebt der Beklagte die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Beklagte beimisst.
Der Beklagte hält der Sache nach für klärungsbedürftig, “ob die Einbeziehung von Freiflächen in eine ausgeübte bauliche Nutzung dieser zuzurechnen ist, so dass es sich um eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB handelt”. Er formuliert hierzu die Rechtsfrage: “Ist die Nutzung einer Gartenfläche für einen gewerblichen Betrieb, mit dem sie eine Einheit bildet, bodenrechtlich relevant und nimmt sie am rechtlichen Schicksal des Gewerbebetriebes und den hierfür bestehenden Genehmigungspflichten teil?” Weder der erste noch der zweite Teil dieser Fragestellung rechtfertigt die Zulassung der Revision.
Der erste Teil der Frage zielt auf die Auslegung des Begriffs der Nutzungsänderung in § 29 Satz 1 BauGB in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung. Insoweit besteht kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass von einer Nutzungsänderung im bebauungsrechtlichen (bodenrechtlichen) Sinne immer dann auszugehen ist, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (stRspr; vgl. etwa Senatsurteil vom 14. Januar 1993 – BVerwG 4 C 19.90 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155 S. 80; Urteil vom 11. November 1988 – BVerwG 4 C 50.87 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG/BauGB Nr. 252 S. 20; Beschluss vom 3. August 1995 – BVerwG 4 B 155.95 – Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 55). Danach liegt eine Nutzungsänderung vor, wenn für die neue Nutzung weitergehende Vorschriften gelten als für die alte, aber auch dann, wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung nach derselben Vorschrift bestimmt, nach dieser Vorschrift aber anders zu beurteilen ist als die frühere Nutzung (vgl. Urteil vom 14. Januar 1993, a.a.O., S. 80 m.w.N.). In diesem Sinne bodenrechtlich relevant ist eine Änderung der Nutzungsweise auch dann, wenn sie für die Nachbarschaft erhöhte Belastungen mit sich bringt. Eine betriebliche Erweiterung von der Innen- zur Außennutzung kann deshalb eine Nutzungsänderung im bodenrechtlichen Sinne darstellen (z.B. die Erweiterung eines Gaststättenbetriebes von “drinnen” nach “draußen” – vgl. OVG Bremen, Urteil vom 3. Mai 1994 – OVG 1 BA 46/93 – GewArch 1996, 78 ≪79≫). Ob dies auch für die Erweiterung einer “Haussauna” durch eine Gartenfreifläche als “Ruhezone und Luftbad” gilt, kann sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen und ist daher einer verallgemeinerungsfähigen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Der zweite Teil der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, der die “bestehenden Genehmigungspflichten” betrifft, kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, da er irrevisibles Landesrecht betrifft (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Ob die zwischen den Beteiligten umstrittene Gartennutzung als “Ruhezone und Luftbad” für Zwecke des Saunabetriebs baugenehmigungspflichtig ist, beurteilt sich nach den Bestimmungen der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden und im Einzelnen begründet, dass die Nutzung des Gartens als Freifläche für Sauna-Gäste keine Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen oder sonstigen Anlage oder Einrichtung im Sinne von § 65 Abs. 1 BauO LSA darstellt. Den Einwänden des Beklagten gegen diese Auslegung der landesrechtlichen Genehmigungsvorschrift könnte der Senat in einem Revisionsverfahren nicht nachgehen. Rechtsfragen des Bundesrechts, die das Verhältnis zwischen dem Vorhabenbegriff in § 29 BauGB und dem Vorhabenbegriff in den Genehmigungstatbeständen der landesrechtlichen Bauordnungen betreffen (vgl. hierzu Mampel, ZfBR 2000, 10 ff.) und der Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich sein könnten, wirft die Beschwerde auch nicht ansatzweise auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Halama, Rojahn
Fundstellen