Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 02.12.2004; Aktenzeichen 9 K 1439/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 2. Dezember 2004 wird dieses Urteil insoweit aufgehoben, als der Beklagte verpflichtet worden ist, festzustellen, dass die Klägerinnen bezüglich des Flurstücks 61/1 der Gemarkung … Anspruch auf Erlösauskehr haben.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte ein Zwölftel mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese insoweit selbst tragen.
Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 62 382,29 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen haben zunächst die Rückübertragung zweier Flurstücke beantragt, die aus dem Flurstück 61 a der Gemarkung … hervorgegangen sind. Dieses Grundstück hatten die Rechtsvorgänger der Klägerinnen 1970 an das Eigentum des Volkes verkauft.
Das aus diesem Grundstück hervorgegangene Flurstück 61/1 der Gemarkung … verkauften die F. GmbH i.A. und die Treuhandanstalt als Verfügungsberechtigte 1991 zu einem Kaufpreis von 112 230 DM. 1993 erließ die Treuhandanstalt hinsichtlich dieser Veräußerung einen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass die Veräußerung für einen besonderen investiven Zweck erfolgte. Daraufhin wurde der Käufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Für das ebenfalls aus dem erstgenannten Grundstück hervorgegangene Flurstück 17/4 der Gemarkung … wurde die Bundesrepublik Deutschland (Bundesfinanzverwaltung) als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Den Rückübertragungsantrag der Klägerinnen lehnte der Beklagte mit der Begründung, es liege keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG vor, ab.
Daraufhin haben die Klägerinnen Klage erhoben mit dem Antrag, ihnen die beiden Flurstücke zurückzuübertragen. In der mündlichen Verhandlung haben sie ihren Antrag hinsichtlich des Flurstücks 17/4 dahingehend modifiziert, dass sie begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihnen hinsichtlich dieses Flurstücks Entschädigung zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat dies als eine zulässige Klageänderung gewertet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Es liege eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) vor, weil den Rechtsvorgängern der Klägerinnen für den Fall, dass sie ihr Grundstück nicht verkauften, mit entschädigungsloser Enteignung gedroht worden sei. Hinsichtlich des Flurstücks 61/1 liege der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchstabe d VermG nicht vor. Zum einen habe die Beigeladene zu 1) diesen Ausschlussgrund nicht näher substantiiert. Darüber hinaus habe sich – in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt – die Firma F. GmbH bereits in Liquidation befunden. Der Restitutionsausschlussgrund könne aber Unternehmen nicht zugute kommen, die sich in Liquidation befänden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde des Beklagten ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, festzustellen, dass die Klägerinnen bezüglich des Flurstücks 61/1 der Gemarkung … dem Grunde nach Anspruch auf Erlösauskehr haben. Das Verwaltungsgericht hat insoweit der Klage u.a. deshalb stattgegeben, weil es einen Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchstabe d VermG verneint hat. Dies hat es zweifach begründet. Hinsichtlich beider Begründungen liegt ein geltend gemachter Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) vor (vgl. 1.). Soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, den Klägern hinsichtlich einer Teilfläche von 410 m² des Flurstücks 17/4 der Gemarkung …, welche aus dem Altflurstück Nr. 61 a stammt, Entschädigung zu gewähren, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) (vgl. 2.).
1. a) Das Verwaltungsgericht hat einen Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchstabe d VermG zum einen mit der Begründung verneint, die Beigeladene zu 1) habe den Ausschlussgrund nicht näher substantiiert. Insoweit liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt. Die Beigeladene zu 1) hatte vorgetragen, das Grundstück sei mit Vertrag vom 28. Februar 1991 als Bestandteil der Niederlassung … der F. GmbH verkauft worden und der Betrieb sei vom Erwerber der Niederlassung fortgeführt worden (vgl. Schriftsatz der Beigeladenen zu 1) vom 14. April 2004, VG-Akten Bl. 545). Deshalb musste es sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen, aufzuklären, ob das Grundstück der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen wurde und nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 Buchstabe d VermG).
b) Hinsichtlich der zweiten tragenden Begründung beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf einer Abweichung von einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchstabe d VermG nicht vorliegen, wenn sich im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Veräußerer eines Grundstücks in Liquidation befunden hatte.
Demgegenüber ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 28. Juli 2004 – BVerwG 8 C 16.03 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 42) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Restitutionsausschlussgrund der gewerblichen Nutzung bei Veräußerung eines Grundstücks nicht schon deswegen entfällt, weil sich der veräußernde Unternehmensträger in Liquidation befunden hatte.
Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die begründete Abweichungsrüge steht dem nicht entgegen, weil das verwaltungsgerichtliche Urteil zugleich auf dem Verfahrensmangel beruht, der auch im Falle der Revisionszulassung zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht führen würde (vgl. Beschluss vom 26. Juni 2000 – BVerwG 7 B 26.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 15).
2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Insoweit hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. a), noch liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. b).
Trotz der nicht ganz eindeutigen Formulierung ist der Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils dahingehend auszulegen, dass der Beklagte verpflichtet wird, festzustellen, dass den Klägerinnen hinsichtlich der oben genannten Teilfläche ein Anspruch auf Entschädigung zusteht. Dies wird in den Entscheidungsgründen (VG-Urteil, amtlicher Umdruck S. 10) ausdrücklich ausgeführt.
a) Der Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig folgende Fragen:
Stellt es eine zulässige Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO dar, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung nach Ablauf der Frist zur Ausübung des Wahlrechts gemäß § 8 VermG seinen Antrag auf Rückübertragung einer Teilfläche eines Grundstücks nach dem Vermögensgesetz dahingehend umstellt, dass nunmehr Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz begehrt wird?
bzw.
Hindert die zeitliche Befristung der Ausübung des Wahlrechts in § 8 VermG Restitutionsberechtigte materiell-rechtlich daran, ihr Begehren nach Ablauf der in § 8 VermG vorgesehenen Frist, von einem Antrag auf Restitution nach dem Vermögensgesetz in einen Antrag auf Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz umzustellen, wenn Ausschlussgründe der §§ 4 oder 5 VermG in Betracht kommen?
Diese Fragen lassen sich beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Berechtigte sind diejenigen, deren Vermögenswerte von schädigenden Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG betroffen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Vermögenswerte, die schädigenden Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG unterlagen, sind an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG). Ist die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen, besteht ein Anspruch auf Entschädigung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG). Dieser ist in dem vermögensrechtlichen Verfahren durch Bescheid festzustellen. Anschließend ist in einem gesonderten Verwaltungsverfahren über die Höhe der Entschädigung zu befinden. Verneint die Behörde bereits die Berechtigtenstellung eines vermögensrechtlichen Anspruchstellers und klagt dieser auf Rückübertragung eines Vermögenswertes, muss folglich das Verwaltungsgericht zunächst prüfen, ob der Kläger Berechtigter ist. Ist er dies, muss es weiter prüfen, ob die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist. Ist die Rückübertragung ausgeschlossen, hat der Kläger zwangsläufig einen Anspruch auf Entschädigung. Seine Klage hat damit teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dann die Behörde zu verpflichten, festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung hat. Hierzu bedarf es keines besonderen Antrags des Klägers. Vielmehr ist der Antrag auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung als Minus in dem Antrag auf Rückübertragung enthalten. Um die Ausübung des Wahlrechts nach § 8 VermG geht es dabei folglich nicht.
Es kann dahinstehen, ob eine Klageänderung (§ 91 VwGO) oder eine teilweise Klagerücknahme (§ 92 VwGO) vorliegt, wenn der Kläger seinen zunächst auf Rückübertragung gerichteten Antrag dahingehend modifiziert, dass er nur die Feststellung der Entschädigungsberechtigung begehrt. Denn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache ist dies ohne Bedeutung.
b) Das Verwaltungsgericht hat seine Verpflichtung, die Sache spruchreif zu machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), nicht verletzt.
Unterlag ein Vermögenswert einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG und ist dessen Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen, endet – wie dargelegt – das vermögensrechtliche Verfahren mit der Feststellung der Entschädigungsberechtigung. Über die Höhe der Entschädigung wird dann in einem gesonderten Verwaltungsverfahren entschieden. So verfährt – wie gerichtsbekannt – auch der Beklagte und Beschwerdeführer in ständiger Praxis. Hat die Behörde im vermögensrechtlichen Verfahren nicht die Höhe der Entschädigung zu berechnen, muss dies selbstverständlich auch das Verwaltungsgericht bei einer erfolgreichen vermögensrechtlichen Klage nicht tun.
Soweit über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden wurde, beruht die Entscheidung auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert ist die Summe aus der Höhe des Erlöses aus der Veräußerung des Flurstücks 61/1 der Gemarkung …, dessen Auskehr die Klägerinnen begehren und dem – in Anlehnung an die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts – Regelstreitwert in Höhe von 5 000 EUR (vgl. § 52 Abs. 2 GKG), der für die Entschädigung hinsichtlich einer Teilfläche von 410 m² des Flurstücks 17/4 der Gemarkung … anzusetzen ist.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen