Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 18.05.2005; Aktenzeichen 5 K 2459/01) |
VG Dresden (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 5 K 2459/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4./18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 38 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Kläger beanspruchen die Verpflichtung der Beklagten, ihnen in ungeteilter Erbengemeinschaft an den Flurstücken 229, 229/1 und 229b der Gemarkung D… Bruchteilseigentum in Höhe von weiteren 915/3150 Anteilen zurückzuübertragen. Die Flurstücke wurden mit Auflassung vom 3. Juli 1942 an Johannes K…, den Rechtsvorgänger der Kläger, veräußert, der am 13. Oktober 1942 als Eigentümer eingetragen wurde. Mit Auflassung vom 10. Oktober 1942 veräußerte Johannes K… die Flurstücke an die I… & W… AG (IWAG), die nach Abtrennung einer Teilfläche 1943 als Eigentümerin der Flurstücke 229 (neu), 229a (seit 1983 229/1) und 229b eingetragen wurde; zugleich wurde ein Vorkaufsrecht zugunsten von Johannes K… eingetragen, der die Flurstücke aufgrund des Vorkaufsrechts 1948 wieder erwarb. Derzeitiger Eigentümer der Flurstücke ist die Beigeladene zu 3. An der IWAG war der jüdische Bankier Dr. F…, Großvater und Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1, unmittelbar in Höhe von 165/3150 Anteilen sowie mittelbar – in einer zwischen den Beteiligten umstrittenen Höhe – über seine Beteiligung an der B… & F… OHG als Trägerin des Bankhauses B… & F… beteiligt, deren Gesellschafter Dr. F… und Alfred R… waren. Durch Auseinandersetzungsvertrag der beiden Gesellschafter vom 29. April 1937 wurde die OHG aufgelöst und das Bankhaus mit Aktiven und Passiven zum 1. Januar 1937 von der Einzelfirma Alfred R… übernommen. Laut Handelsregistereintragung vom 5. Mai 1937 war Dr. F… aus der Gesellschaft ausgeschieden und die Gesellschaft aufgelöst. Die von Dr. F… unmittelbar gehaltenen und auf seine Alleinerbin, die Mutter und Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1, übergegangenen IWAG-Aktien wurden im Jahr 1943 eingezogen. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 2 war jüdischer Herkunft; er war in Höhe von 2/3150 an der IWAG beteiligt. Durch Bescheid vom 11. September 2001 übertrug das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Klägern in Erbengemeinschaft unter Ablehnung ihres Rückübertragungsantrags im Übrigen Bruchteilseigentum an den Flurstücken 229, 229/1 und 229b in Höhe von 2233/3150 Anteilen zurück; zugleich übertrug es dem Beigeladenen zu 1 Bruchteilseigentum an den Flurstücken in Höhe von 165/3150 Anteilen aus der unmittelbaren Beteiligung von Dr. F… an der IWAG sowie in Höhe von 750/3150 Anteilen aus dessen mittelbarer Beteiligung an der IWAG über die OHG sowie der Beigeladenen zu 2 Bruchteilseigentum an den Flurstücken in Höhe von 2/3150 Anteilen aus der unmittelbaren Beteiligung ihres Rechtsvorgängers an der IWAG zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladenen zu 1 und 2 als Erstgeschädigte Bruchteilseigentum an den Flurstücken in Höhe von mindestens 917/3150 Anteilen beanspruchen könnten (§ 1 Abs. 6, § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG). Der Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 1 habe mit seinem Ausscheiden aus dem Bankhaus B… & F… seine mittelbare Beteiligung an der IWAG verloren; durch die Einziehung seiner unmittelbar gehaltenen IWAG-Aktien nach seinem Tod habe seine Alleinerbin und Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1 Eigentum verloren. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 2 habe 1939 seine IWAG-Aktien verkauft. In allen Fällen sei die Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlusts nicht widerlegt worden. Das Bruchteilseigentum stehe den Beigeladenen zu 1 und 2 mindestens in der im angegriffenen Bescheid zugrunde gelegten Höhe zu. Der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen zu 1 sei die unmittelbare Beteiligung an der IWAG in Höhe von 165/3150 Anteilen nach Erwerb der Flurstücke entzogen worden. Der vor Erwerb der Flurstücke eingetretene Verlust der mittelbaren Beteiligung des Rechtsvorgängers des Beigeladenen zu 1 und der unmittelbaren Beteiligung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 2 führe zu Bruchteilseigentum in Höhe der jeweiligen Anteile an der IWAG, weil diese die Flurstücke i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG später angeschafft habe, die Vermutung, dass die Flurstücke mit Mitteln des Unternehmens erworben seien (§ 3 Abs. 1 Satz 6 VermG), nicht widerlegt worden sei und die Flurstücke nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehörten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die Beschwerde möchte sinngemäß geklärt wissen, ob als ein von dem Unternehmen später angeschaffter Vermögensgegenstand i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auch ein Grundstück anzusehen ist, das von dem Unternehmen unter Einräumung eines Vorkaufsrechts an einen Dritten erworben wurde. Die Frage ist nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes zu bejahen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG setzt nicht voraus, dass später angeschaffte oder “weg geschwommene” Vermögensgegenstände von einer Schädigungsmaßnahme betroffen waren. Die ergänzende Einzelrestitution knüpft an die Entziehung der Unternehmensbeteiligung als Schädigungstatbestand an und gewährt dem Berechtigten Bruchteilseigentum an von dem Unternehmen später angeschafften oder weg geschwommenen Vermögensgegenständen deshalb, weil vermögensrechtliche Schädigungen jüdischer NS-Verfolgter typischerweise dadurch gekennzeichnet waren, dass lediglich die Anteile an dem Unternehmensträger entzogen wurden und der auf diese Weise “arisierte” Unternehmensträger erst nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft enteignet wurde. NS-Verfolgte wären in Fällen dieser Art daher auf Entschädigungsansprüche beschränkt. Um sie nicht schlechter zu stellen, als sie bei der Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze gestellt wären, sieht das Gesetz deshalb für Fälle der Anteilsschädigung die ergänzende Einzelrestitution für später angeschaffte oder weg geschwommene Vermögensgegenstände des Unternehmens vor. Dem entspricht, dass das Gesetz nicht auf eine Schädigungsmaßnahme an den Vermögensgegenständen abstellt, sondern folgerichtig ausreichen lässt, dass sie “aus irgendwelchen Gründen” nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens gehören (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 S. 14 ≪17 f.≫). Die von der Beschwerde vertretene Auffassung, ein Unternehmen, das ein mit einem dinglichen Vorkaufsrecht belastetes Grundstück “später angeschafft” hat, habe kein bei der ergänzenden Einzelrestitution berücksichtigungsfähiges Volleigentum erworben, trifft schon deshalb nicht zu, weil es nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG allein darauf ankommt, ob das Grundstück in das Vermögen des Unternehmens gelangt ist. Davon abgesehen ist nicht zweifelhaft, dass sich die ergänzende Einzelrestitution auch auf ein mit einem dinglichen Vorkaufsrecht erworbenes Grundstück erstreckt, weil allein der Erwerb des Eigentums und nicht der Umstand erheblich ist, ob in einem späteren Veräußerungsfall von dem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht wird.
Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Nach Ansicht der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht unzureichend gewürdigt, dass die IWAG das in Rede stehende Grundstück mit Kreditmitteln erworben habe, und infolgedessen zu Unrecht das Vorliegen der Vermutung angenommen, dass Gegenstände, die von einem Unternehmen bis zum 8. Mai 1945 angeschafft worden sind, mit Mitteln des Unternehmens erworben wurden (§ 3 Abs. 1 Satz 6 VermG). Dieses Vorbringen führt, von allem anderen abgesehen, schon deswegen nicht zur Zulassung der Verfahrensrevision, weil das angegriffene Urteil auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler nicht beruhen kann. Auch wenn die IWAG das Grundstück mittels eines Überziehungskredits erworben haben sollte, begründet das die Vermutung, dass der Erwerb aus Mitteln der IWAG beglichen wurde. Die Zahlung des Kaufpreises unter Inanspruchnahme eines Kredits ändert mangels besonderer Vereinbarung regelmäßig nichts daran, dass der Kaufgegenstand in das Eigentum des Erwerbers übergeht. Aufgenommene Kredite sind zu den Mitteln des Unternehmens zu rechnen, soweit Kreditgrundlage das Unternehmensvermögen ist, wie es bei einem Kontokorrentkredit typischerweise der Fall ist. Anhaltspunkte dafür, dass das beim Erwerb des Grundstücks durch die IWAG anders gewesen sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen