Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 05.03.2008; Aktenzeichen 5 B 05.1449) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. März 2008 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, denn die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) werden nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt.
1. Eine ausreichende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) einer Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Die Beschwerde hält im Zusammenhang mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
“dass das generelle Verfolgen der Ziele des Islamismus verfassungsfeindliche Bestrebungen begründet” (Beschwerdebegründung S. 2).
Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie nicht auf die Auslegung der rechtlichen Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG und damit eine vom Revisionsgericht zu klärende rechtsgrundsätzliche Frage zielt. Vielmehr kleidet die von der Beschwerde aufgeworfene Frage – wie auch das weitere Beschwerdevorbringen veranschaulicht – lediglich die konkreten Umstände des Einzelfalls in eine “abstrakte” Fragestellung und greift in der Sache die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Anhaltspunkte an, die die Annahme rechtfertigen, dass die islamistische Organisation Tablighi Jamaat (TJ) Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Hierzu knüpft die Beschwerde an den Ausführungen des Berufungsgerichts auf Seite 14 des Urteilsabdrucks an, “es besteht […] kein Zweifel, dass die TJ eine islamistische Organisation ist, die die Islamisierung der Gesellschaft betreibt, um damit die Etablierung eines islamischen Staates zu erreichen, was generell das Ziel des Islamismus ist” und kritisiert, dass das Berufungsgericht damit die Wertung in dem Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministers des Innern übernehme, soweit es darin heiße, aufgrund ihres strengen Islamverständnisses und der weltweiten Missionierungstätigkeit bestehe die Gefahr, dass die TJ islamistische Radikalisierungsprozesse befördere. Auch soweit die Beschwerde beanstandet, dass das Berufungsgericht die grundrechtlich garantierte Religions- und Glaubensfreiheit nicht berücksichtige und seine Argumentation dazu führe, dass strenggläubige Muslime allein aus der Tatsache heraus, dass sie Muslime seien, gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen müssten, wird nicht die Maßstabsbildung des Berufungsgerichts angegriffen. Diese gegen die Tatsachenfeststellung und -würdigung im Einzelfall gerichteten Ausführungen legen – auch unter Berücksichtigung der angeführten verfassungsrechtlich garantierten Religions- und Glaubensfreiheit – keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, zumal das Berufungsgericht nicht auf die Glaubensbetätigung als solche abgestellt hat und für seine Bewertung der Ziele und Aktivitäten der TJ auch nicht allein darauf abgehoben hat, es handele sich um eine – so die Beschwerde “islamistische” bzw. “muslimische” Organisation. Auch sonst ist nicht einmal sinngemäß dargelegt, dass bzw. wie das Berufungsgericht bei der Auslegung und Anwendung des § 11 StAG im rechtlichen Ansatz die Reichweite der Religions- und Glaubensfreiheit verkannt oder vernachlässigt haben könnte.
Abgesehen davon versteht es sich von selbst, dass die Frage, ob im Einzelfall in Bezug auf die Person des konkreten Einbürgerungsbewerbers tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass er Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, nur unter Berücksichtigung der konkreten Umständen des Einzelfalles zu beantworten ist. Soweit die tatsächlichen Anhaltspunkte aus der Zugehörigkeit bzw. aktiven Betätigung des Einbürgerungsbewerbers für eine bestimmte Organisation hergeleitet werden, gilt dies auch bezüglich der Organisation. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat geprüft und festgestellt, dass nach den Erkenntnissen aus den im angefochtenen Urteil im Einzelnen aufgeführten Verfassungsschutzberichten, den Schriften der TJ, den Redebeiträgen ihrer führenden Funktionäre sowie den Angaben von Mitgliedern der TJ in den durch das Landesamt für Verfassungsschutz geführten Sicherheitsgesprächen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass konkret die TJ Ziele verfolge, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten. In einem zweiten Schritt hat es das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte bejaht, die für die Annahme sprächen, dass der Kläger die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der TJ jedenfalls unterstütze. Inwiefern vor diesem Hintergrund aus Anlass des vorliegenden Falles rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Insbesondere legt der Kläger nicht dar, dass und welcher bundesrechtliche Prüfungsmaßstab insoweit einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sein könnte.
2. Auch die gerügten Verfahrensmängel werden nicht ausreichend bezeichnet.
2.1 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe in seine Entscheidung Erkenntnisse aufgenommen, die nicht verfahrensgegenständlich gewesen seien, wird weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) noch ein sonstiger Verfahrensfehler des Berufungsgerichts schlüssig dargelegt. Für die Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist auf die materiellrechtliche Auffassung des Tatsachengerichts abzustellen. Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. November 2004 – BVerwG 3 C 8.04 – BVerwG 122, 182 ≪189≫) davon ausgegangen, dass Gewaltbereitschaft kein notwendiges Element verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG sei. Mit Rücksicht darauf hat es die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob an der Einschätzung der Gewaltlosigkeit der TJ im Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministers des Innern festzuhalten oder ob die TJ auch direkter bei terroristischen Gruppen involviert sei. Die von ihm allein zur näheren Erläuterung dieser Frage in der von der Beschwerde beanstandeten Urteilspassage auf Seite 14 des Urteilsabdrucks benannten Quellen (“taz 11.1.2002”, “Spiegel 2/2005”, “B. Schirra, ‘Ich war Osama's Pilot’, Cicero 7/2007” und “Veröffentlichung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Islamischer Extremismus und Terrorismus, Militante Organisationen und Strukturen Band 3 Teil 1, S. 60”) waren damit für seine Entscheidung nicht tragend. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht seine Feststellung, es lägen in Bezug auf die TJ tatsächliche Anhaltspunkte für Sicherheitsbedenken im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vor, entscheidungstragend auf den Begriff “ausländische Terrororganisation” bzw. den Gesichtspunkt gestützt, dass die TJ nach der genannten Veröffentlichung des Informationszentrums die Harakt ul-Jihad-i Islami ins Leben gerufen habe, die als “Other group of concern” auf der Liste der ausländischen Terrororganisationen des US-Außenministeriums geführt werde.
Abgesehen davon hat die Beschwerde auch nicht dargetan, was der Kläger im Einzelnen auf entsprechende Hinweise des Berufungsgerichts noch vorgetragen hätte und inwiefern dies zu einer anderen Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte führen könne. Die mit der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung, es hätte entsprechender Sachvortrag dazu erbracht werden können, dass die in den vorstehend genannten Quellen enthaltenen Aussagen unrichtig seien, genügt hierfür nicht (Beschluss vom 14. April 2005 – BVerwG 1 B 161.04 –; stRspr). Gleiches gilt für den Hinweis, der Kläger habe ausdrücklich vorgetragen, ihm seien verfassungsfeindliche Bestrebungen der TJ nicht bekannt und die Organisation verfolge diese auch nicht. Ebenso wenig entspricht die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde aufgestellte, nicht näher begründete Behauptung, die den Verfassungsschutzberichten des Landes und des Bundes zugrunde liegenden Tatsachen seien nicht geeignet, eine verfassungsfeindliche Gesinnung der TJ zu begründen, den Darlegungsanforderungen an eine schlüssige Verfahrensrüge. Im Kern rügt die Beschwerde auch in Gestalt dieser Verfahrensrüge die von ihr nicht geteilte Bewertung des Berufungsgerichts, es lägen in Bezug auf die TJ tatsächliche Anhaltspunkte für Sicherheitsbedenken im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vor. Hieraus kann sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder ein sonstiger Verfahrensfehler nicht ergeben.
2.2 Auch die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde führt insoweit zur Begründung aus, das Berufungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen, dass es die TJ als Organisation einstufen wolle, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge und dem Kläger somit nicht die Möglichkeit gegeben, sich von der TJ zu distanzieren. Damit wird nicht aufgezeigt, hinsichtlich welcher entscheidungserheblichen Tatsachenfragen sich dem Berufungsgericht unter Nutzung welcher Beweismittel eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Soweit die Beschwerde mit ihrem Vorbringen sinngemäß eine Verletzung der Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) und einen darin begründeten Verstoß gegen das rechtliche Gehör geltend machen sollte, legt sie diese Verfahrensfehler ebenfalls nicht hinreichend dar. Es fehlt bereits an der Darlegung, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag zu einem für ihn günstigeren Ergebnis hätte führen können. Der pauschale Hinweis der Beschwerde, der Kläger “hätte sich sofort von dieser Organisation distanziert”, die Distanzierung wäre auch kein Lippenbekenntnis, weil sich der Kläger nach der erstinstanzlichen Entscheidung nicht von der TJ hätte distanzieren müssen, genügt hierfür nicht.
Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 26. November 2001 – BVerwG 1 B 347.01 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52 und vom 25. August 2004 – BVerwG 9 BN 2.04 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 167). Dass gleichwohl das Berufungsgericht aufgrund besonderer Umstände des Falles zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung verpflichtet gewesen wäre, darauf hinzuweisen, dass es anders als das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die TJ einbürgerungsschädliche Ziele verfolge, zeigt die Beschwerde nicht auf. Voraussetzung hierfür wäre, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 9 B 1076.98 – juris – m.w.N.; s.a. BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫; 108, 341 ≪345 f.≫). Dass derartige Umstände hier vorliegen, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Nachdem das Berufungsgericht die Berufung ausdrücklich mit Blick auf die Frage zugelassen hatte, ob der Einbürgerung des Klägers sein Eintreten für die islamische Missionsbewegung TJ entgegenstehe, und der in der Berufungsverhandlung erfolgten Anhörung eines Vertreters des Landesamtes für Verfassungsschutz konnte es den Kläger nicht überraschen, dass das Berufungsgericht entscheidungstragend (auch) auf seine Haltung gegenüber dieser Organisation abstellt. Mit der Feststellung des Berufungsgerichts, dass in der Person des Klägers der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, hat der Rechtsstreit mithin keine Wendung erhalten, mit der der anwaltlich vertretene Kläger nicht ohnehin rechnen musste.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (s.a. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs in der Fassung vom 7./8. Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen