Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. öffentliche Auslegung. ortsübliche Bekanntmachung. Arten verfügbarer umweltbezogener Informationen. erneute Bekanntmachung. Beschränkung der Stellungnahmen. teleologische Reduktion. inhaltliche Bestimmtheit von Bebauungsplänen. Grundsatz der Normenklarheit. berichtigende Auslegung. Abwägung. Gebot der Konfliktbewältigung
Leitsatz (amtlich)
Wird in der erneuten Bekanntmachung der erneuten Auslegung eines geänderten oder ergänzten Entwurfs eines Bebauungsplans bestimmt, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können, braucht in der Bekanntmachung nur auf die Arten umweltbezogener Informationen hingewiesen zu werden, die zu den geänderten oder ergänzten Teilen des Planentwurfs verfügbar sind.
Normenkette
BauGB § 3 Abs. 2 S. 2 Hs. 1, § 4a Abs. 3 Sätze 1-2, § 9 Abs. 7; Plan-UP-RL Art. 3, 6
Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 10.04.2013; Aktenzeichen 2 E 14/11.N) |
Tenor
Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. April 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Bebauungsplans L. 53 der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gweg … in Hamburg-E. (Flurstück … der Gemarkung L.), auf dem sich straßenseitig ein Wohnhaus und im straßenabgewandten Bereich ein Gewerbehof mit einzelnen oder miteinander verbundenen gewerblich genutzten Gebäuden befinden. Das Grundstück war durch den Bebauungsplan L. 3 aus dem Jahr 1963 als Geschäftsgebiet „G 2 g” nach § 10 Abs. 4 der Baupolizeiverordnung ausgewiesen und nahezu vollständig von Grundstücken umgeben, für die dieselbe Art der Nutzung festgesetzt war. Lediglich für das westlich gelegene Grundstück Llweg … war eine Wohnnutzung „W 4 g” vorgesehen.
Im Bebauungsplan L. 53 ist das Grundstück der Antragstellerin als Mischgebiet festgesetzt. Ebenfalls als Mischgebiet ausgewiesen sind die nördlich gelegenen Grundstücke Gweg … und Gweg … a – d sowie die sich süd-östlich an das Grundstück der Antragstellerin anschließenden, sich aneinander reihenden Grundstücke Gweg … und Sallee … und … Das süd-westlich gelegene, an das Grundstück der Antragstellerin angrenzende Hinterliegergrundstück mit dem Doppelhaus Sallee … und … ist ebenso wie die westlich benachbarten Grundstücke zum allgemeinen Wohngebiet umgeplant worden. Zur Verbreiterung des Gwegs setzt der Plan auf dem Grundstück der Antragstellerin eine Straßenverkehrsfläche fest.
Die Antragsgegnerin hat den Bebauungsplan L. 53 mit dem Bedürfnis begründet, die bestehende Geschäftsgebietsfestsetzung zu ändern, weil sie sich als überholt erwiesen habe. Der Stadtteil L. sei ein beliebter Wohnstandort. Nachfragen und Anträge für den Wohnungsbau habe es bis in die Gegenwart hinein auch für das Plangebiet gegeben. Im nördlichen und südlichen Bereich des Geschäftsgebiets seien bereits drei- bis viergeschossige Wohngebäude errichtet worden. Büronutzungen hätten sich im Plangebiet dagegen nicht nachhaltig entwickelt, hier habe es Leerstand und Abriss gegeben. Klassisch gewerbliche Nutzungen bestünden lediglich auf dem Grundstück der Antragstellerin. Ziel des Bebauungsplans sei die Schaffung einer gemischten Nutzungsstruktur mit einem Nebeneinander von Wohnen und wohnverträglichem Gewerbe sowie zusätzlichen Wohnbauflächen.
Im Bekanntmachungstext der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs heißt es, dass zu Umweltthemen Stellungnahmen und Informationen vorlägen, unter anderem zu Altlastenflächen und zu erhaltenden Bäumen. Während dieser Auslegung machte die Antragstellerin geltend, dass die Änderung der Gebietsausweisung die Interessen der Gewerbetreibenden in ihrem Gewerbehof erheblich beeinträchtige. Diese müssten wegen der gestiegenen Schutzbedürftigkeit der umliegenden Wohnnutzung mit einschränkenden Auflagen rechnen. Die Bezirksversammlung stimmte dem Planentwurf mit Ausnahme der Festsetzung der Baugrenzen für das Grundstück Llweg … zu, da das Baufenster nach einer erneuten Auslegung des Entwurfs verkleinert werden sollte.
Der Bekanntmachungstext der erneuten öffentlichen Auslegung wiederholt, dass zu Umweltthemen Stellungnahmen und Informationen vorlägen, unter anderem zu Altlastflächen und zu erhaltenden Bäumen. Des Weiteren bestimmt der Text, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten Teilen des ausliegenden Planentwurfs vorgebracht werden könnten. Die Antragstellerin erhob wiederum Einwendungen.
Mit ihrem gegen den beschlossenen und verkündeten Bebauungsplan fristgerecht eingeleiteten Normenkontrollverfahren hat die Antragstellerin neben anderem gerügt, dass die Bekanntmachung der erneuten öffentlichen Auslegung keinen vollständigen Hinweis auf die verfügbaren umweltbezogenen Informationen enthalte und der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht wirksam festgesetzt sei, weil ein Flurstück, das in der textlichen Beschreibung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans genannt sei, nicht innerhalb der Grenzen des zeichnerisch festgesetzten Plangebiets liege. Die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung seien mit Abwägungsfehlern behaftet. Zum einen sei die Antragsgegnerin voreingenommen gewesen, da sie den Bebauungsplan auf Initiative des früheren Eigentümers bzw. Investors des Grundstücks Gweg … a – d aufgestellt habe, um ihm eine beabsichtigte Wohnbebauung zu ermöglichen. Zum anderen verstoße das Ergebnis der Abwägung wegen der unmittelbaren Nachbarschaft des mit dem Gewerbehof bebauten Grundstücks zu einem allgemeinen Wohngebiet gegen das Trennungsgebot des § 50 BImSchG und das Gebot der Konfliktbewältigung. Auch die geplante Straßenverbreiterung sei abwägungsfehlerhaft.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Gegen sein Urteil richtet sich die Revision der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang.
1. Die Rüge der Antragstellerin, die umweltbezogenen Informationen seien in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung des Planentwurfs nicht in der von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB geforderten Weise bezeichnet worden, ist unbegründet. Die Bekanntmachung brauchte keine Angaben dazu zu enthalten, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Hinweis, es lägen Stellungnahmen und Informationen unter anderem zu Altlastenflächen und zu erhaltenden Bäumen vor, den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB genügt (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2013 – BVerwG 4 CN 3.12 – BVerwGE 147, 206).
Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB sind Ort und Dauer der Auslegung der Entwürfe von Bauleitplänen sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Stellungnahmen verfügbar sind, mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt zu machen. Gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf eines Bebauungsplans erneut auszulegen, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. Nach § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB kann dabei – wie hier – bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können; hierauf ist in der erneuten Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinzuweisen. Ansonsten gilt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB unbeschränkt und verlangt, in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung wiederum auf die Arten der verfügbaren Umweltinformationen hinzuweisen (Berkemann, in: Berkemann/ Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, 2005, § 4a Rn. 23).
Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ist indes zu weit, wenn im Fall der Änderung oder Ergänzung eines Planentwurfs die Bekanntmachung der erneuten Auslegung die Einschränkung enthält, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB steht in unmittelbarem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen zu den Stellungnahmen während der Auslegungsfrist in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 sowie in den Sätzen 4 bis 6 BauGB. Der Zusammenhang wäre aufgelöst, wenn die verfügbaren umweltbezogenen Informationen nicht die geänderten oder ergänzten Teile zum Gegenstand haben, auf die die Stellungnahmen beschränkt sind. § 4a Abs. 3 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB verlangen von der Gemeinde nicht, sich widersprüchlich zu verhalten, indem sie mit den Angaben zu den verfügbaren umweltbezogenen Informationen zu Stellungnahmen anstößt, die sie über die Beschränkung des § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB ausschließen möchte. § 4a Abs. 3 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB bedürfen daher der Einschränkung, dass in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung nur auf umweltbezogene Informationen hinzuweisen ist, die zu den geänderten oder ergänzten Teilen des Planentwurfs verfügbar sind. Gibt es – wie vorliegend – keine Informationen, die sich auf die geänderten oder ergänzten Teile des Planentwurfs beziehen, darf es mit der Bekanntmachung von Ort und Dauer der erneuten Auslegung sein Bewenden haben.
Ein erneuter Hinweis darauf, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, ist in Fallgestaltungen wie der vorliegenden nicht deshalb geboten, weil Stellungnahmen, die sich nicht auf den beschränkten Bereich beziehen, entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht unzulässig sind, sondern lediglich die Folgen des § 3 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BauGB nicht auslösen und daher von der Gemeinde wie verspätete Stellungnahmen nach § 4a Abs. 6 BauGB zu behandeln sind. Zwar wird dem Ziel des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB, im öffentlichen Interesse Vollzugsdefiziten zu Lasten der Umwelt entgegenzuwirken (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 20), auch gedient, wenn auf eine erneute Auslegung noch verspätete Hinweise zu Umweltbelangen eingehen. Dies zwingt aber nicht zu der Schlussfolgerung, dass in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung wiederum auf sämtliche Arten der verfügbaren Umweltinformationen hinzuweisen ist. Schon die ursprüngliche Bekanntmachung muss den Hinweis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB enthalten. Sie kann auch nach Ablauf der (ersten) Stellungnahmefrist Anlass zu verspäteten Einwendungen sein. Für den von den Änderungen oder Ergänzungen nicht betroffenen Teil des Plangebiets ist der Zweck des Offenlegungsverfahrens schon mit der erstmaligen Auslegung erfüllt (so zu einem räumlich geteilten Bebauungsplan Urteil vom 29. Januar 2009 – BVerwG 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98 Rn. 40); einer „Erinnerung” der Öffentlichkeit an ein laufendes Planungsverfahren bedarf es nicht.
Wenn eine Vorschrift nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, sind Gerichte befugt, den Wortlaut der Vorschrift zu korrigieren, und ist eine überschießende Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (Urteil vom 1. März 2012 – BVerwG 5 C 11.11 – BVerwGE 142, 107 Rn. 30). Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 – 1 BvR 1045/89 u.a. – BVerfGE 88, 145 ≪167≫). Sie kann dazu dienen, eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen, wenn ihr Sinn und Zweck, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1997 – 1 BvL 11/96 – NJW 1997, 2230 ≪2231≫). Sie ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen sie sich auf Ausführungen in den Gesetzesmaterialien stützen lässt, sondern erfasst auch solche wie den vorliegenden, in welchen die Gesetzesbegründung keinen Hinweis darauf enthält, dass sich der Gesetzgeber der in Rede stehenden besonderen Problematik bewusst gewesen ist.
Die Antragstellerin möchte aus den Gesetzesmaterialien herleiten, dass eine erneute Auslegungsbekanntmachung stets den Hinweis auf sämtliche Arten verfügbarer Umweltinformationen enthalten müsse. Sie verweist auf die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Absicht des Gesetzgebers zur Vereinheitlichung und Stärkung der planungsrechtlichen Verfahrensschritte auf hohem Umweltschutzniveau. Soweit sich diese Absicht aus dem Kapitel „Problem und Ziel” ergibt (BTDrucks 15/2250 S. 1), ist der Antragstellerin entgegenzuhalten, dass das Kapitel einen allgemeinen Programmsatz enthält. Aus ihm kann für einzelne Fragestellungen nichts Konkretes abgeleitet werden. Mit der beabsichtigten Vereinheitlichung des Verfahrens durch die Umweltprüfung (BTDrucks 15/2250 S. 29) geht es dem Gesetzgeber um die Wiedergabe der Arbeitsschritte zur Zusammenstellung des umweltrelevanten Abwägungsmaterials für eine sachgerechte Abwägung zur Herbeiführung einer materiell richtigen Entscheidung. Ermöglichen die Verfahrensvorschriften eine Beschränkung des Gegenstands der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, ist ein Hinweis auf die verfügbaren Arten umweltbezogener Informationen, die sich nicht auf die Änderungen oder Ergänzungen des Planentwurfs beziehen, nicht dazu angetan, Abwägungsmängel bei den Änderungen oder Ergänzungen zu vermeiden.
Unionsrecht steht der teleologischen Reduktion von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 und § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht entgegen. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl EG Nr. L 197 S. 30) – Plan-UP-RL –, auf den sich die Antragstellerin beruft, ordnet an, dass die unter Absatz 2 fallenden Pläne, u.a. Pläne im Bereich der Bodennutzung, sowie deren geringfügige Änderungen einer Umweltprüfung bedürfen, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Die Vorschrift äußert sich zum Geltungsbereich der Richtlinie, also dazu, welche Pläne und Programme einer Umweltprüfung zu unterziehen sind, nicht aber zu verfahrensrechtlichen Anforderungen an Pläne und Programme, für die eine Umweltprüfung erforderlich ist. Einschlägig ist vielmehr Art. 6 Plan-UP-RL, der in Absatz 1 bestimmt, dass der Entwurf eines Plans und der Umweltbericht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind, und in Absatz 2 vorschreibt, dass der Öffentlichkeit innerhalb ausreichend bemessener Frist frühzeitig und effektiv Gelegenheit gegeben wird, vor der Annahme des Plans zum Entwurf des Plans sowie zum begleitenden Umweltbericht Stellung zu nehmen. Diese Regelung wird durch die teleologische Reduktion von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 und § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht unterlaufen. Die Plan-UP-Richtlinie fordert nicht, dass die Gelegenheit, zum Entwurf eines Plans und dem Umweltbericht Stellung zu nehmen, mehrfach gegeben wird.
Die Antragstellerin rügt in diesem Zusammenhang, dass die tatrichterliche Feststellung, der angegriffene Bebauungsplan habe keinen wesentlichen Umweltbezug, gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 VwGO verstoße. Ihr Einwand führt indes nicht auf einen Verfahrensfehler, sondern betrifft die Anwendung materiellen Rechts. Einen Verstoß gegen materielles Bundesrecht zeigt die Antragstellerin aber nicht auf. Aus Sicht des Unionsrechts kommt es nicht darauf an, ob der Bebauungsplan voraussichtlich einen wesentlichen Umweltbezug aufweist; denn die Anforderungen des Art. 6 Plan-UP-Richtlinie sind erfüllt.
2. Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass der Bebauungsplan L. 53 nicht wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit oder eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Normenklarheit unwirksam ist.
Nach § 9 Abs. 7 BauGB setzt der Bebauungsplan die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest. Die Grenzen dürfen sowohl zeichnerisch dargestellt als auch textlich beschrieben werden (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2014, § 9 Rn. 88). Besteht ein Widerspruch zwischen der zeichnerischen Darstellung und der textlichen Beschreibung, ist er unbeachtlich, wenn er sich durch Auslegung auflösen lässt; denn Bebauungspläne sind – wie andere Normen auch – einer ein Redaktionsversehen berichtigenden Auslegung zugänglich (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 1998 – BVerwG 4 NB 3.97 – BRS 60 Nr. 26 S. 92 und vom 1. Februar 1994 – BVerwG 4 NB 44.93 – juris Rn. 4). Vorliegend decken sich zeichnerische Darstellung und textliche Beschreibung deshalb nicht, weil das im Text bezeichnete Flurstück … der Gemarkung L. außerhalb des in der Planurkunde zeichnerisch festgesetzten Plangebiets liegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die fehlerhafte Flurstücksbezeichnung auf einen offensichtlichen Schreibfehler zurückgeführt, der im Wege der Auslegung zu beseitigen sei; gemeint sei ohne Zweifel das Flurstück … Dem ist nichts hinzuzufügen.
3. Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan L. 53 nicht wegen eines beachtlichen Abwägungsfehlers für unwirksam erklärt hat.
a) Einen Abwägungsausfall hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend verneint.
Die Antragstellerin wirft der Antragsgegnerin vor, ihr Bezirksamtsleiter habe sich vorab auf die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung festgelegt, um dem Investor die Zulässigkeit der Wohnbebauung auf dem Grundstück G.weg … a – d zu sichern. Der Investor habe in Kenntnis des Umstandes, dass ohne Änderung des Bebauungsplans L. 3 sein Vorhaben unzulässig sei, die Aufstellung des Bebauungsplans L. 53 initiiert, den Inhaber eines früher im Gewerbehof ansässigen Autolackierbetriebs durch Zahlung einer Entschädigung zu einer Verlagerung der Betriebsstätte veranlasst, um mögliche Planungshindernisse auszuräumen, und auf der Grundlage des § 33 BauGB eine Baugenehmigung für zwei dreigeschossige Wohngebäude mit Staffelgeschoss und insgesamt 41 Wohneinheiten erhalten.
Das Oberverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass dem Bezirksamtsleiter als Inhaber der Planungskompetenz die Zahlung des Investors an den Inhaber der Autolackiererei und das Baugenehmigungsverfahren für das Grundstück G.weg … a – d bekannt gewesen sei. Die Antragstellerin begegnet dem mit einer Reihe von Verfahrensrügen. Ihnen braucht der Senat indes nicht nachzugehen. Weder die (unterstellte) Kenntnis des Bezirksamtsleiters von dem Baugenehmigungsverfahren noch die (unterstellte) Kenntnis der Umstände, die zum Wegfall einer im Plangebiet ehemals ausgeübten Nutzung geführt haben, rechtfertigt den Schluss auf einen im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB offensichtlichen und das Abwägungsergebnis beeinflussenden Fehler im Abwägungsvorgang. Das Oberverwaltungsgericht hat keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Bebauungsplan L. 53 vorrangig den Interessen des Investors des Grundstücks Gweg … a – d zugute kommen solle. Sowohl die Festsetzungen als auch die Begründung des Plans zeigten, dass die Antragsgegnerin einer Gesamtkonzeption zum Ausbau der Wohnnutzungen im Plangebiet gefolgt sei, um dem gewachsenen Charakter des Gebiets und der großen Nachfrage nach familiengerechtem Wohnraum zu entsprechen. Die Festsetzung eines Mischgebiets für das Grundstück Gweg … a – d und nicht eines allgemeinen Wohngebiets spiegele wider, dass die Antragsgegnerin nicht allein die Interessen der neuen Wohnnutzer auf dem Grundstück bedient habe, sondern um einen Ausgleich mit den Interessen der vorhandenen Gewerbetreibenden bemüht gewesen sei. Schließlich führe der Umstand, dass der Investor den Inhaber eines früher auf dem Gewerbehof ansässigen Autolackierbetriebs zu einer Verlagerung der Betriebsstätte bewegt habe, nicht zur Annahme eines Abwägungsausfalls wegen Voreingenommenheit; denn die Abwanderung des Betriebs sei nicht nur den Interessen des Investors entgegen gekommen, sondern auch den zum Ausdruck gebrachten eigenen Interessen der Antragsgegnerin, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Flächennutzungsplans im Plangebiet neue Wohnflächen zu schaffen. An diese Würdigung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
b) Mit Bundesrecht ist ferner vereinbar, dass das Oberverwaltungsgericht die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Konfliktbewältigung als im Ergebnis abwägungsfehlerhaft bewertet hat.
Das Gebot der Konfliktbewältigung besagt, dass grundsätzlich jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm zurechenbaren Konflikte zu lösen hat. Das schließt eine Verlagerung von Problemen in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (Beschlüsse vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – NVwZ-RR 1995, 130 ≪131≫, vom 8. November 2006 – BVerwG 4 BN 32.06 – juris Rn. 10, vom 15. Oktober 2009 – BVerwG 4 BN 53.09 – BRS 74 Nr. 17 und vom 16. März 2010 – BVerwG 4 BN 66.09 – Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 7 Rn. 27). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind erst überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (Beschluss vom 26. März 2007 – BVerwG 4 BN 10.07 – juris Rn. 9). Eine Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener auf der Ebene der Vorhabenzulassung letztlich ungelöst bleiben (Urteil vom 19. April 2012 – BVerwG 4 CN 3.11 – BVerwGE 143, 24 Rn. 19).
Der Bebauungsplan ist nicht deshalb mit dem Gebot der Konfliktbewältigung unvereinbar, weil er keine Festsetzungen zum Schutz des Grundstücks Sallee … enthält, das im Bebauungsplan L. 3 als Geschäftsgebiet ausgewiesen war und im Bebauungsplan L. 53 als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Schutzwürdigkeit der bereits vorhandenen Wohnnutzung auf dem Grundstück Sallee … wegen der Randlage zum Mischgebiet und der zeitlichen Priorität des Gewerbehofs gemindert sei. Sein rechtlicher Ansatz, dass Immissionskonflikten an der Grenze zwischen Mischgebiet und allgemeinem Wohngebiet durch Anwendung von Nr. 6.7 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) – TA Lärm – begegnet werden kann, trifft zu. Nr. 6.7 der TA Lärm erlaubt für Gemengelagen eine Erhöhung der Immissionswerte, die für die zum Wohnen dienenden Gebiete gelten, bis grundsätzlich zu den Werten für Kern-, Dorf- und Mischgebiete und benennt die wesentlichen Kriterien, anhand derer der Zwischenwert zu bilden ist.
Soweit das Oberverwaltungsgericht den Wohnnutzungen im Mischgebiet mischgebietstypische Immissionen zumutet, ist das Gebot der Konfliktbewältigung schon nicht tangiert. Mischgebiete dienen nach § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Sie sind gekennzeichnet durch die quantitative und qualitative Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Wohnnutzung und das Wohnen nicht wesentlich störendem Gewerbe. Das hat zur Folge, dass die Wohnnutzung weniger Schutz beanspruchen kann als in einem Wohngebiet. Auch den bestehenden Gewerbebetrieben, die bei Inkrafttreten des Bebauungsplans im Gewerbehof der Antragstellerin ansässig waren, drohen keine Einschränkungen zum Schutz der Wohnbebauung im Mischgebiet. Da sie nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mischgebietsverträglich sind, brauchen sie mit nachträglichen Auflagen zum Schutz der Umgebungsbebauung im Mischgebiet nicht zu rechnen. Durch die Planung wird kein neuer Immissionskonflikt begründet.
c) Auch die Ausweisung einer 3 m breiten und 29,7 m langen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend als abwägungsfehlerfrei gebilligt. Das Gericht hat angenommen, dass die Antragstellerin nur geringfügig betroffen sei. Der als Verkehrsfläche ausgewiesene Grundstücksstreifen mache bezogen auf die gesamte Grundstücksfläche lediglich einen geringen Bruchteil aus. Hinzu komme, dass kein Baulandentzug stattgefunden habe, da der betreffende Grundstücksstreifen auch nach dem Bebauungsplan L. 3 nicht bebaubar, also wirtschaftlich nicht nutzbar gewesen sei.
Die Antragstellerin hält die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans nicht mit einem Baulandentzug verbunden sei, für verfahrensfehlerhaft. Das Gericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, weil es übersehen habe, dass die Verschiebung der Straßenbegrenzungslinie die Ausnutzbarkeit der Grundstücksfläche nach § 19 Abs. 3 Satz 1 BauNVO reduziere und sich auf die auf dem Grundstück einzuhaltenden Abstandsflächen auswirke. Ob die Kritik der Antragstellerin den Verfahrensablauf oder die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betrifft (vgl. dazu Beschlüsse vom 8. Juli 1988 – BVerwG 4 B 100.88 – Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 S. 4 und vom 6. Oktober 1997 – BVerwG 11 B 34.97 – juris Rn. 3), kann offen bleiben. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht einen Schluss gezogen, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, sondern versteht den Begriff des Baulandentzugs anders als die Antragstellerin. Das Gericht meint erkennbar den direkten Zugriff auf Bauland, nicht Einschränkungen der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks. Das hält sich mindestens im Rahmen des Vertretbaren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker, Dr. Külpmann
Fundstellen
Haufe-Index 7215075 |
BauR 2014, 1736 |
BauR 2014, 1975 |
DÖV 2014, 937 |
VR 2014, 395 |
ZfBR 2014, 694 |
BayVBl. 2015, 24 |
UPR 2014, 441 |
BBB 2017, 60 |
FSt 2015, 258 |