Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung des Familiennamens. Namensänderung. wichtiger Grund. „Scheidungshalbwaise”. Einwilligung. Kindeswohl
Leitsatz (amtlich)
Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, das den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhalten hat, geschieden worden und hat der nicht erneut verheiratete allein sorgeberechtigte Elternteil wieder seinen Geburtsnamen angenommen, so ist auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Änderung des Geburtsnamens des Kindes („Scheidungshalbwaise”) auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage möglich (wie Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 6 C 18.01 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Willigen der nicht sorgeberechtigte Elternteil und, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat, das Kind in die Namensänderung ein, so spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Namensänderung dem Kindeswohl entspricht.
Normenkette
GG Art. 6; NÄG § 3 Abs. 1; BGB §§ 1355, 1616-1617, 1617a, 1617b, 1617c, 1618
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 26.01.2001; Aktenzeichen 5 B 00.2249) |
VG München (Urteil vom 19.04.2000; Aktenzeichen 7 K 99.3844) |
Tenor
Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Januar 2001 und des Verwaltungsgerichts München vom 19. April 2000 werden aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. März 1999 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 9. September 1999 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Familiennamen der Klägerin von „R.” in „F.” zu ändern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
I.
Die am 21. November 1993 als Tochter der Eheleute Thorsten Jürgen R. und Alexandra R., geb. F. geborene Klägerin strebt die Änderung ihres Familiennamens von „R.” in „F.” an. Die Ehe der Eltern wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Miesbach vom 24. Juli 1996 geschieden. Die elterliche Sorge wurde auf die Mutter übertragen. Die Mutter nahm nach der Scheidung wieder ihren Geburtsnamen „F.” an.
Die Mutter beantragte mit Schriftsatz vom 5. August 1998 die Änderung des Familiennamens des Kindes. Sie führte aus, ihre Tochter leide mit zunehmendem Alter unter der Namensverschiedenheit. Der Vater der Klägerin erklärte sein Einverständnis mit der Namensänderung.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. März 1999 ab. Sie führte zur Begründung aus, ein wichtiger Grund für eine Namensänderung im Sinne des § 3 NÄG liege nicht vor. Mit dem In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) sei das Namensrecht der Kinder mit Wirkung vom 1. Juli 1998 umfassend neu gestaltet worden. Dabei sei der Gedanke der Namenskontinuität hervorgehoben worden. Dass der geschiedene Ehegatte gemäß § 1355 Abs. 5 BGB seinen Geburtsnamen wieder annehmen könne, sei eine Konsequenz der Auflösung des Ehebandes. Demgegenüber bleibe die rechtliche Verbundenheit der Eltern zu ihrem Kind bestehen. Insbesondere ändere sich durch die Scheidung nicht die durch den Geburtsnamen des Kindes dokumentierte Abstammung. Die gesetzliche Neuregelung schließe die Änderung des Familiennamens einer Scheidungshalbwaisen nach Änderung des Familiennamens eines Elternteils aus. Besondere Gründe, die eine Namensänderung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und machte geltend, das Kindschaftsrechtsreformgesetz habe nicht die Namensänderung erschweren, sondern in bestimmten Fällen erleichtern wollen. Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9. September 1999 zurück.
Das Verwaltungsgericht München hat die Klage, zu deren Begründung u.a. auf eine psychologische Stellungnahme verwiesen worden war, durch Urteil vom 19. April 2000 abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die von ihm zugelassene Berufung durch Urteil vom 26. Januar 2001 (StAZ 2001, 214 L.S.) im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen zurückgewiesen:
Es liege kein wichtiger Grund für eine Änderung des Namens im Sinne des § 3 NÄG vor. Eine Änderung des Namens widerspräche den das Zivilrecht prägenden Wertvorstellungen. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz habe in sog. Stiefkinderfällen mit § 1618 BGB die Möglichkeit der zivilrechtlichen Namensänderung durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten geschaffen. Eine entsprechende Regelung für sog. Scheidungshalbwaisen sei hingegen trotz entsprechenden Regierungsentwurfs unter Betonung des Grundsatzes der Namenskontinuität nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Der Gesetzgeber habe mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz die Möglichkeiten der Namensänderung erweitern, zugleich aber auch eine abschließende Regelung für die üblichen familienrechtlichen Namensprobleme schaffen wollen. Damit habe er die bekannten namensrechtlichen Probleme der Scheidungshalbwaisen für hinnehmbar erachtet. Nach der gesetzgeberischen Wertung solle in derartigen Fällen nur in Ausnahmefällen eine Namensänderung möglich sein, in denen sie zum Wohl der Kinder nicht nur förderlich, sondern erforderlich sei. Die Zustimmung des nicht sorgeberechtigten Elternteils zu einer Namensänderung rechtfertige diese allein noch nicht. Erforderlich sei die Namensänderung im Falle der Klägerin nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Die Klägerin macht zur Begründung ihrer rechtzeitig eingelegten Revision geltend: Das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 13. Dezember 1995 – BVerwG 6 C 13.94 – (Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 74) ab. Es führe zu einer ungerechtfertigten und nicht gewollten Ungleichbehandlung von Scheidungshalbwaisen und Stiefkindern. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 NÄG sei gegeben, wenn die Namensänderung für das Kind förderlich sei. Das sei bei Scheidungshalbwaisen widerleglich zu vermuten. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz regele die Namensproblematik von Scheidungshalbwaisen nicht. Es liege eine Regelungslücke vor. Da Scheidungshalbwaisen nicht in einer neuen Familie aufwüchsen, seien für sie die aus der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil folgenden Probleme gravierender als für Stiefkinder, für die das bürgerliche Recht eine Regelung enthalte. Scheidungshalbwaisen müssten mit Stiefkindern gleich behandelt werden.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die beantragte Änderung ihres Familiennamens. Nach § 3 Abs. 1 NÄG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein solcher Grund liegt hier vor. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Ist die Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, das den Ehenamen der Eltern als Geburtsnamen erhalten hat, geschieden worden und hat der nicht erneut verheiratete allein sorgeberechtigte Elternteil wieder seinen Geburtsnamen angenommen, so ist auch nach In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Änderung des Geburtsnamens des Kindes auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 NÄG weiterhin möglich. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 6 C 18.01 – (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) im Einzelnen begründet. Darauf wird Bezug genommen.
2. Ein wichtiger Grund rechtfertigt die Änderung des Familiennamens, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt. Diese Voraussetzungen hat der Senat im Falle der fehlenden Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in eine Änderung des Namens der sog. Scheidungshalbwaisen in den Namen des sorgeberechtigten Elternteils unter Berücksichtigung der Wertung des § 1618 Satz 4 BGB für Fälle der Einbenennung von Stiefkindern unter Aufgabe seiner von geringeren Anforderungen ausgehenden früheren Rechtsprechung in der Regel dann für gegeben erachtet, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes erforderlich ist (Urteil vom 20. Februar 2002, a.a.O.).
3. Liegen, wie hier, die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils und, soweit die in §§ 1618, 1617 c Abs. 1 BGB genannten Altersvoraussetzungen erfüllt sind, auch die ggf. durch den sorgeberechtigten Elternteil ausdrücklich oder nach den Umständen erklärte Einwilligung des Kindes vor, so spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Änderung des Familiennamens des Kindes in denjenigen des allein sorgeberechtigten Elternteils dem Kindeswohl entspricht.
a) § 1618 BGB bestimmt: „Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, können dem Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Ehenamen erteilen. … Die Erteilung … bedarf, wenn das Kind den Namen des anderen Elternteils führt, der Einwilligung des anderen Elternteils und, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung … des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist …”. In den damit bürgerlich-rechtlich geregelten Fällen der Einbenennung von Stiefkindern genügt zur Namensänderung bei Einwilligung des namengebenden nicht sorgeberechtigten Elternteils und ggf. des Kindes also die Erklärung gegenüber dem Standesbeamten. Daraus, dass die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils durch das Familiengericht ersetzt werden kann, wenn die Erteilung zum Wohl des Kindes erforderlich ist, folgt zugleich, dass dem Gesetz die Vorstellung zugrunde liegt, dass die Willensübereinstimmung der Eltern und ggf. des Kindes den Einklang der Namensänderung mit dem Kindeswohl indiziert. Für die Fälle der Kinder, deren geschiedener sorgeberechtigter Elternteil nicht erneut geheiratet, aber gemäß § 1355 Abs. 5 BGB einen früheren Namen wieder angenommen hat, besteht keine entsprechende bürgerlich-rechtliche Regelung zur Änderung des Geburtsnamens des Kindes. Die in derartigen Fällen weiterhin zur Anwendung kommende Regelung des § 3 Abs. 1 NÄG misst der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils und ggf. des Kindes im Gegensatz zu § 1618 BGB nicht die Bedeutung zu, dass die angestrebte Rechtsfolge der Namensänderung ohne weiteres eintritt. Vielmehr setzt die Vorschrift in allen Fällen voraus, dass ein wichtiger Grund die Namensänderung rechtfertigt. Die Erleichterung der Einbenennung von Stiefkindern nach Maßgabe des § 1618 BGB im Falle der Einwilligung sollte die Integration des Kindes in die neue Familie verbessern (Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 13/4899, S. 29 ≪66, 92≫). Diese Erwägung greift nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise, wenn der allein sorgeberechtigte Elternteil nach der Ehescheidung nicht erneut eine Ehe eingegangen ist. Daraus folgt zugleich, dass sachliche Gründe die Anknüpfung der Namensänderung von Stiefkindern einerseits und Scheidungshalbwaisen andererseits an unterschiedliche Voraussetzungen vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen.
b) Wenngleich sich hiernach der Zweck des § 1618 BGB, die Namensänderung in den sog. Stiefkinderfällen zu erleichtern, nicht in gleicher Weise für die Scheidungshalbwaisen fruchtbar machen lässt, ist doch andererseits in derartigen Fällen mit Blick auf die genannte Vorschrift in Anwendung des § 3 Abs. 1 NÄG gebotenen, am Kindeswohl ausgerichteten Abwägung immerhin von einer Vermutung dafür auszugehen, dass bei Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils und ggf. des Kindes die Änderung des Geburtsnamens in den Nachnamen des sorgeberechtigten Elternteils dem Kindeswohl entspricht. Diese Vermutung greift die dem § 1618 BGB zugrunde liegende und letztlich auf dem Grundrecht des Art. 6 Abs. 2 GG beruhende und deshalb über den unmittelbaren Regelungsgehalt des § 1618 BGB hinaus-reichende Erwägung auf, dass die leiblichen Eltern in der Regel ihre Entscheidung für die Namensänderung am Kindeswohl ausgerichtet haben. Eine davon abweichende Entscheidung ist nur gerechtfertigt, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine ungenügende Beachtung des Kindeswohls erkennen lässt. Die Vermutung, dass die Namensänderung dem Kindeswohl entspricht, ist in solchen von der Regel abweichenden Fällen widerlegt, so dass dann eine weitere Abwägung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich ist, um das Kindeswohl zu ermitteln. Ein derartiger Sachverhalt ist etwa anzunehmen, wenn es objektive Hinweise auf eine Gefahr für den dauerhaften Bestand des Sorgerechtsverhältnisses oder auf eine bevorstehende Änderung des Familiennamens des sorgeberechtigten Elternteils gibt. Zu weiteren Erwägungen bietet der vorliegende Rechtsstreit keinen Anlass.
c) In Anwendung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall ein wichtiger Grund anzunehmen, der die Änderung des Familiennamens der Klägerin gebietet. Angesichts des Wunsches des sorgeberechtigten Elternteils, der nach den Umständen die Einwilligung des noch nicht 14-jährigen Kindes einschließt (§ 1617 c Abs. 1 Satz 2, § 1618 Satz 3 und 6 BGB), und der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils streitet die dargelegte Vermutung dafür, dass die Namensänderung dem Kindeswohl entspricht. Auf einen im dargestellten Sinn atypischen Sachverhalt deuten keine Umstände hin. Das Berufungsgericht hat keine dahin gehenden Feststellungen getroffen. Anhaltspunkte für eine erneute Eheschließung des sorgeberechtigten Elternteils mit Folgen für die Namensführung sind nicht gegeben, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt worden ist. Auch sonst sind keine abwägungsbeachtlichen Gesichtspunkte festgestellt oder erkennbar, die gegen eine Namensänderung sprechen könnten.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Büge, Graulich, Vormeier
Fundstellen
ZAP 2002, 694 |
FPR 2003, 137 |
StAZ 2002, 244 |
BayVBl. 2002, 769 |
DVBl. 2002, 1567 |