Entscheidungsstichwort (Thema)
Postbeamter des mittleren Dienstes. Untreue zum Nachteil des Dienstherrn durch Auszahlung von insgesamt 55 000 DM in 57 Fällen an eine Sozialhilfeempfängerin unter Belastung ihres Postgirokontos, ohne dass dieses ein Guthaben auswies. keine materiell-eigennützigen Motive. Milderungsgrund der Offenbarung vor Tatentdeckung. an sich angemessene Zurückstufung aufgrund strafgerichtlicher Verurteilung im sachgleichen Strafverfahren nicht zulässig. getilgte frühere Zurückstufung nicht zu verwerten. Einstellung des Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG ist nach einer Verurteilung in einem sachgleichen Strafverfahren eine Zurückstufung in Fortführung der Rechtsprechung zu § 14 BDO grundsätzlich nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr vorliegen.
Dieses Maßnahmeverbot und das auf getilgte Zurückstufungen erweiterte Verwertungsverbot gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG gelten wegen materiellrechtlicher Besserstellung der angeschuldigten Beamten auch in so genannten Altverfahren nach der BDO (Fortführung der mit Urteil vom 17. März 2004 – BVerwG 1 D 23.03 – BVerwGE 120, 218 = Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 6 = NVwZ 2005, 96 begründeten Rechtsprechung).
Normenkette
BDG § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1; BDO § 64 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 3 S. 1, § 87 Abs. 1 S. 1; BBG § 54 Sätze 2-3, § 55 S. 2, § 77 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung des Postobersekretärs … wird das Urteil des Verwaltungsgerichts … vom 25. Juni 2004 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
I.
1. In dem ordnungsgemäß eingeleiteten Disziplinarverfahren hat der Bundesdisziplinaranwalt den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
als Schalterbeamter in der Zeit von November 1999 bis Mai 2000 in 57 Fällen insgesamt 55 100 DM zu Lasten des Postbankgirokontos einer Bekannten auszahlte, obwohl er wusste, dass das Konto kein entsprechendes Guthaben aufwies.
Im sachgleichen Strafverfahren ist der Beamte durch Urteil des Amtsgerichts F. vom 29. August 2002 wegen Untreue in 57 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. Das Verwaltungsgericht … hat den Beamten durch Urteil vom 25. Juni 2004 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H.seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von 6 Monaten bewilligt. Es hat seiner Entscheidung folgende tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts F. vom 29. August 2002 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO zugrunde gelegt:
„Die Angeklagte B. unterhielt ein Girokonto bei der Postbank, das sie, wie sie wusste, nicht überziehen durfte. Gleichwohl konnte sie den Mitangeklagten R. überreden, in mindestens 57 Fällen von ihr unterschriebene Auszahlungsscheine zu Lasten ihres Kontos zu bedienen, obwohl er wusste, dass ein Guthaben nicht vorhanden war. Hierbei umging er das elektronische Buchungssystem ‚Epos’, das eine Auszahlung bei Kontounterdeckung verhindert hätte oder buchte die Abhebung überhaupt nicht zu Lasten des Kontos.
Auf die Auszahlungsscheine vom 13. März, 14. März, 21. März, 23. März, 27. März, 5. April, 11. April, 12. April, 17. April, 22. April, 4. Mai und 9. Mai 2000 buchte er Auszahlungen von jeweils 1 000 DM, auf den Auszahlungsschein vom 16. März 2000 800 DM, auf den vom 26. April 2000 300 DM und auf die Auszahlungsscheine vom 27. April und 2. Mai 2000 jeweils 500 DM.
Obwohl das Konto der Angeklagten B. erheblich im Soll war, zahlte der Angeklagte in 40 weiteren Fällen jeweils 1 000 DM an sie aus. Die Auszahlungsscheine führte er im Kassenbestand mit und vernichtete sie, nachdem er von der Mitangeklagten am 16. Mai 2000 einen von ihr unterschriebenen Originalzahlungsschein über 44 500 DM, den von ihm errechneten Betrag der nicht gebuchten Abhebungen, erhalten hatte, den er am 23. Mai 2000 mit Wertstellung vom 26. Mai 2000 buchte.
Der Gesamtschaden lag über 50 000 DM.
Beide Angeklagten sind im Wesentlichen geständig.”
Das Verwaltungsgericht hat die Handlungsweise des Beamten als vorsätzlichen Verstoß gegen innerdienstliche Weisungen gemäß § 55 Satz 2 BBG und gegen seine Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst gemäß § 54 Satz 3 BBG gewertet. Das innerdienstliche Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG wiege derart schwer, dass die disziplinarische Höchstmaßnahme zu verhängen sei. Zwar liege kein Zugriffsdelikt vor, das als Regelmaßnahme die Dienstentfernung fordere, die von dem Beamten zum Nachteil seines Dienstherrn begangene Untreue sei jedoch von besonderen erschwerenden Umständen gekennzeichnet, die ebenfalls die Verhängung der Höchstmaßnahme geböten. Schwer wiege insbesondere der Gesamtschaden von über 50 000 DM. Der Beamte habe aufgrund der wirtschaftlichen Situation, in der sich die Mitangeklagte B. befunden habe, nicht davon ausgehen können, dass diese die ihr ausgezahlten Geldbeträge werde zurückzahlen können. Dagegen hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen von Milderungsgründen verneint. Ein Vertrauensbeweis eines Dienstherrn liege nicht vor. Aus einem von dem Beamten geltend gemachten ausgeprägten Helfersyndrom könne eine verminderte Schuldfähigkeit nicht abgeleitet werden.
3. Gegen dieses Urteil hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt und im Wesentlichen wie folgt begründet:
Es lägen Milderungsgründe vor, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigten. Sein Fehlverhalten sei dadurch bemerkt worden, dass er einen Auszahlungsschein in Höhe von 44 500 DM an Frau B. nicht nur in die Kasse gelegt, sondern diesen auch gebucht habe. Ihm sei klar gewesen, dass die Auszahlung eines derartigen Betrages auf einem Konto, das keine ausreichende Deckung aufwies, zu Nachfragen führen musste. Er habe die Entdeckung seiner Tat geradezu provoziert. Hätte er eigennützig gehandelt, so stände ihm der Milderungsgrund der Offenbarung des Schadens zu. Zur Offenbarung genüge nach ständiger Rechtsprechung bereits die Einlegung eines ungedeckten Gehaltsschecks in die Kasse. Würde das Fehlverhalten bei einem eigennützigen Handeln lediglich zu einer Zurückstufung führen, könne dies bei dem von ihm gezeigten uneigennützigen Handeln nicht anders sein. Hinzu komme, dass das Verwaltungsgericht die Ursachen für sein Fehlverhalten in unzureichender Weise gewürdigt habe. Er habe mit hohem sozialem Engagement eine Kundenbindung an die Post betrieben. Er habe keinerlei wirtschaftliche Vorteile durch sein Verhalten gehabt. Sein Handeln sei lediglich dem Motiv entsprungen, die in seinen Augen hilfsbedürftige Frau B. zu unterstützen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat Erfolg und führt zur Einstellung des Disziplinarverfahrens.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01 – NVwZ 2002, 1515). Allerdings können auf so genannte Altfälle – wie hier – ausnahmsweise die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes Anwendung finden, soweit diese den beschuldigten Beamten materiellrechtlich besser stellen (Urteil vom 17. März 2004 – BVerwG 1 D 23.03 – BVerwGE 120, 218 ≪222≫ = Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 6 = NVwZ 2005, 96 zu § 14 BDG).
Das Rechtsmittel ist auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Beamte führt lediglich Gesichtspunkte an, die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein können. Der Senat ist deshalb an den festgestellten Sachverhalt und die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden und hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
Das Verwaltungsgericht hat das Fehlverhalten des Beamten zutreffend als Untreue zum Nachteil des Dienstherrn gewertet, die nicht regelmäßig die disziplinarische Höchstmaßnahme zur Folge hat, die Disziplinarmaßnahme vielmehr im Hinblick auf die denkbare Variationsbreite derartiger Verfehlungen nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu bemessen ist. Die Höchstmaßnahme kann allerdings dann verhängt werden, wenn die Veruntreuung von besonderen erschwerenden Umständen gekennzeichnet war, vor allem wenn der Beamte unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner dienstlichen Aufgaben und Möglichkeiten zur Erlangung persönlicher materieller Vorteile gehandelt oder dem Dienstherrn erheblichen Schaden zugefügt hat (Urteil vom 22. April 1997 – BVerwG 1 D 9.96 – mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Der Beamte hat nicht um eigener materieller Vorteile Willen, sondern aus Hilfsbereitschaft gegenüber der Frau B. und ihren vier Kindern gehandelt. Dieser ist es unter Ausnutzung der Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit des Beamten gelungen, ihn zu bewegen, an sie Gelder in beträchtlicher Höhe auszuzahlen, obwohl er wusste, dass das Konto der Frau B. nicht gedeckt war. Das Fehlen materiell-eigennütziger Motive führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig zu der Bewertung, dass hierdurch das Gewicht des Dienstvergehens gemindert wird (vgl. etwa Urteil vom 7. November 1995 – BVerwG 1 D 1.95 – DokBer B 1996, 91). In einem älteren Urteil vom 6. Dezember 1983 – BVerwG 1 D 5 und 6.83 – hat der Senat ein auf Dienstgradherabsetzung lautendes Urteil aufgrund des fehlenden Eigennutzes aufrechterhalten, obwohl die beiden betroffenen Kassenbeamten einen Fehlbetrag eines Kollegen in Höhe von 71 000 DM gedeckt hatten. Hierbei handelt es sich um einen Grenzfall. Vorliegend hat der Beamte in einem relativ kurzen Zeitraum von etwa sechs Monaten einen Gesamtschaden von 55 000 DM verursacht. Er hat zeitweise fast täglich 1 000 DM unter Umgehung des elektronischen Buchungssystems „Epos” an Frau B. ausgezahlt. Ein derartiges Verhalten führt auch beim Fehlen materiell-eigennütziger Motive grundsätzlich zur Verhängung der Höchstmaßnahme.
Von der grundsätzlich gebotenen Entfernung des Beamten aus dem Dienst hat der Senat abgesehen, weil dem Beamten der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung vor Entdeckung der Tat zugebilligt werden konnte. Durch das Einlegen und die Buchung des Auszahlungsscheines über 44 500 DM, der die Summe der zu diesem Zeitpunkt offenen Beträge umfasste, hat der Beamte nachprüfbar und unwiderruflich zu erkennen gegeben, dass und an wen er Geld in dieser Höhe ausgezahlt hat. Durch diesen Vorgang wurde das Fehlverhalten des Beamten und der Mittäterin B. aufgedeckt. Der Beamte hat auch, wie der Milderungsgrund voraussetzt, ohne Furcht vor konkreter Entdeckungsgefahr gehandelt. Zwar hat der Beamte im Vorermittlungsverfahren ausgesagt, er habe den Scheck über 44 500 DM gebucht, weil er Angst vor einer möglichen Kassenprüfung gehabt habe. Damit wird jedoch lediglich die Furcht vor allgemeiner, nicht konkreter Entdeckungsgefahr umschrieben. Denn der Beamte hat auch ausgesagt, es habe vor diesem Vorfall nie Kassenprüfungen gegeben, danach jedoch sehr viele. Hieraus ergibt sich, dass zum Tatzeitpunkt weder ein Prüfungstermin festgelegt war noch der Beamte mit einer unangemeldeten Prüfung rechnen musste. Dem Beamten ging es, wie er sich im Vorermittlungsverfahren ausdrückte, darum, „in einem lichten Moment” endlich einen „Schlussstrich zu ziehen”.
Entgegen der Auffassung des Vertreters der Einleitungsbehörde scheitert die Anwendung des Milderungsgrundes nicht daran, dass der Beamte zum „alsbaldigen” Ausgleich des Schadens, für den er neben der Mittäterin B. als Gesamtschuldner haftet, nicht in der Lage wäre. Die Voraussetzung der Fähigkeit zu alsbaldigem Ausgleich des Schadens hat der Senat im Urteil vom 6. September 1994 (– BVerwG 1 D 18.94 – ≪BVerwGE 103, 164≫) ausdrücklich aufgegeben. Bereits mit Urteil vom 28. Juni 1988 – BVerwG 1 D 99.87 – hat der Senat die Auffassung vertreten, dass mit dem Begriff der Fähigkeit zu alsbaldigem Schadensausgleich weder ein bestimmtes Zeitmaß umschrieben noch mit ihm eine Höchstdauer festgelegt werden sollte; es sollte lediglich nur ein Merkmal in zeitlicher Hinsicht fixiert werden, das die Möglichkeit zur Abgrenzung von Vermutungen und Erwartungen bietet, die letztlich ohne realen Hintergrund und deshalb zu vage sind. Wenn der Beamte wieder voll alimentiert wird, ist er trotz anderweitiger Schulden zum Schadensausgleich in der Lage. Zudem kann der Dienstherr gegenüber den nach § 96 Abs. 2 BDO nachzuzahlenden Beträgen die Aufrechnung nach § 84 Abs. 2 BBG erklären. Da nach unanfechtbarem Abschluss des Disziplinarverfahrens nunmehr feststeht, dass die einbehaltenen Beträge nicht verfallen, sondern nachzuzahlen sind, ist eine Aufrechnung nunmehr zulässig (Beschluss vom 28. Oktober 1982 – BVerwG 1 DB 27.82 – ≪BVerwGE 76, 22, 24≫).
Die Voraussetzungen, unter denen trotz Vorliegens eines für Zugriffsdelikte anerkannten Milderungsgrundes ausnahmsweise dennoch auf die disziplinare Höchstmaßnahme zu erkennen ist (vgl. Köhler/Ratz/Mayer, BDG, 3. Aufl. B II 10 Rn. 13 am Ende), liegen nicht vor. Dem Beamten können Begleitkriminalität oder eine besondere kriminelle Intensität oder Rücksichtslosigkeit nicht vorgeworfen werden. Der Häufigkeit der einzelnen Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum und dem hohen Schaden stehen gegenüber, dass der Beamte nicht aus materiellem Eigennutz gehandelt hat und er sich von der fordernden Fremdbestimmung durch die Sozialhilfeempfängerin wegen der deutlich zu Tage getretenen Ansätze einer Persönlichkeitsstörung, auch wenn diese die Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB nicht erfüllten, nur unter größtem Leidensdruck hat abgrenzen können.
Die danach an sich angemessene Zurückstufung des Beamten darf jedoch ebenfalls nicht ausgesprochen werden. In Fortführung der neueren Senatsrechtsprechung (Urteil vom 17. März 2004, a.a.O.), wonach das günstigere materielle Recht des Bundesdisziplinargesetzes auch für die nach der Bundesdisziplinarordnung zu Ende zu führenden Altfälle gilt, kommt § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift dürfen bei unanfechtbar verhängter Strafe wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten. In der Vorgängervorschrift des § 14 BDO war die Zurückstufung nicht enthalten. § 14 BDG stellt daher günstigeres materielles Recht dar und ist hier somit anzuwenden.
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung zu § 14 BDO ist eine zusätzliche Maßnahme nur nach individueller Prüfung des Einzelfalles beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig, wenn also konkrete Befürchtungen ersichtlich sind, der Beamte werde sich trotz der ihm wegen desselben Sachverhalts bereits auferlegten Kriminalstrafe erneut einer Dienstpflichtverletzung schuldig machen (BVerwGE 76, 43). Bei der Prüfung im Rahmen des § 14 BDO hat der Senat von einem Nachmessen oder Nachprüfen der Höhe oder Angemessenheit der strafgerichtlich verhängten Maßnahme Abstand genommen. Für die konkret-individuelle Prüfung, ob zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden muss, hat er die Bemessung der Strafe als unerheblich angesehen (Urteil vom 22. April 1997 – BVerwG 1 D 24.96 –). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung waren dem Gesetzgeber bei der Kodifizierung des BDG bekannt. Er hat sie in keiner Weise in Frage gestellt. Auch über die bisherige Bandbreite hinaus besteht kein Anlass, sie grundsätzlich aufzugeben und wesentlich andere Kriterien zu entwickeln. Der Gesetzgeber hat für das Bundesdisziplinargesetz im Gegensatz zur gleichzeitigen Novellierung des § 16 WDO in die Neuregelung des § 14 BDG die Zurückstufung bewusst einbezogen und damit den Gerichten eine wesentliche Möglichkeit zur Differenzierung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme genommen.
Ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn die zu verhängende Disziplinarmaßnahme und die Sanktion im Strafverfahren ihrer Art und Wirkung nach zueinander gänzlich außer Verhältnis stehen – etwa bei einer an sich gebotenen Zurückstufung einerseits und Auflagen und Weisungen, deren Erfüllung die endgültige Einstellung des sachgleichen Strafverfahrens gemäß § 153 a StPO nach sich zieht, andererseits –, kann hier offen bleiben. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Der Beamte ist im Strafverfahren zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Gegen eine ausnahmslose Einbeziehung der Zurückstufung bestehen zumindest erhebliche rechtspolitische, wenn nicht verfassungsrechtliche Bedenken. Die Erstreckung des Maßnahmeverbots auf die zweithöchste Disziplinarmaßnahme eröffnet im Hinblick auf die Gleichheit der Rechtsanwendung vielfältige Umgehungsmöglichkeiten. Dienstvorgesetzte könnten von ihrem Ermessen, Strafanzeige gegen die Beamten zu erstatten, Abstand nehmen, damit ein Fehlverhalten eines Beamten auch unterhalb der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis disziplinar angemessen gemaßregelt werden kann. Nach den Erfahrungen des Senats wird hiervon auch zunehmend Gebrauch gemacht. Andererseits könnte ein Beamter durch eine Selbstanzeige ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang setzen, das in Honorierung der Selbstanzeige oftmals sogar gemäß § 153 a StPO eingestellt werden mag, was, wenn man dem Willen des Gesetzgebers eine systematisch undifferenzierte Anwendung des Maßnahmeverbots über die gesamte Bandbreite der Regelung unterstellen wollte, ebenfalls eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 14 BDG nach sich ziehen würde. Bei nach Abschluss des rechtskräftigen Disziplinarverfahrens erstatteter Selbstanzeige könnte ein Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 BDG betrieben werden (vgl. zu allem Mayer, ZBR 2005, 80, 83). Verfassungsrechtlich bedenklich könnte die Neuregelung sein, weil nicht jedes disziplinare Fehlverhalten auch ein strafbares Verhalten darstellt und in diesen anderen Fällen von vornherein die Möglichkeit ausscheidet, anstelle einer Zurückstufung mit einem Strafbefehl und geringer Geldstrafe oder der Einstellung des Strafverfahrens unter Auferlegung einer Geldbuße davonzukommen. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher eine Anrechnung nur bei gleichartigen Maßnahmen für zulässig gehalten (also Anrechnung einer Geldstrafe auf die Gehaltskürzung, Anrechnung eines Arrests auf eine Freiheitsstrafe ≪BVerfGE 27, 180, 192 f., BVerfGE 21, 378, 391≫). Mit einer unterschiedslosen Einbeziehung der Zurückstufung als einer gegenüber der Geldstrafe oder Geldbuße ungleichartigen Maßnahme hätte der Gesetzgeber nicht mehr materielle Gerechtigkeit bewirkt, sondern die Rechtsanwendungsgleichheit gefährdet. Wollte man hingegen die vom Gesetzgeber nicht in Frage gestellte bisherige Rechtsprechungssystematik aufgeben, würde man in vielen Fällen die vom Gesetzgeber erkennbar angestrengte Milderungstendenz in ihr Gegenteil verkehren.
In Anwendung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze ergibt sich hier Folgendes: Konkrete Umstände für eine Wiederholungsgefahr hat der Senat in seiner Rechtsprechung in Einzelfällen daraus abgeleitet, dass ein Beamter einschlägig vorbelastet war. Hier verhielt es sich zwar so, dass der Beamte wegen Entnahme eines Betrages von 1 100 DM aus der von ihm geführten Schalterkasse gegen Hingabe eines ungedeckten Schecks durch Urteil des Bundesdisziplinargerichts vom 31. Oktober 1984 in das Amt eines Postassistenten versetzt wurde. Diese frühere Zurückstufung unterliegt jedoch gemäß § 85 Abs. 10 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG einem Verwertungsverbot. Aufgrund dieser Vorschrift darf eine Zurückstufung nach sieben Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden. Die Zurückstufung ist in der entsprechenden Regelung des § 119 Abs. 1 Satz 1 BDO nicht enthalten. Bei § 119 BDO und § 16 BDG handelt es sich um zugunsten der Beamten ergangene Schutzvorschriften, auf deren Vollzug sie verzichten können (Urteil vom 29. Juni 1999 – BVerwG 1 D 104.97 – BVerwGE 113, 361 ≪364≫ = Buchholz 232 § 55 BBG Nr. 12 = NJW 2000, 88). Einen derartigen Verzicht hat der Beamte nicht ausgesprochen, so dass das Verwertungsverbot greift. Maßgeblich ist auch hier die Vorschrift im neuen Recht. Die Regelung über das Verwertungsverbot ist materiellrechtlicher Natur. Diese Würdigung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur vergleichbaren Vorschrift des früheren § 49 Abs. 1 und jetzigen § 51 Abs. 1 BZRG, wonach es sich auch bei diesen Vorschriften um Regelungen des sachlichen Rechts handelt und die Neuregelung, die als milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 StGB (jetzt Abs. 3) auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen sei (BGH St 24, 378, 382). Das Verwertungsverbot bewirkt hier, dass die frühere Zurückstufung nicht als tilgungsreife einschlägige Vorbelastung und insbesondere nicht als konkreter Umstand für eine Wiederholungsgefahr herangezogen werden darf. Sie muss bei der historischen Persönlichkeitsbetrachtung (vgl. hierzu Weiß, GKÖD II 6, RZ 69, 70 zu § 14 BDG) außer Betracht bleiben.
Mangels Berücksichtigungsfähigkeit der einschlägigen Vorstrafe fehlt es an Gründen für eine konkrete Wiederholungsgefahr. Auch ein Bedürfnis nach individueller disziplinarer Einwirkung auf den Beamten (so genanntes „Erziehungsbedürfnis”), das nach der Senatsrechtsprechung ebenfalls die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarmaßnahme rechtfertigen kann, ist nicht ersichtlich. Der Beamte hat, nachdem er erkannt hat, dass die Mittäterin B. ihn ausgenutzt hat, mit der Buchung des Auszahlungsscheins über 44 500 DM einen Schlussstrich gezogen. Im Übrigen hat der Dienstherr des Beamten diesem noch am 17. November 2003 mitgeteilt, gegen seine persönliche und dienstliche Zuverlässigkeit im Sinne des Geldwäschegesetzes beständen keine Bedenken. Das Verfahren ist daher trotz des festgestellten Dienstvergehens gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1, § 76 Abs. 3 Satz 1, § 64 Abs. 1 Nr. 7 BDO einzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 f. BDO.
Unterschriften
Albers, Maye, Heitz
Fundstellen
BVerwGE 2006, 75 |
BVerwGE |
DÖV 2006, 750 |
PersV 2006, 115 |