Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlös. Erlösauskehr. Auskehr. Auskehranspruch. Auskehrungsanspruch. Erlösauskehranspruch. Erlösauskehrungsanspruch. Verfügungsbefugnis. Verfügung. Verfügungsbefugter. verfügende Stelle. Berechtigter Verkehrswert
Leitsatz (amtlich)
Der von dem nach § 8 Abs. 1 VZOG Verfügungsbefugten mit dem Erwerber des Vermögenswertes vereinbarte Kaufpreis ist nur dann als Erlös im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 VZOG an den Berechtigten auszukehren, wenn er der verfügenden Stelle tatsächlich zugeflossen ist.
Bemisst sich der Auskehranspruch nach dem Verkehrswert des Vermögensgegenstandes (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 VZOG), ist für dessen Höhe auf den Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes abzustellen.
Normenkette
VZOG § 8 Abs. 1, 4 S. 2, Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Urteil vom 06.09.2005; Aktenzeichen 5 A 875/04) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 6. September 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Klägerin macht einen Auskehranspruch nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG gegen die Beklagte geltend.
Die Beklagte hatte als Verfügungsbefugte im Sinne von § 8 Abs. 1 Buchst. a VZOG das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Juni 1991 an einen privaten Erwerber veräußert. Vereinbart wurde, dass der Kaufpreis in Höhe von 120 885,20 DM (= 61 807,62 €) innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis des Käufers von seiner Eintragung im Grundbuch bezahlt werden sollte. Außerdem war im Kaufvertrag geregelt, dass die Auflassung sofort erfolgen sollte; die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch wurde sofort bewilligt und beantragt. Der Erwerber wurde im November 1994 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück, das von einem Speditionsbetrieb gewerblich genutzt und auf dem unter anderem eine Tankeinrichtung betrieben wurde, wurde mit Grundpfandrechten in Höhe von rund 2,5 Mio € belastet.
Als der Erwerber den Kaufpreis nicht bezahlte, trat die Beklagte vom Kaufvertrag zurück und klagte auf Rückauflassung und Umschreibung des Grundstücks. Das Landgericht Stendal verurteilte den Erwerber rechtskräftig, das Grundstück lastenfrei an die Beklagte aufzulassen und ihre Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen.
Zuvor hatte der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Magdeburg das Grundstück mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Juni 2002 der Klägerin zugeordnet. Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Auskehr des Veräußerungserlöses aufgefordert hatte, erhob sie beim Verwaltungsgericht Magdeburg eine auf § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG gestützte Leistungsklage.
Mit Urteil vom 6. September 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 61 807,62 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2003 zu zahlen. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus: Die Voraussetzungen für einen Erlösauskehranspruch gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG lägen vor. Die Beklagte habe über das der Klägerin bestandskräftig zugeordnete Grundstück verfügt, das Eigentum sei auf den Erwerber übergegangen. Diese Verfügung entfalle nicht nachträglich dadurch, dass das Landgericht Stendal den Erwerber zur Rückübertragung verurteilt habe. Hierzu sei eine erneute Verfügung erforderlich; außerdem sei zweifelhaft, ob die Beklagte ihren Anspruch wegen der Wertlosigkeit und der möglichen Kontamination des Grundstücks überhaupt durchsetzen werde. Da nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG jedenfalls der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Verfügung auszukehren sei, komme es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Erlös geflossen sei. Auch bei einer unentgeltlichen Verfügung müsse der Verfügungsbefugte den wirtschaftlichen Schaden des Berechtigten ausgleichen. Dass das Grundstück mittlerweile hoch belastet und praktisch wertlos geworden sei, sei Folge der Verfügung der Beklagten und falle in ihren Risikobereich. Die Wahl eines falschen Käufers oder einer Vertragsgestaltung, mit der die Kaufpreiszahlung nicht sichergestellt werde, sei nicht anders zu behandeln als die Vereinbarung eines den Verkehrswert unterschreitenden Kaufpreises. Die Beklagte habe ermöglicht, dass der Erwerber schon vor der Kaufpreiszahlung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde, und sich damit auf einen überaus riskanten Vertrag eingelassen. Den daraus entstandenen Schaden könne sie nicht auf die Klägerin abwälzen. Die Beklagte könne ihre Auskehrungspflicht auch nicht dadurch abwenden, dass sie der Klägerin die Auflassung und Umschreibung des Grundstücks sowie die Abtretung ihrer Rechte aus den zivilgerichtlichen Urteilen anbiete. Aus der Formulierung “anstelle der Auskehrung des Erlöses” in § 8 Abs. 5 Satz 1 VZOG ergebe sich, dass das zur Verfügung gestellte Grundstück wertmäßig dem Erlösauskehranspruch entsprechen müsse. Hier habe das Grundstück offensichtlich keinen Wert mehr.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor: Ein Erlösauskehranspruch nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG scheide aus, wenn das Grundstück, über das verfügt worden sei, wieder in den Herrschaftsbereich des Verfügungsbefugten zurückfalle. Mit dem Urteil des Landgerichts Stendal habe sie alle Voraussetzungen für eine Rückübereignung des Grundstücks herbeigeführt und der Klägerin die Rückauflassung und Umschreibung des Grundstücks sowie die Abtretung der Rechte aus diesem Urteil angeboten. Damit habe sie sämtliche Verpflichtungen aus ihrer Befugnis zur Verfügung über das Grundstück erfüllt. Es sei unbillig, wenn sie alle mit der Grundstücksübertragung verbundenen Risiken tragen solle. Zur Beschleunigung von Investitionen sei eine Verfügung über das Grundstück erwünscht gewesen. Deshalb könne der Zuordnungsberechtigte nicht verlangen, so gestellt zu werden, als ob tatsächlich ein Erlös geflossen sei. Ein Erlös könne schon nach dem Wortlaut von § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG nur dann ausgekehrt werden, wenn ihn der Verfügende tatsächlich erhalten habe oder zumindest die Möglichkeit der Geltendmachung bestehe. Beides sei hier nicht der Fall. Zwar werde dem Zuordnungsberechtigten jedenfalls der Verkehrswert zuerkannt, doch sollten damit nur Veräußerungen zu einem Preis unter dem Verkehrswert verhindert werden. Der hier vorliegende Fall, dass der Erwerber wegen Zahlungsunfähigkeit einen über dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis nicht bezahle, werde nicht erfasst, da der daraus resultierende Schaden nicht auf ein Fehlverhalten des Veräußerers zurückzuführen sei. Außerdem sei der Verkauf des Grundstücks aufgrund einer Investitionsvorrangbescheinigung des Landratsamtes und damit nicht freiwillig erfolgt. Deshalb habe keine Pflicht bestanden, die Zahlungsfähigkeit des Käufers zu überprüfen. Auch nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts gehe das Zahlungsrisiko zu Lasten des Eigentümers. Einen Erlösauskehranspruch könne die Klägerin ebenso wenig darauf stützen, dass mittlerweile eine erhebliche Wertminderung des Grundstücks eingetreten sei. Es gelte der Grundsatz, dass Grundstücke so zurückzugeben seien, wie sie stehen und liegen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts ebenfalls für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Das angegriffene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht der Klägerin auf der Grundlage von § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG einen Auskehranspruch in Höhe des vereinbarten Kaufpreises zuerkannt hat. Ein Anspruch auf Auskehr eines “Erlöses” im Sinne dieser Regelung setzt voraus, dass die nach § 8 Abs. 1 VZOG verfügende Stelle den mit dem Grundstückserwerber vereinbarten Kaufpreis auch tatsächlich erhalten hat. Dies war hier nicht der Fall. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar beschränkt § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG den Auskehranspruch des Berechtigten nicht auf den Erlös, sondern gewährt ihm einen Anspruch mindestens in Höhe des Verkehrswertes des veräußerten Grundstücks. Doch kann der Verkehrswert nicht – wie im angefochtenen Urteil – ohne weiteres nach dem vereinbarten Kaufpreis bestimmt werden. Die Sache war daher an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des Verkehrswertes nachgeholt werden.
1. Die Klägerin kann den geltend gemachten Erlösauskehranspruch dem Grunde nach auf § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG stützen. Danach ist die nach Absatz 1 verfügende Stelle verpflichtet, den Erlös, mindestens aber den Wert des Vermögensgegenstandes dem aus einem unanfechtbaren Bescheid über die Zuordnung nach den §§ 1 und 2 hervorgegangenen Berechtigten auszukehren.
Mit Zuordnungsbescheid vom 6. Juni 2002 wurde bestandskräftig festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des von der Beklagten veräußerten Grundstücks ist. Sie ist damit Berechtigte im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG.
Zur Erlösauskehr verpflichtet ist die Beklagte. Ihr Rat der Stadt war im Grundbuch als Rechtsträger des dort als Eigentum des Volkes geführten Grundstücks eingetragen. Sie war danach gemäß § 8 Abs. 1 Buchst. a VZOG verfügungsbefugt. Sie hat das Grundstück wirksam an einen Dritten übereignet.
Der Auskehranspruch der Klägerin steht nicht deshalb in Frage, weil die Beklagte wegen der Nichtzahlung des Kaufpreises wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Der Rücktritt beseitigt weder die Übereignung noch das zugrunde liegende Kausalgeschäft und lässt damit die Verfügung unberührt. Das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten wird vielmehr lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt (§ 346 BGB), das durch Rückübereignung und damit durch eine erneute Verfügung zu erfüllen ist. Das kann den Auskehranspruch nicht mehr beseitigen, zumal die Rückübereignung im vorliegenden Fall bislang gar nicht erfolgt ist. Inwieweit der Auskehranspruch nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG ausgeschlossen ist, wenn – etwa infolge von Form- oder Vertretungsmängeln oder aufgrund einer Anfechtung – die Verfügung selbst von vornherein unwirksam gewesen ist oder mit Wirkung ex tunc unwirksam wurde, bedarf keiner Entscheidung.
Die Beklagte kann sich dem Auskehranspruch ebenso wenig dadurch entziehen, dass sie sich bereit erklärt hat, der Klägerin ihre Ansprüche aus den zivilgerichtlichen Urteilen abzutreten. Zwar wird der verfügenden Stelle in § 8 Abs. 5 Satz 1 VZOG eine Abwendungsbefugnis gegenüber dem Auskehranspruch des Berechtigten eingeräumt. Nach dieser Regelung kann die verfügende Stelle im Falle des Absatzes 4 Satz 2 anstelle der Auskehrung des Erlöses oder des Wertes das Eigentum an dem Grundstück, Grundstücksteil oder Gebäude oder an einem Ersatzgrundstück verschaffen.
Die Beklagte selbst ist jedoch bisher nicht Eigentümerin des veräußerten Grundstücks geworden, sie ist somit aus eigenem – dinglichen – Recht nicht zu einer Eigentumsverschaffung in der Lage. Auch mit der Abtretung der der Beklagten zivilgerichtlich zuerkannten Ansprüche gegen den Erwerber auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung als Eigentümer im Grundbuch erwirbt die Klägerin noch nicht das Eigentum am Grundstück. Hierzu bedarf es erst der Abgabe dieser Erklärungen durch den Erwerber und einer entsprechenden Änderung des Grundbuchs. Daher genügt das Angebot der Klägerin schon formal nicht dem Erfordernis der Eigentumsverschaffung, das Voraussetzung der Abwendungsbefugnis aus § 8 Abs. 5 Satz 1 VZOG ist.
2. Der der Klägerin dem Grunde nach zustehende Auskehranspruch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG ist der Höhe nach auf den Erlös aus der Verfügung, mindestens aber den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes gerichtet.
a) Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin den zwischen der Beklagten und dem Erwerber des Grundstücks vereinbarten Kaufpreis verlangen könne. Darin liegt nicht die Auskehr eines Erlöses im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 VZOG, da dieser Kaufpreis zwar vereinbart wurde, wegen der Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers aber nicht an die Beklagte geflossen ist. Hierauf kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an.
Der Begriff “Erlös” kennzeichnet im rechtlichen Sprachgebrauch, insbesondere dem des Bürgerlichen Gesetzbuches, das bei einer Veräußerung an die Stelle des Eigentums tretende Geldsurrogat (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2000 – III ZR 217/99 – BGHZ 144, 100 ≪113≫ m.w.N.). Auch im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG meint “Erlös” schon dem Wortlaut nach das, was aus einem Rechtsgeschäft erlöst worden ist, also das, was dem Vertragspartner als vereinbarte Gegenleistung tatsächlich zugeflossen ist. In dieselbe Richtung weist die Verwendung des Begriffes “auskehren” in § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG. “Ausgekehrt” werden kann nur etwas, was bei dem zur Auskehr Verpflichteten jedenfalls zunächst einmal vorhanden war.
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Norm. Einen Auskehranspruch enthielt das Vermögenszuordnungsgesetz schon in seiner ursprünglichen Fassung durch das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766). § 6 Abs. 4 VZOG in dieser ursprünglichen Fassung lautete wie folgt: “Die aufgrund der Verfügungsbefugnis nach Abs. 1 veräußerten Grundstücke und Gebäude sowie das Entgelt sind in einer Liste von den Innenministerien der Länder zu erfassen. Das Entgelt ist bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Zuordnung nach §§ 1 und 2 dieses Gesetzes auf ein Sonderkonto des jeweils zuständigen Innenministeriums einzuzahlen. Es ist danach dem in dem Bescheid festgestellten Berechtigten unverzüglich auszuzahlen.” Es liegt auf der Hand, dass ein “Entgelt” nur dann auf ein Konto “eingezahlt” und dann später wieder “ausgezahlt” werden kann, wenn es zuvor geflossen ist. Mit der späteren Änderung des Zahlungsweges durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) – Entfallen der Zwischeneinzahlung auf ein Konto des jeweiligen Innenministeriums und direkte Auskehr an die Berechtigten – sollte beim praktischen Vollzug der Regelung aufgetretenen Problemen Rechnung getragen werden (vgl. dazu Schmidt-Räntsch/Hiestand, in: RVI, § 8 VZOG Rn. 11). Es gibt keine Hinweise darauf, dass mit der Verwendung des Begriffes “Erlös” statt “Entgelt” in § 6 Abs. 4 Satz 2 VZOG in seiner späteren Fassung und dann in § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG eine inhaltliche Änderung in Bezug auf das Zahlungserfordernis verbunden sein sollte. In der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 4 VZOG i.d.F. von 1991 war ohnehin bereits der Begriff “Erlös” verwendet worden (vgl. BTDrucks 12/449 S. 18). Die spätere Anfügung von Absatz 5 an § 8 VZOG durch das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2182) bestätigt diese Auslegung. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die Verfügungsberechtigten nach Absatz 4 verpflichtet seien, eingezogene Erlöse dem wahren Berechtigten auszukehren (BTDrucks 12/5553 S. 168).
Diese Auslegung des Begriffes Erlös in § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG deckt sich mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 816 BGB. Nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Nichtberechtigte, der über einen Gegenstand eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erlangt im Sinne von § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Gegenwert, der dem Nichtberechtigten aufgrund des Rechtsgeschäfts, das seiner Verfügung zugrunde liegt, zugeflossen ist (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24. September 1996 – XI ZR 227/95 – NJW 1997, 190 m.w.N.).
b) § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG beschränkt den Auskehranspruch des Berechtigten nicht auf den Erlös, sondern gewährt ihm auch einen Anspruch mindestens in Höhe des Verkehrswertes. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hier aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). § 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 VZOG ist im vorliegenden Fall zwar anwendbar, es fehlt aber an Feststellungen zur Höhe des maßgeblichen Verkehrswertes.
aa) Zu Unrecht meint die Beklagte, sie sei zur Auskehr des Verkehrswertes nicht verpflichtet, da dies nur eine Sanktion für den Fall sei, dass der Verfügende seine Obliegenheit verletzt habe, als Gegenleistung mindestens den Verkehrswert zu verlangen. Das findet weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck von § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG eine Stütze. Wie bereits dargelegt, bezweckt die Vorschrift, dem Berechtigten einen wirtschaftlichen Ausgleich für die durch die Verfügung erlittene Vermögenseinbuße zu verschaffen. An einem solchen Surrogat fehlt es aber gleichermaßen, wenn ein den Verkehrswert unterschreitender Kaufpreis vereinbart, über einen Vermögensgegenstand unentgeltlich verfügt oder aber – wie hier – ein vereinbarter Kaufpreis nicht bezahlt wurde.
Es ist auch nicht unbillig, dass die Beklagte das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers zu tragen hat. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber mit der Verleihung der Verfügungsbefugnis nach § 8 Abs. 1 VZOG Investitionshemmnisse beseitigen wollte, die sich ergeben hätten, wenn vor einer Verfügung zunächst immer das Zuordnungsverfahren zu durchlaufen gewesen wäre. Den Verfügungsbefugten sollte ermöglicht werden, sofort eine Verkaufstätigkeit zu beginnen (vgl. BTDrucks 12/449 S. 18). Waren solche Verfügungen also grundsätzlich im Sinne des Gesetzgebers, ändert dies nichts daran, dass damit ein ausgleichsbedürftiger Eingriff in Vermögenswerte der Zuordnungs- bzw. Restitutionsberechtigten verbunden ist. Für die Risikoverteilung ist maßgeblich, dass der materiell Berechtigte – anders als der Verfügungsbefugte – weder einen Einfluss auf die Wahl des Vertragspartners noch auf die Gestaltung der Vertragsbedingungen hatte. Er hat diese Verfügung in den zeitlichen Grenzen von § 8 Abs. 3 VZOG hinzunehmen. Deshalb kann es nicht zu seinen Lasten gehen, wenn sich der Erwerber des Grundstücks als zahlungsunfähig erweist und der Verfügungsbefugte bei der Gestaltung des Kaufvertrages keine Vorsorge dafür getroffen hat, dass der Eigentumsübergang nur Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises stattfinden konnte. Die Beklagte hat sich hier auf eine außerordentlich risikobehaftete Vertragsgestaltung eingelassen, da sie der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch schon vor der Kaufpreiszahlung zugestimmt hat. Deshalb hat das Verwaltungsgericht das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers zu Recht der Sphäre der verfügenden Beklagten zugerechnet. Selbst wenn eine Investitionsvorrangbescheinigung des Landratsamtes Havelberg zugunsten des Erwerbers vorgelegen hat, konnte das die Beklagte nicht davon entbinden, durch eine geeignete Vertragsgestaltung sicherzustellen, dass der Kaufpreis vor dem Eintritt des Vermögensverlustes zu zahlen war.
bb) Das Verwaltungsgericht hat den zwischen der Beklagten und dem Erwerber des Grundstücks vereinbarten Kaufpreis für das Grundstück zu Unrecht ohne weiteres mit dem mindestens auszukehrenden Verkehrswert gleichgesetzt. Kaufpreis und Verkehrswert können, müssen aber nicht dieselbe Höhe aufweisen. Tatsächliche Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die die von ihm vorgenommene Gleichsetzung im konkreten Fall rechtfertigen könnten, fehlen. Auch die Beteiligten konnten nicht bestätigen, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts bei dem hier in Rede stehenden Grundstück zutrifft. Daher war die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit die fehlenden Feststellungen zum Verkehrswert des Grundstücks nachgeholt werden.
Für die Höhe des Verkehrswertes ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes, hier also des notariellen Kaufvertrages vom 19. Juni 1991, nicht aber der Zeitpunkt der Übereignung maßgeblich. Mit der dem Verfügungsbefugten in § 8 Abs. 1 VZOG eingeräumten Rechtsmacht sollten zur Förderung von Investitionen Verfügungen über der Vermögenszuordnung unterliegende Vermögenswerte auch schon vor Abschluss der jeweiligen Zuordnungs- bzw. Restitutionsverfahren ermöglicht werden. Eine solche Verfügung lag nach der Konzeption des Gesetzgebers im öffentlichen Interesse. Bei der Vereinbarung des Kaufpreises für solche Vermögenswerte konnte sich der Verfügungsbefugte jedoch – nicht anders als bei einer eigenen Verfügung der Berechtigte selbst – nur an den Verkehrswerten zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes orientieren. Dies spricht dafür, auch den dem Berechtigten in § 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 VZOG zuerkannten Mindestanspruch in Höhe des Verkehrswertes auf diesen Zeitpunkt zu beziehen. Dagegen würde eine Einbeziehung von späteren Verkehrswertsteigerungen dazu führen, dass den Verfügungsbefugten eine Nachschusspflicht träfe, die er aus eigenem Vermögen zu erbringen hätte, obgleich er bei der Verfügung nach der Vorstellung des Gesetzgebers vor allem im öffentlichen, nicht aber im unmittelbaren Eigeninteresse gehandelt hat. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund unbillig, dass der Verfügungsbefugte im umgekehrten Fall, also einer Verminderung des Verkehrswertes nach dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes, nicht entlastet würde. Er wäre – vorbehaltlich einer eventuellen Abwendungsbefugnis aus § 8 Abs. 5 Satz 1 VZOG – nämlich gleichwohl dem Anspruch des Berechtigten auf Auskehr des vereinbarten und auch geflossenen Erlöses ausgesetzt (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 VZOG), der im Normalfall am höheren Verkehrswert zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes ausgerichtet gewesen sein wird.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1612722 |
ZfIR 2006, 865 |