Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschluss- und Benutzungszwang. Klimaschutz. Verhältnismäßigkeit von Anschluss- und Benutzungszwang. Staatsziel Umweltschutz. Umweltschutz, Staatsziel. Kraft-Wärme-Kopplung. Wärme-Kraft-Kopplung. Geeignetheit einer Maßnahme
Leitsatz (amtlich)
Eine Maßnahme ist nur verhältnismäßig, wenn sie geeignet ist, den angestrebten Zweck zu fördern. Dass sie irgendein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel fördert, genügt nicht.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 20 Art. 20a, Art. 20 Art. 28 Abs. 2; VwGO § 43 Abs. 1; Gemeindeordnung Schleswig-Holstein § 17
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 21.08.2002; Aktenzeichen 2 L 30/00) |
VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.09.1999; Aktenzeichen 4 A 674/97) |
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. August 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
In Teilen des Stadtgebiets der Beklagten besteht eine Fernwärmeversorgung. 1977 erließ die Beklagte die “Satzung der Stadt Wahlstedt über die Wärmeversorgung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Fernwärmeversorgungsanlage (FWS).” Nach § 4 Abs. 1 FWS ist jeder Eigentümer verpflichtet, sein Grundstück an die Fernwärmeversorgungsanlagen anzuschließen, sobald es mit Gebäuden bebaut ist oder mit der Bebauung begonnen wird bzw. Wärmeverbrauchsanlagen betrieben werden sollen, und wenn das Grundstück durch eine Straße erschlossen ist, in der betriebsfertige Fernwärmeversorgungsleitungen vorhanden sind. Die Stadt gibt öffentlich bekannt, welche Straßen mit betriebsfertigen Fernwärmeversorgungsleitungen versehen sind. Mit Ablauf eines Monats nach dieser Bekanntmachung ist der Anschlusszwang begründet (§ 4 Abs. 2 FWS). § 6 FWS sieht eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang vor.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines aus mehreren Flurstücken bestehenden gewerblich genutzten Grundstücks an einem Straßenabschnitt, der in einer Bekanntmachung aus dem Jahre 1978 benannt ist. Auf dem der Straße zugewandten Grundstücksteil befindet sich ein Betriebsgebäude mit Produktionsanlagen, das an die Fernwärmeversorgungsanlage angeschlossen ist und auch weiterhin so beheizt werden soll.
1997 beantragte die Klägerin für ein im mittleren Teil des Grundstücks gelegenes älteres Bürogebäude, das bislang über das Betriebsgebäude an die Fernwärmeversorgung angeschlossen ist, eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Zur Begründung wurde ausgeführt, man wolle eine betriebseigene moderne Erdgas-Heizanlage errichten; damit könne – gegenüber der bisherigen Beheizung durch Fernwärme – erheblich zur Reduzierung von Energieverlusten beigetragen werden. Insbesondere die Beheizung der Büroräume erfolge in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September jeden Jahres auf sehr ungünstige Weise. Um die Räume in dieser Zeit mit Wärme zu versorgen, müsse das gesamte Leitungsnetz des Betriebes (ca. 190 m lang) unter Wärme gehalten werden, um sieben bis neun Warmwasser-Radiatoren in den Büros zu betreiben. Mit Bescheid der Stadtwerke – eines Eigenbetriebs der Beklagten – vom 20. August 1997 wurde der Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang abgelehnt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wiesen die Stadtwerke mit Bescheid vom 12. November 1997 zurück.
Daraufhin hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten und deren Widerspruchsbescheid aufzuheben sowie festzustellen, dass das auf dem Grundstück der Klägerin befindliche Bürogebäude einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung nicht unterliege. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids und des Widerspruchsbescheids zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zu erteilen. Zur Begründung hat sie vorrangig geltend gemacht, ein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe nicht. Es bestünden Zweifel, ob die Satzung den zu stellenden formellen Anforderungen genüge, wenigstens sei sie aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam. Zumindest habe die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.
Mit Urteil vom 27. September 1999 hat das Verwaltungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt:
Die Klage sei insgesamt zulässig. Das Interesse an der begehrten Feststellung folge bereits daraus, dass sich aus Sicht der Klägerin die Rechtslage hinsichtlich der Wirksamkeit der Anschlusssatzung als unklar darstelle, die Beklagte eine inhaltlich der Auffassung der Klägerin entgegenstehende Auffassung vertrete und die Klägerin mit Blick auf ihr weiteres wirtschaftliches Verhalten genötigt sei, Klarheit zu gewinnen. Die Klage sei aber unbegründet. Die Satzung sei formell und materiell rechtmäßig. Aufgrund der Satzung bestünde für das Grundstück der Klägerin ein Anschluss- und Benutzungszwang. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach Maßgabe der einschlägigen Satzungsbestimmungen.
Zum 1. Januar 2002 ist eine neue Fernwärmesatzung der Beklagten in Kraft getreten. Nach der Satzung betreibt die Beklagte “aufgrund ihrer Rolle als Industriestandort sowie als Schnittpunkt stark frequentierter Verkehrswege zur Einschränkung der Immissionen aus Feuerungsanlagen auf Grundstücken in der Stadt Fernwärmeversorgung”. Die Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang sowie die Befreiungsmöglichkeiten entsprechen inhaltlich denen der Satzung aus dem Jahre 1977.
Den Antrag der Klägerin auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Mai 2002 erneut ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 25. Juli 2002 zurück.
Den Bescheid vom 20. August 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1997 hat die Beklagte aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit im Berufungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt sowie das angefochtene Urteil für unwirksam erklärt.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das auf dem Grundstück der Klägerin D.…-Straße 22 in W.… befindliche Bürogebäude einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung nicht unterliegt,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zu erteilen,
äußerst hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Zur Begründung hat sie ihren erstinstanzlichen Vortrag vertieft.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren mit der Einbeziehung des Bescheids vom 28. Mai 2002 in das Verfahren einverstanden erklärt und das angefochtene Urteil verteidigt.
Mit Urteil vom 21. August 2002 hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht – soweit die Beteiligten den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten – die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Die Berufung sei zulässig.
Die nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Das auf dem Grundstück der Klägerin befindliche Bürogebäude unterliege einem Anschluss- und Benutzungszwang.
Dieser ergebe sich aus der zum 1. Januar 2002 in Kraft gesetzten Satzung der Stadt W.… über die Fernwärmeversorgung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Fernwärmeversorgungsanlage – Fernwärmesatzung (FWS).
Die Regelungen über den Anschluss- und Benutzungszwang in der Fernwärmesatzung seien rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den Erlass der Satzung sei § 17 Abs. 2 GO. Durch die Erweiterung des § 17 Abs. 2 GO um den Zweck des Schutzes der natürlichen Grundlagen des Lebens habe der Landesgesetzgeber die Gemeinden ermächtigt, bei der Schaffung öffentlicher Einrichtungen auch Ziele des Klimaschutzes zu verfolgen. Dementsprechend könne ein dringendes öffentliches Bedürfnis für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs auch dann angenommen werden, wenn die Fernwärmeversorgung nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistungen an anderer Stelle zu einer beachtlichen Verringerung des Schadstoffausstoßes führe. Deshalb komme es nicht darauf an, ob die Fernwärmeversorgung örtlich in nennenswertem Umfang zur Luftreinhaltung beitrage. Es genüge das Fehlen an Anhaltspunkten dafür, dass der Betrieb des Fernheizwerkes zu einer örtlichen Luftverschlechterung führe.
Für die rechtliche Beurteilung komme es nicht auf den von der Klägerin angestellten Vergleich der Fernwärmeversorgung ihres Gebäudes mit einer modernen Einzelfeuerungsanlage für dieses Gelände an. Die Rechtfertigung des Anschluss- und Benutzungszwangs ergäbe sich vielmehr im Hinblick auf mögliche Auswirkungen des Verzichts hierauf auf das gesamte Satzungsgebiet. Aufgrund der im Vergleich zu Einzelfeuerungsanlagen relativ hohen Kosten der Fernwärme könne unterstellt werden, dass ohne Anschluss- und Benutzungszwang ein erheblicher Teil der Grundstückseigentümer auf eine Einzelversorgung umstellen würde, so dass mangels Wirtschaftlichkeit die gesamte Einrichtung eingestellt werden müsste.
Die Hilfsanträge der Klägerin seien ebenfalls zulässig, aber nicht begründet. Hinsichtlich der Verpflichtungsklage sei die Einbeziehung des neuen Ablehnungsbescheides eine zulässige Klageänderung (§ 91 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen der beantragten Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich des Bürogeländes lägen aber nicht vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 1999 und des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. August 2002 aufzuheben und festzustellen, dass das auf dem Grundstück D.…-Straße 22 in W.… befindliche Bürogebäude einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung nicht unterliegt,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Mai 2002 und ihres Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung zu erteilen sowie die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. September 1999 und des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. August 2002 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 22. April 2004 hat die Beklagte eine neue Fernwärmesatzung vorgelegt. Laut § 14 der Satzung ist diese am 1. September 2002 in Kraft getreten. Gleichzeitig ist die Fernwärmesatzung vom 4. Februar 2002 außer Kraft getreten. Während nach der Satzung vom Februar 2002 die Beklagte Fernwärmeversorgungsanlagen in der Rechtsform eines Eigenbetriebs durchgeführt hatte, betreibt die Beklagte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der neuen Satzung zwar weiterhin Fernwärmeversorgung. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der neuen Satzung obliegt die Durchführung der Wärmeversorgung aber einem von der Stadt zu bestimmenden Wärmeversorgungsunternehmen. Aus einem – ebenfalls mit dem Schriftsatz vom 22. April 2004 vorgelegten – Betriebsführungsvertrag zwischen der Beklagten und der Schleswag Aktiengesellschaft vom 27. August 2002 ergibt sich, dass diese mit der Durchführung der Fernwärmeversorgung beauftragt worden ist.
Der Vertrag beginnt am 1. September 2002 und läuft bis zum 31. Dezember 2017. In § 6 Abs. 1 des Vertrags heißt es: “Sollten sich während der Vertragslaufzeit die wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Verhältnisse, durch welche die Vereinbarung dieses Betriebsführungsvertrages begründet sind, so wesentlich ändern, dass das Festhalten an diesem Betriebsführungsvertrag für einen Vertragspartner eine unbillige Härte bedeuten würde, kann dieser Vertragspartner eine entsprechende Anpassung dieses Betriebsführungsvertrages an die geänderten Verhältnisse verlangen. Eine Anpassung kann auch durch Änderung der Fernwärmesatzung einschließlich der Ergänzenden Bestimmungen und der weiteren Anlagen erfolgen.”
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. In Übereinstimmung mit der Bundesregierung hält er die Revision für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist – mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache – begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO). Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt dies daraus, dass sich aus der Sicht der Klägerin die Rechtslage als unklar darstellt, die Beklagte eine inhaltlich der Auffassung der Klägerin entgegenstehende Auffassung vertritt und die Klägerin mit Blick auf ihr weiteres wirtschaftliches Verhalten genötigt ist, bald Klarheit darüber zu gewinnen, ob ihr Bürogebäude einem Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärmeversorgung unterliegt. Dass die Beklagte eine neue, am 1. September 2002 – und damit erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht – in Kraft getretene Fernwärmesatzung erlassen und gleichzeitig die Fernwärmesatzung vom 4. Februar 2002 aufgehoben hat, ließ das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Die Bestimmungen über den Anschluss- und Benutzungszwang sowie die Befreiung davon in der alten und in der neuen Satzung stimmen wörtlich überein.
Unter Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht die Feststellungsklage für unbegründet gehalten. Es verkennt die Bedeutung des – aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG hergeleiteten – Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit:
Das Berufungsgericht kommt in Auslegung und Anwendung des – grundsätzlich irrevisiblen – Landesrechts zu dem Ergebnis, der Landesgesetzgeber habe durch § 17 Abs. 2 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein die Gemeinden ermächtigt, bei der Schaffung öffentlicher Einrichtungen auch Ziele des Klimaschutzes zu verfolgen und deshalb dürfe ein Anschluss- und Benutzungszwang auch angeordnet werden, wenn die Fernwärmeversorgung nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistung an anderer Stelle zu einer beachtlichen Verringerung des Schadstoffausstoßes führe.
Dies kann aber nur dann zur Verhältnismäßigkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich einer Fernwärmeversorgung führen, wenn der Klimaschutz Zweck des Zwangs ist. Denn eine – wie hier – in Freiheitsrechte von Bürgern eingreifende Maßnahme ist nur dann verhältnismäßig, wenn sie geeignet ist, den angestrebten Zweck zu fördern. Die Eignung der Maßnahme, irgendeinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck zu fördern, genügt nicht. Auch wenn dieser Zweck als Teil des in Art. 20a GG genannten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen Verfassungsrang hat, gilt nichts anderes.
Zweck der Fernwärmesatzung der Beklagten und des in ihr normierten Anschluss- und Benutzungszwangs ist aber nicht der Klimaschutz. Insoweit gilt für die Fernwärmesatzung vom 4. Februar 2002 und die Fernwärmesatzung vom 1. September 2002 das Gleiche. Nach beiden Satzungen betreibt die Beklagte “aufgrund ihrer Rolle als Industriestandort sowie als Schnittpunkt stark frequentierter Verkehrswege zur Einschränkung der Immissionen aus Feuerungsanlagen auf Grundstücken in der Stadt Fernwärmeversorgung”. Zweck ist demnach die Einschränkung von Immissionen auf Grundstücken im Stadtgebiet der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Formulierung “auf Grundstücken in der Stadt” auf die Immissionen und nicht auf die Feuerungsanlagen. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig, denn bezöge sich die Formulierung auf Feuerungsanlagen, hätte sie keinen vernünftigen Sinn. Eine gemeindliche Satzung kann von vornherein nur Regelungen für Anlagen, die auf Grundstücken in der Stadt liegen, treffen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, welcher Zweck in einer Vorlage der Verwaltung für den Stadtrat angegeben worden ist. Benennt der Satzungsgeber den Zweck der Satzung ausdrücklich in deren Text, ist nicht im Wege der Auslegung auf dem Satzungsgeber vorliegende von ihm aber nicht beschlossene Materialien zurückzugreifen.
Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Im Berufungsurteil wird ausdrücklich offen gelassen, ob durch die Fernwärmeversorgung die Immissionen im Gebiet der Beklagten vermindert werden und damit, ob die Satzung dem angestrebten Zweck dient. Auch ist die Klage nicht bereits aus anderen Gründen begründet. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Ziff. 2 VwGO).
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen
Haufe-Index 1177098 |
BauR 2005, 684 |
ZAP 2004, 978 |
DVP 2005, 434 |
NuR 2006, 736 |