1.1 Sicherungspflicht nur in besonderen Fällen
Bei der Gefahr von Dachschneelawinen kann im Einzelfall eine Verkehrssicherungspflicht des Hausbesitzers bestehen. Bester Schutz gegen Dachlawinen sind Schneefanggitter, gesetzlich vorgeschrieben sind diese aber nur in Gebieten, in denen erfahrungsgemäß viel Schnee fällt.
Allerdings ist es grundsätzlich Aufgabe eines jeden Passanten oder sonstigen Verkehrsteilnehmers selbst, sich und sein Eigentum durch Achtsamkeit vor den Gefahren vom Dach herabfallenden Schnees zu schützen. Daher hat der Hauseigentümer regelmäßig nicht die Pflicht, Dritte vor Dachlawinen durch spezielle Maßnahmen zu schützen. Allein die allgemeine Gefahr, dass von einem schneebedeckten Dach Lawinen abgehen können, reicht dafür nicht aus. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände verlangt die Rechtsprechung vom Hauseigentümer Sicherungsmaßnahmen.
Zu den entsprechenden Kriterien zählen:
- allgemeine Schneelage des Ortes,
- Beschaffenheit und Lage des Gebäudes,
- allgemein ortsübliche Sicherheitsvorkehrungen,
- konkrete Schnee- und Witterungslage,
- Art und Umfang des gefährdeten Verkehrs.
Ausnahmen
Nur in Ausnahmefällen sind die Voraussetzungen in nördlicheren Regionen Deutschlands erfüllt.
Erforderlichkeit von Sicherungsmaßnahmen
An einer Kirche in Wuppertal kam es an einem Januarabend zum Abgang einer Dachlawine. Das OLG Düsseldorf nahm wegen fehlender Sicherungsmaßnahmen eine Haftung der Gemeinde an, weil das Steildach
- mit 50° eine – bei Schneefall allgemein als kritisch angesehene – Neigung von über 45° hat;
- sich über eine Fläche von mehreren 100 Quadratmetern erstreckt;
- eine beachtliche Traufhöhe aufweist;
- mit glattem Schiefer bedeckt ist.
Zudem hatte sich eine Schneeschicht von mindestens 30 cm Höhe auf dem Dach gebildet.
In solchen Einzelfällen kann eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Hauseigentümers darin gesehen werden, dass dieser bei besonders gefährlichen Wetterlagen ortsübliche Maßnahmen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen (Abschlagen von Schnee und Eis, Räumen des Daches) nicht trifft. Dies soll selbst dann gelten, wenn Schneefanggitter bauordnungsrechtlich nicht vorgeschrieben oder nicht ortsüblich sind. Jedenfalls sei u. U. zu unterscheiden zwischen den zu öffentlichen Bereichen geneigten Dachflächen und solchen, die sich zu privaten Innenhöfen neigen.
Allerdings kann eine Mehrzahl besonderer Umstände (insbesondere länger andauernde ungewöhnliche Schneewetterlage am Niederrhein, steile Dachneigung des Hauses der Beklagten von 37°, Nachbarhaus mit steiler Dachneigung von 57° zum Haus der Beklagten, beginnende Tauwetterlage, Ausrichtung der Vorderseite des Hauses Richtung Süden) – auch ohne Verankerung in der städtischen Ortssatzung – jedenfalls in ihrer Gesamtheit ausnahmsweise Vorsichtsmaßnahmen seitens des Hauseigentümers gebieten. Dabei sind im Einzelfall auch mögliche "Kettenreaktionen" von Schneemassen benachbarter Dächer bzw. Dachteilflächen angemessen zu berücksichtigen.
1.2 Eigenverantwortung
Grundsätzlich sind Passanten oder Fahrzeugeigentümer im gebotenen eigenen Interesse selbst verpflichtet, sich bzw. ihr Fahrzeug vor der Gefahr der Verletzung oder Beschädigung durch herabfallenden Schnee zu schützen. Daher muss ein Hauseigentümer nur bei besonderen Umständen Schutzmaßnahmen gegen die durch herabfallenden Schnee (von seinem Hausdach) verursachte Gefahr treffen. Fehlt es an solchen Umständen, haftet er nicht für Schäden, die durch eine herabstürzende Dachlawine an fremden Fahrzeugen entstehen, die vor oder auf seinem Grundstück parken.
Wer sein Fahrzeug gerade an der Stelle parkt, an der es wegen des Dachüberhangs durch Schnee besonders gefährdet ist, trifft wegen der klar erkennbaren Gefahrenlage ein weit überwiegendes, haftungsausschließendes Mitverschulden.
1.3 Allgemeine Schneelage
Bezüglich der allgemeinen Schneelage ist zu unterscheiden zwischen schneearmen und schneereichen Lagen. Hierzu sind eigens Schneelastzonenkarten entwickelt worden.
Schneearme Gebiete
In schneearmen Gebieten sind die Anforderungen an etwaige Sicherungsmaßnahmen geringer. Insbesondere ist das Anbringen von Schneefanggittern nicht erforderlich.
Zu den schneearmen Gebieten zählen nach der Rechtsprechung beispielsweise
- Brandenburg,
- Bodenseeraum, Kraichgau, Ober-, Mittel- und Niederrhein, Schleswig-Holstein,
- Dortmund,
- Duisburg,
- Hagen,
- Hannover,
- Köln,
- Lausitzer Bergland.
- Oldenburg,
- Osnab...