2.1 Sicherungspflicht
Gegen das Herabfallen von Eiszapfen, die sich an der Dachrinne gebildet haben, sind sichere Vorkehrungen vielfach nicht möglich. Die Bildung von Eiszapfen erfolgt nur bei bestimmten Witterungslagen; ihr Herabfallen kann letztlich nur durch rechtzeitiges Entfernen (Abschlagen) verhindert werden. Eine entsprechende Verpflichtung besteht für den Verkehrssicherungspflichtigen nur, wenn geeignete Maßnahmen möglich und zumutbar sind.
Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. So soll der Eigentümer eines Anwesens in einer stark von Fußgängern frequentierten Zone in der Altstadt von Passau im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht gehalten sein, Vorkehrungen gegen die Eisbildung durch Anbringung einer Schutzvorrichtung zu treffen. Die Beseitigung der Gefahrenquelle ist dem Hauseigentümer auch zumutbar, da sie nur einen geringen wirtschaftlichen Aufwand erfordert.
Ebenso ist ein Eigentümer, der für den Gehwegabschnitt vor seinem Anwesen streupflichtig ist, verpflichtet, Eiszapfen an der Dachkante, von denen Wasser auf die Gehwegfläche heruntertropft, entweder vollständig zu beseitigen oder die negativen Folgen der Eiszapfenbildung bei Tauwetter durch vorbeugende Maßnahmen (etwa durch die Aufbringung von abstumpfenden Mitteln) zu unterbinden.
Andererseits soll es bei einem mehrgeschossigen Mehrfamilienhaus, bei dem sich an der Dachrinne hängende Eiszapfen auch nicht von den oberen Fenstern aus abschlagen lassen, dem Eigentümer in aller Regel nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand (und auch Risiko) möglich sein, die Eiszapfen zu beseitigen. Auch eine (teilweise) Absperrung des Bürgersteigs – die im Übrigen von der Gemeinde genehmigt werden müsste – werde in den meisten Fällen nicht durchführbar sein, weil sonst der Fußgängerverkehr zu sehr behindert würde.
2.2 Haftung nach § 836 BGB
Auch eine Haftung nach § 836 BGB wegen Ablösens von Gebäudeteilen kann in Betracht kommen.
Schaden durch herabstürzenden Eisblock
An einem Nachmittag im Februar löste sich vom Dach eines Hauses ein Eisblock und fiel auf den Pkw der Klägerin. Der Eisblock hatte sich während der Vortage in der Dachrinne gebildet, die sich unter dem Gewicht der Eis- und Schneemassen nach vorne bog und den Eisblock nicht mehr halten konnte.
Nach Ansicht des LG Flensburg haftet hier der Hausbesitzer gemäß § 836 BGB auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Gebäudeerhaltungspflicht: Eine Ablösung von Gebäudeteilen setzt voraus, dass die Verbindung des Bauteils von dem im Übrigen unversehrt bleibenden Gebäude aufgehoben wird. Die Dachrinne hatte sich zwar nicht aus der Verankerung gelöst, sondern sie war nur nach außen weggebogen, sodass sie das Eis nicht mehr zurückhalten konnte. Gleichwohl stelle dies schon ein Ablösen eines Bauteils i. S. v. § 836 BGB dar, weil es zu einer "physikalischen Veränderung des Bauteils" kam.