Eine weitere Grenze des Erlangungswunsches bildet der Missbrauch. Dieser liegt nicht schon dann vor, wenn dem Eigentümer eine oder mehrere andere frei gewordene Wohnungen zur Verfügung stehen. Auch in diesem Fall muss das Gericht bedenken, dass der Nutzungswunsch des Eigentümers grundsätzlich zu beachten ist. Trotz anderweitig frei gewordener oder frei werdender Wohnungen ist es daher nicht missbräuchlich, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für diesen Wunsch anführen kann.
Dieser Darlegungslast kann sich der Vermieter jedoch nicht allein dadurch entledigen, dass er die frei gewordene oder frei werdende Alternativwohnung sofort an einen Dritten vermietet und sodann die Unmöglichkeit ihrer Ingebrauchnahme geltend macht. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeszweck, sondern auch aus dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass sich nicht auf Eintritt oder Fortfall einer Tatsache berufen kann, wer diese treuwidrig herbeigeführt hat (vgl. § 162 BGB).
Wendet der Mieter ein, dem wegen Eigenbedarfs kündigenden Vermieter habe eine geeignete andere Wohnung zur Verfügung gestanden, verstößt es gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, wenn dieser Einwand allein mit der Begründung zurückgewiesen wird, die Alternativwohnung sei anderweitig vermietet worden.
Wurde z. B. der Entschluss des Vermieters (bzw. dessen Angehörigen), die Wohnung künftig selbst zu nutzen, bereits vor Wiedervermietung der frei gewordenen Alternativwohnung endgültig gefasst, kommt nach Auffassung des BGH ein Rechtsmissbrauch der Eigenbedarfskündigung in Betracht. Zwar ist bei der Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs seine Entscheidung, welche der ihm gehörenden Wohnungen er nutzen will, zu respektieren.
Trotzdem kann die Eigenbedarfskündigung ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein, wenn dem Vermieter eine vergleichbare andere Wohnung zur Verfügung steht, in der er seinen Wohnbedarf ohne wesentliche Abstriche befriedigen kann. Im Streitfall muss das Mietgericht daher auch der streitigen Frage nachgehen, ob der Nutzungsentschluss bereits vor Freiwerden der dann weitervermieteten Alternativwohnung endgültig gefasst war.
Bezug der Alternativwohnung durch Miteigentümer geplant
Allerdings kann Eigenbedarf auch trotz einer im Haus der gekündigten Wohnung leer stehenden Alternativwohnung bestehen, wenn diese zum Bezug durch einen anderen Miteigentümer vorgesehen ist und ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für das Festhalten des anderen Miteigentümers am Bezug gerade der gekündigten Wohnung gegeben ist.
Festhalten am Räumungsbegehren
Dementsprechend hat das Gericht zu prüfen, ob das Festhalten am ursprünglichen Räumungsbegehren vernünftig und nachvollziehbar und nicht rechtsmissbräuchlich ist.
Das Gericht muss sich mit den Belangen des Mieters angemessen auseinandersetzen und das Freiwerden einer Alternativwohnung in einer Weise berücksichtigen, welche auch den Belangen des Mieters Rechnung trägt.
Notwendige Änderung der Lebensplanung
Kommt es bei der Abwägung der Mieter- und Vermieterinteressen darauf an, ob die eine oder andere Partei ihre Lebensplanung ändern muss, kommt dem Vermieterinteresse der Vorrang zu.
Eine Rechtsfindung, die eine solche Auseinandersetzung vermissen lässt, ist nicht mehr angemessen und damit willkürlich. Fehlt es aber an konkretisierenden Einwänden des Mieters gegen den Eigennutzungswunsch des Vermieters, muss sich das Gericht nicht von sich aus mit dem Eigenbedarf auseinandersetzen.
Auf die "generelle Eignung" der frei gewordenen Wohnung darf jedoch nicht abgestellt werden, da dieser Maßstab verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Einzelfall ist entscheidend
Es kommt darauf an, ob die Räume im konkreten Einzelfall nach Größe, Lage und Zuschnitt geeignet sind, den Wohnbedarf ohne wesentliche Abstriche gegenüber der gekündigten Wohnung zu befriedigen.
Das Gericht darf seine eigenen Vorstellungen nicht an die Stelle derjenigen des Eigentümers setzen. Dementsprechend muss sich der Vermieter nicht auf eine Alternativwohnung verweisen lassen, wenn die gekündigte Wohnung erheblich größer ist.
Unzulässiger Verweis auf kleinere Wohnung
Ein jung verheiratetes Ehepaar, das in eine 74 qm große 3-Zimmer-Wohnung ziehen will, muss sich nicht auf eine deutlich kleinere 2-Zimmer-Wohnung verweisen lassen.
Dementsprechend hat das Gericht auch zu akzeptieren, wenn der Vermieter im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung und die Verwirklichung des Kinderwunsches eine 150 qm große 5-Zimmer-Wohnung beziehen will und die 100 qm große Alternativwohnung für zu klein hält.
Bei einer Dachgeschosswohnung, in der die vorhandene Wohnfläche durch Dachschrägen und Stützpfeiler beeinträchtigt und die Aufstellung der bisher eingelagerten Möbel des Vermieters nur eingeschränkt möglich ist, kommt es auf die vom Gericht zu prüfenden Umstände des Einzelfalls an, ob diese Wohnung als geeignete Alternativwohnung angesehen werden kann. Jedenfalls ist es dem Fachgericht...