1 Leitsatz

Eine einheitliche Rechtsverfolgung i. S. v. § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG kann u. a. im Hinblick auf mögliche Ansprüche der Wohnungseigentümer aus einer Bruchteilsgemeinschaft geboten sein.

2 Normenkette

§§ 741 ff., 1021 BGB; § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG

3 Das Problem

Zu einer Wohnungseigentumsanlage gehören Tiefgaragenstellplätze. Die Tiefgarage erstreckt sich auf ein weiteres Grundstück. Die Tiefgarage ist auf der Grundlage einer notariellen Urkunde aus dem Jahr 1995 errichtet worden. Dort bewilligten die Eigentümer der Grundstücke, auf der die Tiefgarage errichtet werden sollte, wechselseitige Grunddienstbarkeiten. Zu den Kosten der Unterhaltung der Tiefgarage ist festgehalten, dass diese von den Eigentümern der berechtigten Grundstücke und von dem Eigentümer des belasteten Grundstücks im Verhältnis der angeschlossenen Tiefgaragenplätze getragen werden. In der Tiefgarage treten irgendwann Abdichtungsprobleme auf. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K beauftragt daher ein Ingenieurbüro X mit einer "Sanierungskonzeption". Auf deren Grundlage lässt sie dann am gemeinschaftlichen Eigentum Erhaltungsarbeiten durchführen.

Mit einer Klage verlangt K von B später die Zahlung eines Betrages von 50.142,65 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Bei dem Hauptsachebetrag handelt es sich um anteilige Aufwendungen der K für Verwaltungs- und Erhaltungskosten. Nach einem Teilerfolg in 1. Instanz und wechselseitigen Berufungen wendet sich K mit der Revision dagegen, dass das OLG einen Zahlungsanspruch in Höhe von 45.000,21 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen hat. Beim BGH ist u. a. fraglich, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ansprüche überhaupt verfolgen kann.

4 Die Entscheidung

Der BGH bejaht diese Frage! K sei für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nach § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG prozessführungsbefugt. Denn die Vorschrift betreffe nicht nur die Aktivlegitimation (= aktivlegitimiert ist derjenige, der nach der materiell-rechtlichen Rechtslage Inhaber des eingeklagten Rechts ist), sondern auch die Prozessführungsbefugnis (Hinweis auf BGH, Urteil v. 15.7.2022, V ZR 127/21, Rn. 8). Eine einheitliche Rechtsverfolgung i. S. v. § 9a Abs. 2 Fall 2 sei sowohl im Hinblick auf mögliche Ansprüche der Wohnungseigentümer aus einer Bruchteilsgemeinschaft als auch im Hinblick auf weitere Ansprüche geboten, die sich aus den in der Urkunde aus dem Jahr 1995 getroffenen Vereinbarungen ergeben können.

5 Hinweis

Problemüberblick

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt nach § 9a Abs. 2 WEG die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.

Im Fall geht es nicht um die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte oder Pflichten, sondern um die Beziehung der Wohnungseigentümer zu einem Grundstücksnachbarn. Nach der Grundschuld ist jeder Wohnungseigentümer, nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, in Bezug auf das Nachbargrundstück berechtigt. Es ist daher zu fragen, ob diese Berechtigung eine Berechtigung ist, die eine "eine einheitliche Rechtsverfolgung" i. S. d. § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG erfordert.

Einheitliche Rechtsverfolgung

Eine "einheitliche Rechtsverfolgung" ist i. S. d. § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG "erforderlich", wenn schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Wohnungseigentümers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen. Hierbei ist eine wertende Betrachtung geboten.

Diese Wertung nimmt der BGH leider nicht vor. Er behauptet die Erforderlichkeit schlicht. Im Ergebnis ist ihm aber zuzustimmen. Denn es spricht sowohl aus Sicht der Wohnungseigentümer als aus der Grundschuld Berechtigten, als auch aus Sicht des Nachbarn als aus der Grundschuld Verpflichteten, alles dafür, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Rechte (und Pflichten) der Wohnungseigentümer in ihrer Hand materiell und prozessual bündelt.

Ausgleichsanspruch

Für die Lösung des Falles kann offenbleiben, ob die Wohnungseigentümer und B Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft sind und ein Ausgleichsanspruch gem. §§ 748, 744 Abs. 2 BGB besteht. Die Wohnungseigentümer und damit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haben gegen B jedenfalls einen Anspruch aus §§ 1108 Abs. 1, 1021 Abs. 2 BGB. In der Urkunde aus dem Jahr 1995 hatten sich die (damaligen) Eigentümer der Grundstücke, auf der die Tiefgarage als Anlage i. S. d. § 1021 Abs. 1 BGB errichtet worden ist, wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt. Nach dem Vertrag sind die Kosten der Unterhaltung der Tiefgarage im Verhältnis der angeschlossenen Tiefgaragenplätze zu tragen.

Weiteres Vorgehen

Das OLG hat nach BGH-Ansicht jetzt Feststellungen zu treffen, ob es sich bei den von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemachten Kosten um solche handele, die für eine o...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge