Milieuschutzgebiete sollen verhindern, dass Altmieter aus Boom-Vierteln verdrängt werden. Die Berliner Wohnungswirtschaft sieht in den Einschränkungen für Vermieter in Gebieten mit sozialen Erhaltungsverordnungen – bekannt als Milieuschutzgebiete – zunehmend ein Investitionshindernis. Nötige Modernisierungen oder energetische Maßnahmen würden von den zuständigen Behörden in den Bezirken oftmals nicht oder teils erst nach sehr langen Verfahren genehmigt, sagte Maren Kern, Vorständin des BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, der Deutschen Presse-Agentur.
Modernisierung: Wärmedämmung als Luxus
"Der Milieuschutz dient dem Schutz der Mieterschaft vor Verdrängung und soll Luxussanierungen verhindern, das ist ein richtiger und wichtiger Ansatz", so Kern. "Aber Modernisierungen sollten nicht immer als Synonym für goldene Wasserhähne gesehen werden." Modernisierungen seien nötig, um die Gebäude zu erhalten, gesetzliche Vorgaben zum Klimaschutz zu erfüllen und für zeitgemäße Wohnbedingungen oder generationengerechtes Wohnen zu sorgen.
"Unsere Unternehmen haben da aber wirklich ein Riesenproblem", schilderte Kern. So würden etwa der Einbau eines Fahrstuhls, der Anbau eines Balkons, der von Mietern gewünscht werde, oder leichte Veränderungen am Grundriss einer Wohnung nicht genehmigt. Als weitere Beispiele nannte sie ein wandhängendes WC im Bad oder beheizbare Handtuchhalter. "Das wird alles als eine Luxusmodernisierung angesehen."
Selbst energetische Maßnahmen wie Wärmedämmung, die wichtig und sinnvoll seien, würden nicht gestattet. "Noch nicht einmal dann, wenn die Wohnungsunternehmen nachweisen, dass sie bei diesen Punkten auf eine Mieterhöhung verzichten", beklagte Kern. Auch Projekte zur Nutzung von Abwasser für die Toilettenspülung, die der Einsparung wertvoller Ressourcen dienten, würden abgelehnt.
Wohnungswirtschaft: Vorgaben überprüfen!
"Wir haben da wirklich eine extreme Investitionsbremse", fügte Kern hinzu. Das treffe gerade Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsgesellschaften, die für niedrige Mieten und eine "sehr soziale Herangehensweise" bekannt seien.
Sie verwies darauf, dass der Berliner Senat im Jahr 2024 eine aus ihrer Sicht sehr restriktive Verordnung mit einheitlichen Kriterien für den Umgang mit Investitionsmaßnahmen in Milieuschutzgebieten beschlossen habe. Man sei im Gespräch mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. "Weil wir glauben, dass das unbedingt noch mal auf den Prüfstand gestellt werden muss", so die BBU-Vorständin.
In Berlin gibt es laut BBU und Berliner Mieterverein derzeit 81 Milieuschutzgebiete. Dort lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung in rund 680.000 Wohnungen. Ziel ist, die Sozialstruktur zu erhalten und Mieter vor starken Mietsprüngen und Verdrängung zu schützen. Zahlreiche bauliche Maßnahmen zur Sanierung, deren Kosten auf die Miete umgelegt werden können, sind dort in der Regel verboten. Das betrifft auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Bei Wohnungsverkäufen haben die Bezirke ein Vorkaufsrecht. Es gelten Ausnahmetatbestände.
Kritik an Milieuschutz-Regeln auch in Hamburg
Der Hamburger Senat hatte am 6.2.2025 eine positive Bilanz der Wirkungen der sozialen Erhaltungsverordnungen vorgelegt. Dazu erklärte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), dass die sozialen Vermieter in den vergangenen Jahren eine Reihe von Bauprojekten umgesetzt hätten, mit denen auch in besonders nachgefragten Quartieren wie der Hafencity bezahlbarer Wohnraum geschaffen wurde, kritisch sehe er jedoch, dass in den Milieuschutzgebieten inzwischen die Modernisierung von Bestandswohnungen erheblich behindert seien.
"Deshalb ist es notwendig, die Regelungen zu modernisieren und den aktuellen Herausforderungen anzupassen", so Breitner. Besonders ärgerlich findet er es, wenn bestehende Vorschriften moderne technische Lösungen verhindern, die Mietern zugutekommen. So seien etwa Video-Gegensprechanlagen in der Regel nicht erlaubt, obwohl sie aus Sicherheitsgründen von Mietern gefordert werden. In anderen Fällen gab es große Probleme, weil Balkone etwas vergrößert werden sollten. Das wurde mit Verweis auf die Erhaltensverordnung untersagt.
Studie zieht Milieuschutz-Gutachten in Zweifel
Um eine soziale Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB erlassen zu dürfen, wird in der Regel ein Gutachten vorausgesetzt, das Stadtgebieten "bescheinigt", dass sie von Gentrifizierung besonders betroffen sind. Das ist alleine schon deshalb ratsam, da diese Mieterschutzverordnungen massiv in die Grundrechte von Wohnungs- und Hauseigentümern eingreifen und Angriffsfläche für Klagen bieten kann.
Ob ein Quartier dafür taugt, wird mit sog. Grobscreenings entschieden. Das Forschungsinstitut Empirica hat im Jahr 2020 im Auftrag des Vereins zur Förderung von Wohneigentum in Berlin (VWB) 51 Milieuschutz-Gutachten aus Berlin und Hamburg analysiert und kommt zu dem Schluss, dass die Grobscreenings oder Plausibilitätsprüfungen – nicht alle sind öffentlich – gravierende ...