Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Dienstleistungsverkehr. Glücksspiel. Glücksspielmonopol in einem Mitgliedstaat. Nationale Regelung, die den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorherige verwaltungsbehördliche Bewilligung untersagt
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99
Beteiligte
Tenor
Es obliegt dem vorlegenden Gericht, anhand der vom Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), gegebenen Hinweise zu bestimmen, ob eine glücksspielrechtliche innerstaatliche Monopolregelung, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, als kohärent im Hinblick auf die Art. 56 ff. AEUV anzusehen ist, wenn in einem nationalen Gerichtsverfahren festgestellt wurde, dass
- Spielsucht kein einen staatlichen Handlungsbedarf begründendes gesellschaftliches Problem darstellt,
- verbotenes Glücksspiel nur eine Verwaltungsübertretung und keine gerichtlich strafbare Handlung bildet,
- die Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel jährlich mehr als 500 Mio. Euro, d. h. 0,4 % des Jahresbudgets betragen und
- die Werbemaßnahmen der Konzessionäre maßgeblich auch darauf abzielen, bisher Unbeteiligte zum Glücksspiel zu animieren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 7. Februar 2017, beim Gerichtshof eingelangt am 14. Februar 2017, in den Verfahren
Gmalieva s. r. o.,
Celik KG,
PBW GmbH,
Antoaneta Claudia Gruber,
PlayForMe GmbH,
Haydar Demir,
belangte Behörde:
Landespolizeidirektion Oberösterreich,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richter D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Gmalieva s. r. o., der Celik KG, der PBW GmbH, von A. Gruber, der PlayForMe GmbH und von H. Demir, vertreten durch Rechtsanwalt F. Maschke,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und R. Verbeke, avocats,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Verfahren, die von der Gmalieva s. r. o., der Celik KG, der PBW GmbH, Antoaneta Claudia Gruber, der PlayForMe GmbH sowie Haydar Demir als Betreiber von Glücksspielautomatenstätten wegen über sie verhängter Verwaltungsstrafen angestrengt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
§ 52 Abs. 1 des (österreichischen) Glücksspielgesetzes vom 28. November 1989 (BGBl. 620/1989) sah in seiner zum Zeitpunkt des Sachverhalts der Ausgangsverfahren geltenden Fassung (im Folgenden: GSpG) vor:
„Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro … zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen … veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer … daran beteiligt;
…”
Rz. 4
§ 53 Abs. 1 GSpG über Beschlagnahmen bestimmt:
„Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn
1. der Verdacht besteht, dass
a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder
…
2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder
…”
Rz. 5
§ 54 GSpG „Einziehung”) lautet wie folgt:
„(1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.
…
(3) Eingezogene Gegenstände sind nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 6
Dem Vorlagebeschluss lässt sich entnehmen, dass von Bediensteten der (österreichischen) Finanzpolizei in verschiedenen von den B...