Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Muster und Modelle. Sogenannte ‚Reparaturklausel’. Benutzung einer Marke durch einen Dritten, ohne Zustimmung des Inhabers, für Kraftfahrzeugersatzteile und -zubehör, die mit den Waren identisch sind, für die die Marke eingetragen ist
Normenkette
Richtlinie 98/71/EG Art. 14; Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 110
Beteiligte
Tenor
Art. 14 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen und Art. 110 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind dahin auszulegen, dass sie nicht in Abweichung von den Bestimmungen der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke einen Hersteller von Kraftfahrzeugersatzteilen und -zubehör wie Radkappen berechtigen, auf seinen Waren ein Zeichen, das mit einer von einem Kraftfahrzeughersteller u. a. für solche Waren eingetragenen Marke identisch ist, ohne dessen Zustimmung mit der Begründung anzubringen, dass die damit vorgenommene Benutzung dieser Marke die einzige Möglichkeit darstelle, das betreffende Fahrzeug zu reparieren und ihm als komplexes Erzeugnis wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Torino (Italien) mit Entscheidung vom 21. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 2014, in dem Verfahren
Ford Motor Company
gegen
Wheeltrims srl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. IleŠič (Berichterstatter), des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ford Motor Company, vertreten durch A. Camusso, avvocato,
- der Wheeltrims srl, vertreten durch D. Rizzo, avvocato,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. L 289, S. 28) und Art. 110 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ford Motor Company (im Folgenden: Ford) und der Wheeltrims srl (im Folgenden: Wheeltrims) über die Vermarktung von Kraftfahrzeugradkappen durch Wheeltrims, auf denen sich ein Zeichen befand, das mit der von Ford u. a. für solche Waren eingetragenen Marke identisch ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Regelung über Muster und Modelle
Rz. 3
Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 98/71 lautet:
„Diese Richtlinie schließt nicht aus, dass auf die Muster Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft Anwendung finden, die einen anderen Schutz als den durch die Eintragung oder Bekanntmachung des Musters erworbenen Schutz gewähren, wie die Vorschriften über nicht eingetragene Rechte an Mustern, Marken, Patenten und Gebrauchsmustern, unlauteren Wettbewerb oder zivilrechtliche Haftung.”
Rz. 4
Art. 2 („Anwendungsbereich”) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie gilt für:
- die bei den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz der Mitgliedstaaten eingetragenen Rechte an Mustern;
- die beim Benelux-Musteramt eingetragenen Rechte an Mustern;
- die mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international eingetragenen Rechte an Mustern;
- die Anmeldungen der unter den Buchstaben a), b) und c) genannten Rechte an Mustern.
(2) Im Sinne dieser Richtlinie schließt die Eintragung eines Musters auch die an die Hinterlegung anschließende Bekanntmachung eines Musters durch ein Amt für den gewerblichen Rechtsschutz eines Mitgliedstaats ein, in dem durch eine solche Bekanntmachung ein Recht an einem Muster begründet wird.”
Rz. 5
Art. 14 dieser Richtlinie („Übergangsbestimmungen”) sieht vor:
„Solange nicht auf Vorschlag der [Europäischen] Kommission gemäß Artikel 18 Änderungen dieser Richtlinie angenommen worden sind, behalten die Mitgliedstaaten ihre bestehenden Rechtsvorschriften über die Benutzung des Musters eines Bauelements zur Reparatur eines komplexen Erzeugnisses im Hinblick auf die Wiederhe...