Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Juristische Personen mit Gewinnerzielungsabsicht. Prozesskostenhilfe. Kein Zusammenhang mit dem Unionsrecht. Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs
Beteiligte
Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio |
Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio Lda |
Instituto da Seguranç;a Social IP |
Tenor
Der Gerichtshof ist für die Beantwortung der von der 5a Vara Cível de Lisboa (Portugal) mit Entscheidung vom 13. März 2013 (Rechtssache C-258/13) vorgelegten Fragen offensichtlich unzuständig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der 5a Vara Cível de Lisboa (Portugal) mit Entscheidung vom 13. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2013, in dem Verfahren
Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio Lda
gegen
Instituto da Segurança Social IP
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), Vizepräsident des Gerichtshofs, J. L. da Cruz Vilaça, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio Lda (im Folgenden: Sociedade Agrícola) und dem Instituto da Segurança Social IP (im Folgenden: Instituto) wegen dessen Weigerung, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/8/EG
Rz. 3
Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. L 26, S. 41, berichtigt im ABl. L 32, S. 15) lautet:
„Diese Richtlinie zielt darauf ab, die Anwendung der Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug für Personen zu fördern, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. Das allgemein anerkannte Recht auf Zugang zu den Gerichten wird auch in Artikel 47 der Charta … bestätigt.”
Rz. 4
Der persönliche Anwendungsbereich des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe ist in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/8 wie folgt definiert:
„An einer Streitsache im Sinne dieser Richtlinie beteiligte natürliche Personen haben Anspruch auf eine angemessene Prozesskostenhilfe, damit ihr effektiver Zugang zum Recht nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleistet ist.”
Portugiesisches Recht
Rz. 5
Das Gesetz Nr. 34/2004 vom 29. Juli 2004 in der Fassung des Gesetzes Nr. 47/2007 vom 28. August 2007 (im Folgenden: Gesetz Nr. 34/2004) regelt den Zugang zum Recht sowie zu den Gerichten und setzt auch die Richtlinie 2003/8 in die portugiesische Rechtsordnung um.
Rz. 6
Art. 7 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 34/2004 bestimmt:
„Juristische Personen mit Gewinnerzielungsabsicht und Einpersonenunternehmen mit beschränkter Haftung haben keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.”
Rz. 7
Die portugiesische Regelung befreit jedoch juristische Personen mit Gewinnerzielungsabsicht und Einpersonenunternehmen mit beschränkter Haftung, die zahlungsunfähig sind oder über deren Vermögen ein Konkursverfahren eröffnet wurde, von der Zahlung der Gebühren und Kosten bei Gerichtsverfahren.
Vorabentscheidungsersuchen und Vorlagefragen
Rz. 8
Die in Lissabon (Portugal) niedergelassene Sociedade Agrícola ist eine juristische Person mit Gewinnerzielungsabsicht.
Rz. 9
Am 15. Januar 2013 beantragte sie beim Instituto, der zuständigen Verwaltungsbehörde, die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Form einer Befreiung von Gerichtsgebühren und sonstigen Kosten im Zusammenhang mit dem Verfahren sowie die Bestellung und Bezahlung eines Rechtsanwalts und erklärte, ein Gerichtsverfahren mit einem Streitwert von 52 500 Euro einleiten zu wollen.
Rz. 10
Das Instituto entschied jedoch, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe offensichtlich unzulässig sei, da juristische Personen mit Gewinnerzielungsabsicht nach Art. 7 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 34/2004 kein Recht auf Prozesskostenhilfe hätten.
Rz. 11
Die Sociedade Agrícola erhob eine Klage gegen diese Entscheidung des Instituto bei der 5a Vara Cível de Lisboa und beantragte, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu richten, damit sich dieser zur Auslegung des Art. 47 der Charta äußere.
Rz. 12
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist das Urteil des Gerichtshofs vom 22. De...