Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Richtlinie 92/85/EWG. Schutz der Sicherheit und Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Art. 5 Abs. 2 und Art. 11 Nr. 1. Umsetzung einer Arbeitnehmerin während ihrer Schwangerschaft auf einen anderen Arbeitsplatz. Umsetzung, die wegen einer Gefahr für ihre Sicherheit oder Gesundheit und die ihres Kindes vorgeschrieben ist. Niedrigeres Arbeitsentgelt als das Durchschnittsentgelt vor dieser Umsetzung. Früheres Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundentgelt und verschiedenen Zulagen zusammensetzte. Berechnung des Gehalts, auf das die schwangere Arbeitnehmerin während ihrer vorübergehenden Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz Anspruch hat
Beteiligte
Tenor
Art. 11 Nr. 1 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist dahin auszulegen, dass eine schwangere Arbeitnehmerin, der nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 92/85 wegen ihrer Schwangerschaft vorübergehend ein Arbeitsplatz zugewiesen wurde, auf dem sie andere Tätigkeiten ausübt als diejenigen, die sie vor dieser Zuweisung ausgeübt hat, keinen Anspruch auf das Entgelt hat, das sie vor dieser Zuweisung durchschnittlich erhalten hat. Über ihr Grundgehalt hinaus hat eine solche Arbeitnehmerin gemäß Art. 11 Nr. 1 Anspruch auf die Entgeltbestandteile oder Zulagen, die an ihre berufliche Stellung anknüpfen, wie etwa die Zulagen, die an ihre leitende Position, die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und an ihre beruflichen Qualifikationen anknüpfen. Zwar steht Art. 11 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 der Anwendung einer Methode, die auf der durchschnittlichen Höhe der an die Arbeitsbedingungen anknüpfenden Zulagen des gesamten Kabinenpersonals derselben Entgeltklasse während eines bestimmten Referenzzeitraums beruht, bei der Berechnung des Entgelts, das einer solchen Arbeitnehmerin zu zahlen ist, nicht entgegen, die fehlende Berücksichtigung der genannten Entgeltbestandteile oder der genannten Zulagen ist jedoch als Verstoß gegen diese Bestimmung anzusehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Helsingin käräjäoikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 30. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2008, in dem Verfahren
Sanna Maria Parviainen
gegen
Finnair Oyj
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer, J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Parviainen, vertreten durch M. Penttinen, asianajaja,
- der Finnair Oyj, vertreten durch P. Verronen und A. Kujala, varatuomarit,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek, M. Huttunen und P. Aalto als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Dezember 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 11 Nr. 1 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Parviainen, die bei der Fluggesellschaft Finnair Oyj (im Folgenden: Finnair) als Kabinenchefin angestellt ist, und Finnair über das Arbeitsentgelt, das Frau Parviainen erhalten hat, nachdem ihr für die Dauer ihrer Schwangerschaft vorübergehend eine Tätigkeit am Boden zugewiesen worden war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 9 und 16 der Richtlinie 92/85 lauten:
„Der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen darf Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen; er darf ferner nicht die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beeinträchtigen.
…
Die arbeitsorganisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerinnen, der Wöchnerinnen ...