Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, für eine Insolvenzklage gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in einem Drittstaat. Klage gegen den Geschäftsführer einer Gesellschaft auf Ersatz von Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden
Beteiligte
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, nach dieser Bestimmung für die Entscheidung über eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zuständig sind, die der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer auf Rückzahlung von Beträgen erhebt, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden.
2. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, für die Entscheidung über eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zuständig sind, die der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer auf Rückzahlung von Beträgen erhebt, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz nicht in einem anderen Mitgliedstaat hat, sondern wie im Ausgangsverfahren in einem Vertragsstaat des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, dessen Abschluss im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Darmstadt (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2013, in dem Verfahren
H, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G.T. GmbH,
gegen
H. K.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, des Richters E. Levits und der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von H, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G.T. GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt U. Hassinger,
- der Schweizer Regierung, vertreten durch M. Jametti als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 5 Nrn. 1 Buchst. a und b und 3 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, dessen Abschluss im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 (ABl. 2009, L 147, S. 5) genehmigt wurde (im Folgenden: Lugano-II-Übereinkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen H, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G.T. GmbH (im Folgenden: G.T.), und H. K. wegen einer Klage auf Ersatz von Zahlungen, die Letzterer als Geschäftsführer von G.T. nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet haben soll.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Rz. 3
Art. 1 („Anwendungsbereich”) des Lugano-II-Übereinkommens sieht vor:
„(1) Dieses Übereinkommen ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt …
(2) Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf:
…
b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;
…”
Rz. 4
Art. 5 („Besondere Zuständigkeiten”) des Übereinkommens bestimmt:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) im Sinne dieser Vorschrift...