Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten. ‚Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart’. Trassenaufhieb im Zusammenhang mit der Errichtung und Bewirtschaftung einer Freileitung für die Übertragung elektrischer Energie
Normenkette
Richtlinie 2011/92/EU
Beteiligte
Agrargemeinschaft Pettenbach |
Gemeinde Steinbach am Ziehberg |
Oberösterreichische Landesregierung |
Tenor
Anhang II Nr. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin auszulegen, dass Trassenaufhiebe zum Zweck der Errichtung und der Bewirtschaftung einer energiewirtschaftlichen Freileitungsanlage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Dauer ihres rechtmäßigen Bestands „Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart” im Sinne dieser Bestimmung darstellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juni 2017, in dem Verfahren
Gerhard Prenninger,
Karl Helmberger,
Franziska Zimmer,
Franz Scharinger,
Norbert Pühringer,
Agrargemeinschaft Pettenbach,
Marktgemeinde Vorchdorf,
Marktgemeinde Pettenbach,
Gemeinde Steinbach am Ziehberg
gegen
Oberösterreichische Landesregierung,
Beteiligte:
Netz Oberösterreich GmbH,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Prenninger u. a., vertreten durch Rechtsanwalt W. List,
- der Netz Oberösterreich GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Kraemmer und M. Mendel,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und C. Zadra als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und Anhang II der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1, im Folgenden: UVP-Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gerhard Prenninger und acht weiteren Klägern und der Oberösterreichischen Landesregierung darüber, ob für das Vorhaben der Errichtung der Freistromleitung „110 kV-Leitung Vorchdorf-Steinfeld-Kirchdorf” eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 3, 7, 9 und 11 der UVP-Richtlinie lauten:
„(3) Es sollte eine Harmonisierung der Grundsätze für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden, insbesondere hinsichtlich der Art der zu prüfenden Projekte, der Hauptauflagen für den Projektträger und des Inhalts der Prüfung. Die Mitgliedstaaten können jedoch strengere Umweltschutzvorschriften festlegen.
…
(7) Die Genehmigung für öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, sollte erst nach einer Prüfung der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen dieser Projekte erteilt werden. Diese Prüfung sollte anhand sachgerechter Angaben des Projektträgers erfolgen, die gegebenenfalls von den Behörden und von der Öffentlichkeit, die möglicherweise von dem Projekt betroffen ist, ergänzt werden können.
…
(9) Projekte anderer Klassen haben nicht unter allen Umständen zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt; sie sollten einer Prüfung unterzogen werden, wenn sie nach Auffassung der Mitgliedstaaten möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.
…
(11) Legen die Mitgliedstaaten derartige Schwellenwerte oder Kriterien fest oder nehmen sie Einzelfalluntersuchungen vor, um zu bestimmen, welche Projekte wegen der Erheblichkeit ihrer Auswirkungen auf die Umwelt einer Prüfung unterzogen werden sollten, so sollten sie den in dieser Richtlinie aufgestellten relevanten Auswahlkriterien Rechnung tragen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip werden diese Kriterien in konkreten Fällen am besten durch die Mitgliedstaaten angewandt.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.”
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die e...