Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Lieferaufträge. Auftragserteilung ohne Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens. ‚In-House’-Vergabe. Auftragnehmer, der vom öffentlichen Auftraggeber rechtlich verschieden ist. Voraussetzung einer ‚Kontrolle wie über eigene Dienststellen’. Öffentlicher Auftraggeber und Auftragnehmer, zwischen denen kein Kontrollverhältnis besteht. Dritte öffentliche Stelle, die eine teilweise Kontrolle über den öffentlichen Auftraggeber und eine Kontrolle über den Auftragnehmer ausübt, die als eine Kontrolle ‚wie über eigene Dienststellen’. qualifiziert werden kann. ‚Horizontales In-House-Geschäft’
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG
Beteiligte
Datenlotsen Informationssysteme |
Technische Universität Hamburg-Harburg |
Hochschul Informations System GmbH |
Datenlotsen Informationssysteme GmbH |
Tenor
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag über die Lieferung von Waren, der zwischen einer Universität, die ein öffentlicher Auftraggeber ist und die im Bereich der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen der Aufsicht eines deutschen Bundeslands unterliegt, und einem privatrechtlichen Unternehmen, das sich in der Hand des Bundes und der Bundesländer, darunter des genannten Bundeslands, befindet, geschlossen worden ist, einen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Vorschrift darstellt und somit den Vorschriften dieser Richtlinie über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unterliegt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2013, in dem Verfahren
Technische Universität Hamburg-Harburg,
Hochschul Informations System GmbH
gegen
Datenlotsen Informationssysteme GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Technischen Universität Hamburg-Harburg, vertreten durch Rechtsanwalt T. Noelle und Rechtsanwältin I. Argyriadou,
- der Hochschul-Informations-System GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte K. Willenbruch und M. Kober,
- der Datenlotsen Informationssysteme GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt S. Görgens,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und K. Molnár als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Technischen Universität Hamburg-Harburg (im Folgenden: Universität) und der Hochschul-Informations-System GmbH (im Folgenden: HIS) gegen die Datenlotsen Informationssysteme GmbH über die Rechtmäßigkeit der Vergabe eines Auftrags, der HIS unmittelbar ohne Einleitung der von der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen öffentlichen Vergabeverfahren erteilt worden ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2004/18 stellt den rechtlichen Rahmen für die von öffentlichen Auftraggebern vergebenen Aufträge dar.
Rz. 4
Art. 1 („Definitionen”) Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bestimmt:
„‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.”
Rz. 5
Art. 1 Abs. 8 bestimmt:
„Die Begriffe ‚Unternehmer’, ‚Lieferant’ und ‚Dienstleistungserbringer’ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten.
Der Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer’ umfasst so...