Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsdienste. Begriff des Zahlungsinstruments. Im Onlinebanking oder mit Zahlschein erteilte Überweisungsaufträge. Recht des Zahlungsempfängers, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu erheben. Befugnis der Mitgliedstaaten, ein generelles Verbot zu erlassen. Vertrag zwischen einem Mobilfunkbetreiber und Privatpersonen
Normenkette
Richtlinie 2007/64/EG Art. 4 Nr. 23, Art. 52 Abs. 3
Beteiligte
Verein für Konsumenteninformation |
Tenor
1. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG ist dahin auszulegen, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet.
2. Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass es sich sowohl bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein als auch bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung handelt.
3. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2011, in dem Verfahren
T-Mobile Austria GmbH
gegen
Verein für Konsumenteninformation
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der T-Mobile Austria GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Egger,
- des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und P. Cede als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und L. Bigotte Chorão als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K.-P. Wojcik, J. Rius, M. Noll-Ehlers und C. Vrignon als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Oktober 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. L 319, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: Verein) und der T-Mobile Austria GmbH (im Folgenden: T-Mobile Austria) über deren Tarifpraxis, die darin besteht, dass sie von ihren Kunden bei Zahlung im Onlinebanking oder mit Zahlschein ein zusätzliches Entgelt verlangt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Titel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 2007/64 bestimmt Art. 1 („Gegenstand”):
„(1) In dieser Richtlinie werden die Regeln festgelegt, nach denen die Mitgliedstaaten die folgenden sechs Kategorien von Zahlungsdienstleistern unterscheiden:
…
(2) Darüber hinaus werden in dieser Richtlinie die Transparenz der Vertragsbedingungen und die Informationspflichten für Zahlungsdienste sowie die jeweiligen Rechte und Pflichten von Zahlungsdienstnutzern und Zahlungsdienstleistern bei der hauptberuflichen oder gewerblichen Erbringung von Zahlungsdiensten geregelt.”
Rz. 4
Art. 4 („Begriffsbestimmungen”) dieser Richtlinie sieht vor:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff
…
3. ‚Zahlungsdienst’ jede im Anhang aufgeführte gewerbliche Tätigkeit;
…
7. ‚Zahler’ eine natürliche oder juristische Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die einen Zahlungs...