Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Immobiliendarlehensvertrag. Schiedsklausel. Missbräuchlicher Charakter. Verbraucherklage. Nationale Verfahrensvorschrift. Unzuständigkeit des Gerichts, bei dem eine Klage wegen der Unwirksamkeit eines Formularvertrags anhängig ist, für einen Antrag auf Feststellung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln, die in demselben Vertrag enthalten sind

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 7

 

Beteiligte

Baczó und Vizsnyiczai

Nóra Baczó

János István Vizsnyiczai

Raiffeisen Bank Zrt

 

Tenor

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, nach der dem örtlichen Gericht, das für die Entscheidung über die Klage eines Verbrauchers, die die Unwirksamkeit eines Formularvertrags zum Gegenstand hat, zuständig ist, für einen Antrag dieses Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln, die in demselben Vertrag enthalten sind, die Zuständigkeit fehlt – es sei denn, es stellte sich heraus, dass der Umstand, dass dem örtlichen Gericht die Zuständigkeit entzogen wird, zu Verfahrensnachteilen führt, die geeignet sind, die Ausübung der dem Verbraucher durch die Rechtsordnung der Europäischen Union verliehenen Rechte übermäßig zu erschweren. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fovárosi Törvényszék (Ungarn) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2013, in dem Verfahren

Nóra Baczó,

János István Vizsnyiczai

gegen

Raiffeisen Bank Zrt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. M. Tátrai und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und M. van Beek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens aufgrund einer Klage von Frau Baczó und Herrn Vizsnyiczai gegen die Raiffeisen Bank Zrt auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Immobiliendarlehensvertrags und der darin enthaltenen Schiedsklausel.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.”

Rz. 4

Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.”

Rz. 5

Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.”

Rz. 6

In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.”

Ungarisches Recht

Materielles Recht

Rz. 7

§ 200 des Gesetzes Nr. IV von 1959 über das Bürgerliche Gesetzbuch (A Polgári Törvénykönyvről szóló 1959. évi IV. törvény, im Folgenden: Bürgerliches Gesetzbuch) sieht in seiner zum Zeitpunkt des Abschlusses des im Ausgangsverfahren streitigen Vertrags geltenden Fassung vor:

„(1) Die Parteien können den Inhalt eines Vertrags frei festlegen. Sie dürfen mit übereinstimmendem Willen von den Vorschriften über Verträge abweichen, wenn eine Rechtsvorschrift die Abweichung nicht untersagt.

(2) Ein Vertrag, der gegen eine Rechts...

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