Entscheidungsstichwort (Thema)

Stempelsteuer, Portugal, Wiedereinführung einer Stempelsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer Wiedereinführung der Gesellschaftsteuer durch einen Mitgliedstaat auf Kapitalerhöhungen, die unter Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der genannten Richtlinie fallen und die dieser Steuer am 1. Juli 1984 unterlagen, aber später von ihr befreit wurden, entgegenstehen.

 

Normenkette

EWGRL 335/69 Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Ascendi

Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta SA

Autoridade Tributária e Aduaneira

 

Verfahrensgang

Tribunal Arbitral Tributário (Portugal) (Urteil vom 31.05.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 274/8)

 

Tatbestand

„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Begriff ‚Gericht eines Mitgliedstaats‘ ‐ Tribunal Arbitral Tributário ‐ Richtlinie 69/335/EWG ‐ Art. 4 und 7 ‐ Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft ‐ Am 1. Juli 1984 bestehende Stempelsteuer ‐ Spätere Abschaffung, dann Wiedereinführung dieser Stempelsteuer

In der Rechtssache C-377/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa ‐ CAAD) (Portugal) mit Entscheidung vom 31. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2013, in dem Verfahren

Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta SA

gegen

Autoridade Tributária e Aduaneira

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta SA, vertreten durch F. Fernandes Lourenço, advogado,

‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. Menezes Leitão und A. Cunha als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Guerra e Andrade und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. April 2014

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4, 7 und 10 Buchst. a der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta SA (im Folgenden: Ascendi) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollverwaltung) über deren Bescheid vom 6. August 2012, mit dem Ascendi die Erstattung der Stempelsteuer, die sie für vier Kapitalerhöhungen im Zeitraum Dezember 2004 bis November 2006 entrichtet hatte, verweigert wurde (im Folgenden: streitiger Bescheid).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Ihrem ersten Erwägungsgrund zufolge bezweckte die Richtlinie 69/335 die Förderung des freien Kapitalverkehrs, der als eine für die Schaffung eines Binnenmarkts wesentliche Grundfreiheit angesehen wird. Dazu sollte die Richtlinie, wie aus ihren Erwägungsgründen 6 bis 8 hervorgeht, eine Harmonisierung der Abgaben auf Kapitalzuführungen an Gesellschaften in der Union durch die Einführung einer einheitlichen Steuer auf die Ansammlung von Kapital, die nur einmal innerhalb des Gemeinsamen Marktes erhoben werden kann, und durch die Aufhebung aller anderen indirekten Steuern mit den gleichen Merkmalen wie diese einheitliche Steuer herbeiführen.

Rz. 4

Hierzu bestimmte Art. 1 der Richtlinie 69/335, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … eine gemäß den Bestimmungen der Artikel 2 bis 9 harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften [erheben], die nachfolgend als Gesellschaftsteuer bezeichnet wird“.

Rz. 5

Durch die Richtlinie 85/303 wurde die Richtlinie 69/335, insbesondere deren Art. 4 Abs. 2 und Art. 7, wesentlich geändert. In den Erwägungsgründen 2 bis 4 der Richtlinie 85/303 heißt es:

„Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Gesellschaftssteuer sind für den Zusammenschluss und die Entwicklung der Unternehmen ungünstig. Besonders negativ sind sie bei der derzeitigen Konjunktur, in der die Belebung der Investitionen als vordringlich zu gelten hat.

Um dies zu erreichen, erscheint als beste Lösung die Abschaffung der Gesellschaftssteuer. Die sich aus einer solchen Maßnahme ergebenden Einnahmeausfälle scheinen jedoch einigen Mitgliedstaaten unannehmbar. Infolgedessen muss den Mitgliedstaaten die Möglichkeit belassen werden, Vorgänge, die in den Anwendungsbe...

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