Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird. Nichtdurchführung. Genehmigung und Errichtung einer Windfarm. Projekt, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Fehlende vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung. Legalisierungspflicht. Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags
Normenkette
Richtlinie 85/337/EWG; AEUV Art. 260 Abs. 2
Beteiligte
Kommission / Irland (Parc éolien de Derrybrien) |
Tenor
1. Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um das Urteil vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), durchzuführen.
2. Irland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 5 000 000 Euro zu zahlen.
3. Irland wird verurteilt, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 15 000 Euro pro Tag ab Verkündung des vorliegenden Urteils bis zum Tag der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), zu zahlen.
4. Irland trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, eingereicht am 13. April 2018,
Europäische Kommission, vertreten durch M. Noll-Ehlers und J. Tomkin als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Irland, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von G. Gilmore, BL, J. Connolly und G. Simons, SC,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Safjan und S. Rodin, der Richter L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, des Richters F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,
- festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 AEUV verstoßen hat, dass es nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus Nr. 1 zweiter Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), ergeben,
- Irland zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag von 1 343,20 Euro, multipliziert mit der Zahl der Tage, die zwischen der Verkündung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), und dem Zeitpunkt der Durchführung dieses Urteils durch Irland oder dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache liegen, zu zahlen, wenn dieses Datum vor dem Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), liegt, wobei der Mindestpauschalbetrag 1 685 000 Euro betragen sollte,
- Irland zu verurteilen, an die Kommission ein Zwangsgeld von 12 264 Euro pro Tag ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Durchführung des Urteils vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C-215/06, EU:C:2008:380), durch Irland zu zahlen, und
- Irland die Kosten aufzuerlegen.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 85/337/EWG vor ihrer Änderung durch die Richtlinie 97/11
Rz. 2
Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40) sah vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.
Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.
(2) Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann in den Mitgliedstaaten im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung der Projekte durchgeführt werden oder, falls solche nicht bestehen, im Rahmen anderer Verfahren oder der Verfahren, die einzuführen sind, um den Zielen dieser Richtlinie zu entsprechen.
(3) Die Mitgliedstaaten können in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen.”
Rz. 3
Art. 3 dieser Richtlinie bestimmte:
„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:
- Mensch, Fauna und Flora,
- Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
- die Wechselwirkung zwischen den u...