Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Begriffe ‚Biozidprodukt’ und ‚Wirkstoff’. Voraussetzungen. Andere Wirkungsweise als bloße physikalische oder mechanische Einwirkung -Genehmigung eines Wirkstoffs. Tragweite der Genehmigung

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 528/2012 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, c, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

Biofa

Biofa AG

Sikma D. Vertriebs GmbH und Co. KG

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten in der durch die Verordnung (EU) Nr. 334/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Produkt, das dazu bestimmt ist, Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken oder unschädlich zu machen, und das einen durch eine Durchführungsverordnung der Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung genehmigten Wirkstoff enthält, nicht schon aufgrund dieser Genehmigung unter den Begriff „Biozidprodukt” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich fällt, so dass es Sache des zuständigen nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob das betreffende Produkt alle in dieser Vorschrift für eine Subsumtion unter diesen Begriff vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Ist jedoch die Zusammensetzung dieses Produkts mit der Zusammensetzung des im Antrag auf Genehmigung dieses Wirkstoffs als repräsentativ angegebenen Biozidprodukts identisch, hat dieses Gericht davon auszugehen, dass das betreffende Produkt unter diesen Begriff fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2020, in dem Verfahren

Biofa AG

gegen

Sikma D. Vertriebs GmbH und Co. KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter N. Jääskinen und J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Biofa AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Stallberg,
  • der Sikma D. Vertriebs GmbH und Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt B. Münster,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Mai 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 334/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 (ABl. 2014, L 103, S. 22, berichtigt in ABl. 2015, L 305, S. 55) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 528/2012).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Biofa AG, einer Gesellschaft, die Biozidprodukte entwickelt und vertreibt, und der Sikma D. Vertriebs GmbH und Co. KG (im Folgenden: Sikma), einer Gesellschaft, die über das Internet Produkte zur Bekämpfung von Schadorganismen verkauft, wegen des Vertriebs von Produkten durch Sikma, die einen genehmigten und für die Verwendung in Biozidprodukten bestimmten Wirkstoff enthalten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 528/2012

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1, 3 und 9 der Verordnung Nr. 528/2012 heißt es:

„(1) Biozidprodukte sind notwendig zur Bekämpfung von für die Gesundheit von Mensch oder Tier schädlichen Organismen und zur Bekämpfung von Organismen, die natürliche oder gefertigte Materialien schädigen. Von Biozidprodukten kann allerdings aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen.

(3) … Diese Verordnung sollte auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, um sicherzustellen, dass die Herstellung und Bereitstellung auf dem Markt von Wirkstoffen und Biozidprodukten keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. …

(9) Diese Verordnung sollte für Biozidprodukte gelten, die in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten oder erzeugen bzw. daraus bestehen.”

Rz. 4

Art. 1 („Ziel und Gegenstand”) dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Ziel dieser Verordnung ist es, das Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge