Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme. Bestimmung der Art von Plänen, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Bebauungspläne ‚der Innenentwicklung’, die nach den nationalen Rechtsvorschriften von einer Umweltprüfung ausgenommen sind. Falsche Beurteilung der qualitativen Voraussetzung der ‚Innenentwicklung’. Keine Auswirkung auf die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans. Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie
Normenkette
Richtlinie 2001/42/EG Art. 3 Abs. 4-5
Beteiligte
Tenor
Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme ist in Verbindung mit ihrem Art. 3 Abs. 4 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Verstoß gegen eine durch die Rechtsnorm zur Umsetzung der Richtlinie aufgestellte qualitative Voraussetzung, wonach es bei der Aufstellung einer besonderen Art von Bebauungsplan keiner Umweltprüfung im Sinne der Richtlinie bedarf, für die Rechtswirksamkeit dieses Plans unbeachtlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 6. September 2011, in dem Verfahren
L
gegen
M
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des L, vertreten durch Rechtsanwalt G. Rehmann,
- der M, vertreten durch Rechtsanwalt D. Weiblen,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiades als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und P. Oliver als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Dezember 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197, S. 30, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen L und der Gemeinde M über die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans, den die Gemeinde aufgestellt hat, ohne eine Umweltprüfung nach der Richtlinie durchzuführen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Ziel der Richtlinie ist es nach ihrem Art. 1, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden.
Rz. 4
Art. 3 der Richtlinie, der ihren Geltungsbereich festlegt, bestimmt:
„(1) Die unter die Absätze 2 bis 4 fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, werden einer Umweltprüfung nach den Artikeln 4 bis 9 unterzogen.
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 3 wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen,
- die in den Bereichen … Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der Richtlinie 85/337/EWG [des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABI. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) geänderten Fassung] aufgeführten Projekte gesetzt wird …
…
(3) Die unter Absatz 2 fallenden Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, … bedürfen nur dann einer Umweltprüfung, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
(4) Die Mitgliedstaaten befinden darüber, ob nicht unter Absatz 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
(5) Die Mitgliedstaaten bestimmen entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze, ob die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne oder Programme voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Zu diesem Zweck berücksichtigen die Mitgliedstaaten in jedem F...