Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt. Beilegung von Streitigkeiten über die dem Netzbetreiber obliegenden Verpflichtungen. Zeitliche Wirkungen der Entscheidungen der Streitbeilegungsstelle. Rechtssicherheit. Berechtigtes Vertrauen

 

Normenkette

Richtlinie 2009/73/EG Art. 41 Abs. 11

 

Beteiligte

GRDF

GRDF SA

Eni Gas & Power France SA

Direct énergie

Commission de régulation de l'énergie

Procureur général près la Cour d'appel de Paris

 

Tenor

Die Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG ist dahin auszulegen, dass sie es nicht verbietet, dass sich die Wirkungen einer Entscheidung einer als Streitbeilegungsstelle handelnden Regulierungsbehörde im Sinne von Art. 41 Abs. 11 dieser Richtlinie auf die Situation der Parteien der dieser Behörde vorgelegten Streitigkeit, wie sie zwischen ihnen vor Entstehung dieser Streitigkeit bestand, erstrecken, und zwar u. a. indem im Fall eines Gasdurchleitungsvertrags einer Streitpartei aufgegeben wird, diesen Vertrag für seine gesamte Vertragslaufzeit mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 21. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2018, in dem Verfahren

GRDF SA

gegen

Eni Gas & Power France SA,

Direct énergie,

Commission de régulation de l'énergie,

Procureur général près la Cour d'appel de Paris

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter T. von Danwitz und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der GRDF SA, vertreten durch F. Boucard, H. Savoie und D. Théophile, avocats,
  • der Eni Gas & Power France SA, vertreten durch J. Rousseau und F. Prunet, avocats,
  • der Direct énergie, vertreten durch F. Molinié, O. Fréget und L. Eskenazi, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch S. Horrenberger, D. Colas, A.-L. Desjonquères und C. Mosser als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet und Y. G. Marinova als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Mai 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. 2009, L 211, S. 94), insbesondere von Art. 41 Abs. 11 dieser Richtlinie.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der GRDF SA, der Betreiberin des Erdgasverteilernetzes in Frankreich, einerseits und den Erdgaslieferanten Eni Gas & Power France SA (im Folgenden: Eni Gas) und Direct énergie sowie der Commission de régulation de l'énergie (Energieregulierungskommission, Frankreich, im Folgenden: CRE) und dem Procureur général près la Cour d'appel de Paris (Generalprokurator beim Berufungsgericht Paris, Frankreich) andererseits über Durchleitungsverträge, mit denen das Risiko von Zahlungsausfällen der Endkunden sowie die Lasten der Kundenverwaltung den Lieferanten auferlegt werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2003/55/EG

Rz. 3

In Art. 18 („Zugang Dritter”) Abs. 1 der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. 2003, L 176, S. 57) hieß es:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zum Fernleitungs- und Verteilernetz und zu den [Flüssigerdgasanlagen] auf der Grundlage veröffentlichter Tarife; die Zugangsregelung gilt für alle zugelassenen Kunden und wird nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung von einer in Artikel 25 Absatz 1 vorgesehenen Regulierungsbehörde vor deren Inkrafttreten genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden einer Genehmigung unterliegen – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.”

Rz. 4

Nach Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2003/55 mussten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich waren, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen.

Richtlinie 2009/73

Rz. 5

In den Erwägungsgründen 4, 6, 25, 30, 32 und 40 der Richtlinie 2009/73 heißt es:

„(4) Derzeit gibt es jedoch Hindernisse für den Verkauf von Erdgas in der Gemeinschaft zu gleichen Bedingungen und ohne Diskr...

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