Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Maßnahmen der Europäischen Union im Bereich der Wasserpolitik. Verpflichtung, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, und Verpflichtung, die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung der Richtlinie zu fördern. Übereinkommen von Aarhus. Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Vorhaben, das Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer haben kann. Bewilligungsverfahren. Umweltorganisation. Antrag auf Zuerkennung der Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren. Möglichkeit, sich auf Rechte aus der Richtlinie 2000/60/EG zu berufen. Verlust der Parteistellung und der Befugnis zur Beschwerdeerhebung bei fehlender rechtzeitiger Geltendmachung der Rechte aus der Richtlinie 2000/60/EG im Verwaltungsverfahren
Normenkette
Richtlinie 2000/60/EG Art. 4 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47
Beteiligte
Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation |
Protect Natur-,Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation |
Bezirkshauptmannschaft Gmünd |
Tenor
1. Art. 9 Abs. 3 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten, mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Bescheid, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, verstoßendes Vorhaben gebilligt wird, von einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltorganisation vor einem Gericht angefochten werden können muss.
2. Art. 9 Abs. 3 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte sowie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 sind dahin auszulegen, dass nationales Verfahrensrecht, das in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Umweltorganisationen nicht das Recht zuerkennt, sich an einem Bewilligungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2000/60 als Partei zu beteiligen, und das Recht, Entscheidungen, die im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ergehen, anzufechten, nur Personen, die im Verwaltungsverfahren die Stellung als Partei hatten, zuerkennt, nicht mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.
3. Unter dem Vorbehalt der Überprüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht ist Art. 9 Abs. 3 und 4 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen, dass mit diesen Bestimmungen nicht vereinbar ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens für eine Umweltorganisation nach den nationalen Verfahrensvorschriften eine Ausschlussregelung gilt, nach der eine Person ihre Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren verliert und deshalb keine Beschwerde gegen eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung erheben kann, wenn sie Einwendungen nicht rechtzeitig bereits im Verwaltungsverfahren, spätestens in dessen mündlichem Abschnitt, erhoben hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 26. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2015, in dem Verfahren
Protect Natur-,Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation
gegen
Bezirkshauptmannschaft Gmünd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, vertreten durch L. E. Riegler, Rechtsanwalt,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und C. Vogl als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin, C. Hermes und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Oktober 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Ausleg...