Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Eilvorabentscheidungsverfahren. Asyl- und Einwanderungspolitik. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Zugang zum Verfahren. Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz bei einer Behörde, die nach nationalem Recht für die Registrierung solcher Anträge zuständig ist. Stellung eines Antrags bei anderen Behörden, bei denen derartige Anträge wahrscheinlich gestellt werden, die aber nach nationalem Recht nicht für die Registrierung zuständig sind. Begriff ‚andere Behörden’. Gewahrsam. Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Inhaftnahme des Antragstellers. Haftgründe. Entscheidung über die Inhaftnahme eines Antragstellers aufgrund des Fehlens von Unterbringungsplätzen in einem humanitären Aufnahmezentrum

 

Normenkette

Richtlinie 2013/32/EU Art. 6, 26; Richtlinie 2013/33/EU Art. 8

 

Beteiligte

Ministerio Fiscal

Ministerio Fiscal

 

Tenor

1. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist dahin auszulegen, dass ein Untersuchungsrichter, der angerufen wird, um über die Inhaftnahme eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen im Hinblick auf dessen Rückführung zu entscheiden, zu den in dieser Bestimmung genannten „anderen Behörden” gehört, bei denen Anträge auf internationalen Schutz wahrscheinlich gestellt werden, die aber nach nationalem Recht nicht für die Registrierung zuständig sind.

2. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 der Richtlinie 2013/32 ist dahin auszulegen, dass ein Untersuchungsrichter in seiner Eigenschaft als „andere Behörde” im Sinne dieser Vorschrift zum einen die illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen über die Modalitäten der förmlichen Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz informieren muss und zum anderen, wenn ein solcher Staatsangehöriger seine Absicht bekundet hat, einen solchen Antrag zu stellen, den Vorgang an die für die Registrierung des Antrags zuständige Behörde weiterzuleiten hat, damit diesem Staatsangehörigen die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen und die medizinische Versorgung gemäß Art. 17 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, zugutekommen können.

3. Art. 26 der Richtlinie 2013/32 und Art. 8 der Richtlinie 2013/33 sind dahin auszulegen, dass ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der bei einer „anderen Behörde” im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/32 seine Absicht bekundet hat, internationalen Schutz zu beantragen, nicht aus einem anderen als den in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33 vorgesehenen Gründen in Haft genommen werden darf.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Instrucción n° 3 de San Bartolomé de Tirajana (Untersuchungsrichter Nr. 3 San Bartolomé de Tirajana, Spanien) mit Entscheidung vom 20. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2020, in einem Verfahren betreffend

VL,

Beteiligter:

Ministerio Fiscal,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter S. Rodin und D. Šváby (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. M. Ferreira, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von VL, vertreten durch M. T. Macías Reyes, abogada,
  • des Ministerio Fiscal, vertreten durch T. García García,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und I. Galindo Martín als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 26 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) sowie von Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. 2013, L 180, S. 96).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Inhaftnahme von VL und seinen in diesem Kontext gestellten Antrag auf internationalen Schutz.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2008/115/EG

Rz. 3

Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger D...

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