Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Verletzungsklage. Beschränkung der Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Begriff ‚Zitierung’. Zuständigkeit hinsichtlich des in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem das Gericht seinen Sitz hat, ansässigen Mitbeklagten. Räumliche Reichweite der Zuständigkeit der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte. Auf Anträge auf den Erlass von Anordnungen über Sanktionen und andere Maßnahmen anwendbares Recht
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, Art. 79 Abs. 1, Art. 82; Verordnung (EG) Nr. 6/2002 83; Verordnung (EG) Nr. 6/2002 88; Verordnung (EG) Nr. 6/2002 89; Verordnung (EG) Nr. 864/2007 Art. 8 Abs. 2; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 6 Nr. 1
Beteiligte
Tenor
1. Die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht, bei dem eine Verletzungsklage anhängig ist und dessen internationale Zuständigkeit in Bezug auf einen ersten Beklagten auf Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 beruht und in Bezug auf einen zweiten, in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Beklagten auf Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002, weil der zweite Beklagte die vom ersten Beklagten vertriebenen Erzeugnisse herstellt und an den ersten Beklagten liefert, auf Antrag des Klägers gegen den zweiten Beklagten Anordnungen erlassen kann, die Maßnahmen im Sinne von Art. 89 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 betreffen, die sich auch auf Tätigkeiten des zweiten Beklagten außerhalb der genannten Lieferkette erstrecken und die für das gesamte Gebiet der Europäischen Union gelten.
2. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass ein Dritter, der ohne Zustimmung des Inhabers der Rechte aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim rechtmäßigen Vertrieb von Waren, die als Zubehör spezifischer Waren des Inhabers der Rechte aus den Geschmacksmustern verwendet werden sollen, Waren, die solchen Geschmacksmustern entsprechen, u. a. auf seinen Websites abbildet, um die gemeinsame Verwendung der von ihm vertriebenen Waren und der spezifischen Waren des Inhabers der Rechte aus den Geschmacksmustern zu erläutern oder darzutun, eine Wiedergabe zum Zweck der „Zitierung” im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Buchst. c vornimmt, wobei eine solche Wiedergabe nach dieser Bestimmung zulässig ist, wenn die dort aufgestellten kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.
3. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht „Rom II”) ist dahin auszulegen, dass unter dem Begriff des „Staates …, in dem die Verletzung begangen wurde”, im Sinne dieser Bestimmung der Staat zu verstehen ist, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. In Fällen, in denen demselben Beklagten verschiedene, in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen werden, ist bei der Ermittlung des schadensbegründenden Ereignisses nicht auf jede einzelne ihm vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 7. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Januar 2016, in den Verfahren
Nintendo Co.Ltd
gegen
BigBen Interactive GmbH,
BigBen Interactive SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal und C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnaš,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Nintendo Co. Ltd, vertreten durch die Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und H. Hartwig,
- der BigBen Interactive GmbH und der BigBen Interactive SA, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Götz, C. Onken und C. Kurtz,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des G...