Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 2001/83/EG. Art. 1 Nr. 2 Buchst. b. Begriff des Funktionsarzneimittels. Dosierung des Erzeugnisses. Normaler Gebrauch. Gesundheitsrisiko. Eignung, die menschlichen physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis, das einen Stoff enthält, der in einer bestimmten Dosierung eine physiologische Wirkung hat, kein Funktionsarzneimittel ist, wenn es in Anbetracht seiner Wirkstoffdosierung bei normalem Gebrauch gesundheitsgefährdend ist, ohne jedoch die menschlichen physiologischen Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen zu können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2008, in dem Verfahren
BIOS Naturprodukte GmbH
gegen
Saarland,
Beteiligter:
Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. ilešič sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der BIOS Naturprodukte GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte C. Sachs und J. Sachs,
- des Saarlands, vertreten durch L. Schreiner als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo und J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch R. Adam als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson und H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Šimerdová und G. Wilms als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BIOS Naturprodukte GmbH (im Folgenden: Bios Naturprodukte) und dem Saarland über die Einstufung eines als „Weihrauch H 15-Tabletten” bezeichneten Erzeugnisses für den Vertrieb in Deutschland.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 bedeutet „Arzneimittel”:
- „Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder
- alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.”
Nationales Recht
Rz. 4
Der Begriff des Arzneimittels wird in § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3586, im Folgenden: AMG) definiert.
Rz. 5
Nach § 69 Abs. 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rz. 6
BIOS Naturprodukte brachte ein als „Weihrauch H 15-Tabletten” bezeichnetes Erzeugnis als Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland in den Verkehr.
Rz. 7
Dieses Präparat auf der Basis indischen Weihrauchextrakts wird in Indien hergestellt und aus Österreich, wo es als Lebensmittel vertrieben wird, importiert. Jede Tablette enthält, neben verschiedenen Hilfsstoffen, 400 mg indischen Weihrauchextrakt. Nach der auf der Packung a...