Entscheidungsstichwort (Thema)
Inverkehrbringen von Arzneimitteln. Niederlassung von Einzelhändlern. Staatliches Monopol für den Einzelhandelsverkauf von Arzneimitteln. Mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen
Normenkette
EG Art. 28, 31, 43, 86 Abs. 2
Beteiligte
Tenor
Artikel 31 Absatz 1 EG steht einer Regelung entgegen, die ein ausschließliches Recht zum Einzelhandelsverkauf nach Modalitäten vorsieht, wie sie für die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung kennzeichnend sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Stockholms tingsrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 29. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2002, in dem Strafverfahren gegen
Krister Hanner
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), C. W. A. Timmermans und A. Rosas, der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Hanner, vertreten durch I. Forrester, QC, J. Killick, Barrister, A. Schulz, Rechtsanwalt, L. Hiljemark und R. Olofsson, advokater, und A.-K. Pettersson, juris kandidat,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2004
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 28 EG, 31 EG und 43 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens, das gegen Herrn Hanner wegen eines Verstoßes gegen die schwedische Regelung eingeleitet wurde, nach der der Einzelhandelsverkauf von Arzneimitteln der Apoteket AB vorbehalten ist.
Rechtlicher Rahmen
Das nationale Recht
3 In Schweden darf nach § 4 der Lag (1996:1152) om handel med läkemedel m.m. (Gesetz Nr. 1152 von 1996 über den Arzneimittelhandel) der Einzelhandel mit Arzneimitteln, ob verschreibungspflichtig oder nicht, nur vom Staat oder von juristischen Personen, auf die er entscheidenden Einfluss hat, betrieben werden. Die Regierung bestimmt die juristische Person, die solchen Handel treiben darf, und die Handelsmodalitäten.
4 § 5 dieses Gesetzes sieht eine Ausnahme von dieser Regel in Bezug auf den Einzelhandelsverkauf bestimmter Arzneimittel an Krankenhäuser, Ärzte und Tierärzte vor. Solche Verkäufe dürfen von anderen Wirtschaftsteilnehmern getätigt werden, wenn sie eine Großhandelsgenehmigung besitzen.
5 § 6 der Lag om handel med läkemedel sieht vor, dass der Arzneimittelhandel effizient zu erfolgen hat, damit die Verfügbarkeit sicherer und wirksamer Arzneimittel gewährleistet ist.
6 Nach § 11 dieses Gesetzes wird ein Verstoß gegen § 4 mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.
7 Die Läkemedelslag (1992:859) (Gesetz Nr. 859 von 1992 über Arzneimittel) definiert in ihrem § 1 den Begriff „Arzneimittel” als jedes Erzeugnis, das Menschen oder Tieren zur Verhütung, Erkennung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden verabreicht oder zu entsprechenden Zwecken verwendet wird.
8 Nach § 5 dieses Gesetzes darf ein Arzneimittel grundsätzlich erst verkauft werden, nachdem es entweder von der zuständigen schwedischen Stelle oder von einer Stelle eines anderen Mitgliedstaats zugelassen und im letztgenannten Fall die Zulassung in Schweden anerkannt worden ist.
9 Die schwedische Regierung oder nach Ermächtigung durch sie das Läkemedelsverk (Arzneimittelamt) können, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen geboten ist, anordnen, dass ein Arzneimittel nur gegen Rezept oder gegen Verordnung einer zur Verschreibung von Arzneimitteln berechtigten Person abgegeben werden darf.
10 Grundsätzlich erfolgt bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine finanzielle Unterstützung durch den Staat (bezuschusste Arzneimittel), bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dagegen nicht (nicht bezuschusste Arzneimittel).
Die Durchführungsmaßnahmen
11 Seit 1970 war die Apoteksbolaget AB und später ihre im Ausgangsverfahren betroffene Rechtsnachfolgerin Apoteket AB von der schwedischen Regierung mit dem Arzneimitteleinzelhandel betraut.
12 Die Apoteket AB ist eine Aktiengesellschaft schwedischen Rechts ohne hauptsächliche Gewinnerzielungsabsicht, deren Vorstand im Wesentlichen aus Politikern und Staatsbeamten besteht. Der Vorlageentscheidung zufolge hält der schwedische Staat eine Mehrheitsbeteiligung von zwei Dritteln ihres Kapitals.
13 Die Apoteket AB führt selbst keine Arzneimittel ein, s...