1 Leitsatz
Beschlüsse, die dazu führen, dass die Umsetzung eines rechtskräftig für ungültig erklärten Beschlusses fortgesetzt wird, unterlaufen den Folgenbeseitigungsanspruch der Wohnungseigentümer und widersprechen daher im Regelfall einer ordnungsmäßigen Verwaltung.
2 Normenkette
§ 18 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2017, die Wohnungseingangstüren erneuern zu lassen. Dieser Beschluss (und ein Folgebeschluss) werden später rechtskräftig für ungültig erklärt. Noch vor dieser Entscheidung hatte der Verwalter bereits namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Werkvertrag geschlossen und dem Werkunternehmer einen Vorschuss von rund 100.000 EUR gezahlt. Dieser Werkunternehmer baute während des Anfechtungsverfahrens zur Erfüllung des Vertrages 31 neue Türen ein. Weitere Arbeiten hatte er dann unter Hinweis auf das Anfechtungsverfahren eingestellt.
Im Oktober 2020 beschließen die Wohnungseigentümer, den Werkunternehmer außergerichtlich zum Einbau der restlichen 92 Türen unter Fristsetzung aufzufordern, nach erfolglosem Fristablauf vom Vertrag zurückzutreten und den gezahlten Vorschuss zurückzuverlangen. Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer K. Er ist der Ansicht, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dürfe für den Einbau der Türen keine weiteren Aktivitäten entfalten, die dazu führen könnten, dass es zu einem Einbau komme. Die beklagten Wohnungseigentümer sind hingegen der Auffassung, ohne die beschlossene Vorgehensweise sei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Rücktritt möglich. Während dieser zweiten Anfechtungsklage wird der Werkunternehmer, der parallel gerichtlich in Anspruch genommen worden war, rechtskräftig verurteilt, den Vorschuss zurückzuzahlen. Die Parteien der zweiten Anfechtungsklage erklären daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und streiten nur noch über die Kosten.
4 Die Entscheidung
AG und LG meinen, die beklagten Wohnungseigentümer müssten die Kosten des Rechtsstreits tragen. Die Baumaßnahmen, die rechtskräftig als nicht ordnungsmäßig eingestuft worden waren, seien noch nicht durchgeführt worden. In einem derartigen Fall sei es Teil des Folgenbeseitigungsanspruchs, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alles tue, um eine Vertiefung des Zustands zu vermeiden, der nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Eine weitere Beschlussumsetzung habe in jedem Fall zu unterbleiben. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müsse alle zumutbaren Anstrengungen entfalten, um zu verhindern, dass durch weitere Maßnahmen des Vertragspartners der für sie bestehende Folgenbeseitigungsaufwand erhöht oder eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands unmöglich werde.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Mittelpunkt des Falles steht eine dogmatische Frage, nämlich die, was für einen Beschluss gilt, der angefochten worden ist. Ferner ist zu klären, wie eine Gerichtsentscheidung umzusetzen ist, mit der ein bereits ganz oder teilweise angefochtener Beschluss für ungültig erklärt wird.
Bindung an nicht nichtige, aber ordnungswidrige Beschlüsse
Auch dann, wenn ein Beschluss nicht ordnungsmäßig ist, bindet er nach seiner Rechtsnatur und nach den allgemeinen Grundsätzen sofort die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, den Verwalter und sämtliche an- und abwesenden Wohnungseigentümer, wenn er nicht nichtig ist.
Ist der Beschluss Grundlage einer Klage und ist er daneben im Wege der Anfechtungsklage angegriffen, ändert sich an dieser Bindung nichts. Die Bindung an einen nicht ordnungsmäßigen, aber nicht nichtigen Beschluss kann bekämpft und vernichtet werden. Dazu muss der Beschluss nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG angefochten und durch rechtskräftiges Urteil ex tunc (von Anfang an) für ungültig erklärt werden.
Folgenbeseitigungsanspruch
Wird ein Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt oder wird seine Nichtigkeit festgestellt, kann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Folgenbeseitigung haben. "Folgenbeseitigung" meint, dass Maßnahmen, die auf einem Beschluss beruhen, wieder rückgängig gemacht werden.
In Betracht kommt eine solche Rückgängigmachung zwar nicht für "Gebrauchsbeschlüsse", also solche die regeln, welcher Gebrauch erlaubt/verboten ist, oder für beschlossene Umlageschlüssel. Eine Rückgängigmachung ist aber für eine Erhaltungsmaßnahme und eine bauliche Veränderung, aber auch in Folge eines Beschlusses, auf dem Zahlungsansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beruhen, möglich. Ferner ist es möglich, dass die Wohnungseigentümer als Folgenbeseitigung bloß einen Beschlussmangel beseitigen. Der Folgenbeseitigungsanspruch beruht auf § 18 Abs. 2 WEG. Seine Voraussetzung ist allein, dass ein Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt oder seine Nichtigkeit festgestellt wird. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Anspruchsinhaber ist jeder Wohnungseigentümer.
Überblick:
- Wird ein Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG für ungültig erklärt oder wird seine Nichtigkeit festgestellt, ist zwar die Rechtsgrundlage für Zahlungen entfallen. Ein Wohnungseigentümer kann aber keine Rückzahlung...