1 Leitsatz

Bei Rechtsmittelerklärungen ist eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handelt, die sich in ihrer Absicht und rechtlichen Wirkung entsprechen.

2 Normenkette

§§ 68, 66 GKG; § 32 RVG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdeführerin B, verlangt von den Wohnungseigentümern B1 und B2 (Beklagte) Nach- und Vorschuss. Das AG gibt der Klage, soweit sie nicht teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt ist, statt und legt die Kosten den Beklagten auf. Den Gebührenstreitwert setzt das AG bis zum 19.11.2022 auf 13.506,10 EUR und für die Zeit danach auf 9.527,76 EUR fest. Hiergegen legt die Beschwerdeführerin im eigenen Namen mit dem Ziel der Erhöhung der Streitwertfestsetzung auf 37.325,50 EUR Beschwerde ein. Das LG Berlin setzt den Gebührenstreitwert einheitlich auf 10.330,18 EUR fest und lässt im Tenor seiner Entscheidung die Rechtsbeschwerde zu. Mit ihrer tatsächlich eingeleiteten Rechtsbeschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihr Ziel der Erhöhung der Streitwertfestsetzung weiter – und beantragt die Abgabe der Sache an das KG Berlin.

4 Die Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH nicht statthaft! Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG finde gegen die LG-Beschwerdeentscheidung nicht die Rechtsbeschwerde, sondern – bei erfolgter Zulassung – die weitere Beschwerde (hier: an das KG Berlin) statt. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde binde den BGH nicht. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO trete nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffne aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel. Die Rechtsbeschwerde sei aber mit Rücksicht darauf, dass gegen die LG-Beschwerdeentscheidung nur die weitere Beschwerde zum KG Berlin statthaft sei, nicht als unzulässig zurückzuweisen, sondern in eine weitere Beschwerde umzudeuten. Bei Rechtsmittelerklärungen sei eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handele, die sich in ihrer Intention und rechtlichen Wirkung entsprächen. So verhalte es sich hier. Die weitere Beschwerde ziele ebenso wie die Rechtsbeschwerde auf die Änderung einer LG-Beschwerdeentscheidung durch ein übergeordnetes Gericht. Die weitere Beschwerde setze zudem wie die Rechtsbeschwerde voraus, dass das LG die Beschwerde – wie hier – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen habe.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall hat das LG das falsche Rechtsmittel zugelassen. Der BGH korrigiert das, indem er die Zulassung der nicht statthaften Rechtsbeschwerde in die Zulassung einer statthaften weiteren Beschwerde umdeutet. Das ist gut vertretbar. In der Sache ging es um die Anwendung des § 9 ZPO auf künftiges Hausgeld. Die Beschwerdeführerin hat dabei nach Hinweisen des KG Berlin ihre Beschwerde zurückgenommen.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat wie ein Rechtsanwalt die Möglichkeit, gegen die vom AG oder LG angenommene Höhe des Gebührenstreitwerts vorzugehen. Hier gilt: Je geringer der Gebührenstreitwert ist, desto weniger Kosten kommen auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu, wenn sie verliert. Es lohnt daher immer, zu schauen, ob die Gerichte mit ihren Festsetzungen richtig liegen. Hier sollten die Verwaltungen viel initiativer als bislang handeln!

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 7.12.2023, V ZB 61/23

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