1 Leitsatz

In einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft können jedenfalls auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums bezogene Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht im Wege der actio pro socio von einem Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.

2 Normenkette

§§ 9a, 9b WEG; § 50 ZPO

3 Das Problem

Es handelt sich um eine Wohnungseigentumsanlage mit 2 Wohnungseigentümern. Einen Verwalter gibt es nicht. Wohnungseigentümer K klagt gegen Wohnungseigentümer B auf Unterlassung. B soll es unterlassen, bestimmte Räume einer Wohnnutzung zuzuführen. Das AG weist die Klage ab. Das LG weist die Berufung mit der Maßgabe zurück, dass die Klage als unzulässig abgewiesen sei: K sei nicht prozessführungsbefugt.

4 Die Entscheidung

Dies sieht der BGH auch so! Ein einzelner Wohnungseigentümer könne von einem anderen Wohnungseigentümer nicht die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. In einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft und bei größeren verwalterlosen Gemeinschaften gelte für Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nichts Anderes. Auch die Grundsätze der actio pro socio seien nicht anwendbar. Dies sei klar, sofern ein Verwalter bestellt sei. Aber auch in einer verwalterlosen Gemeinschaft gelte für Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nichts Anderes. Ob bei "Beitragsverfahren" hingegen eine actio pro socio in Betracht komme, müsse nicht geklärt werden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ansprüche im Wege einer "actio pro socio" geltend machen kann.

actio pro socio: Allgemein

Als "actio pro socio" wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Die Befugnis wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters. Aufgrund dieser besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung kann ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter im Interesse der Gesellschaft in Anspruch nehmen. Der einzelne Gesellschafter kann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Den klagenden Gesellschafter in einem solchen Fall darauf zu verweisen, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, wird bei Beteiligung des beklagten Gesellschafters am gesellschaftswidrigen Verhalten als unnötiger Umweg erachtet.

actio pro socio: Wohnungseigentumsrecht

Der BGH lehnt es ab, die Grundsätze der actio pro socio anzuwenden, wenn es einen Verwalter gibt. Ferner lehnt er es ab, die Grundsätze der actio pro socio auf Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche anzuwenden, die Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums betreffen. Ob dies auch für Ansprüche auf Zahlung gilt, lässt er allerdings offen.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Der Fall hat für die Verwaltungen kein besonderes Interesse: Es geht vor allem um verwalterlose Gemeinschaften. Die Verwaltungen müssen aber wissen, dass sie für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer handeln können und müssen. Beispielsweise muss Hausgeld zeitnah beigetrieben werden. Dies gilt auch gegenüber einem Mehrheitseigentümer und auch dann, wenn er beispielsweise droht, die Verwaltung abzuberufen.

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 9.2.2024, V ZR 6/23

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