Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 15.06.2006; Aktenzeichen 30 O 102/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Berlin vom 15.6.2006 - 30 O 102/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadenersatz im Zusammenhang mit seinem Beitritt zu dem geschlossenen Immobilienfonds T.I. und V. GmbH & Co KG-L. Fonds 12. Das LG hat den Musterfeststellungsantrag des Klägers vom 29.12.2005 am Schluss der Sitzung vom 15.6.2006 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Rechtsstreit zur Entscheidung reif sei, § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1. KapMug. Durch das am gleichen Tag verkündete Urteil hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des LG im Beschluss und im Urteil vom 15.6.2006 verwiesen.
Gegen die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrages richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 13.10.2006 (GA VI 75). Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Beschl. v. 20.11.2006 = GA VI 104).
II. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Senat, nachdem die gem. § 568 S. 1 ZPO zuständige Einzelrichterin die Sache gem. § 568 S. 2 ZPO dem Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung übertragen hat.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, sie ist auch rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde ist aber unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Nachdem das LG am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2006 ein Endurteil verkündet hat und damit das Verfahren für die erste Instanz abgeschlossen ist, kann ein Musterfeststellungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden, weil dieses nur im erstinstanzlichen Verfahren statthaft ist (Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 1 Rz. 56). Das Beschwerdegericht hat dabei nicht zu prüfen, ob das LG zu Recht eine Entscheidungsreife des Rechtsstreits angenommen hat, denn eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt in diesem Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht, da die Hauptsache bereits beim Berufungsgericht anhängig ist. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass das Beschwerdegericht in der Sache prüft, ob das LG die Entscheidungsreife - unter Zugrundelegung von dessen Rechtsansicht (Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 1 Rz. 52) - zutreffend bejaht hat. Käme es dabei zu dem Ergebnis, dass keine Entscheidungsreife vorlag, so müsste es den Beschluss des LG über die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrages aufheben und das LG anweisen, den Antrag neu zu bescheiden. Das LG müsste dann einen Musterfeststellungsbeschluss in einem Verfahren erlassen, dessen Hauptsache bei ihm gar nicht mehr anhängig ist. Solches sieht aber das Gesetz nicht vor.
Es ist auch nicht, oder jedenfalls nur in Einzelfällen, möglich, die Hauptsache an das LG zurückzuverweisen, denn dies würde voraussetzen, dass die Voraussetzungen des
§ 538 Abs. 2 ZPO vorliegen. Dies ist aber z.B. immer dann nicht der Fall, wenn es nur um die Entscheidung von Rechtsfragen geht. Für eine solche Konstellation sieht die ZPO eine Zurückverweisungsmöglichkeit nicht vor. Auch in vielen anderen Fällen wird eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommen, wenn jeweils die Voraussetzungen von § 538 Abs. 2 ZPO nicht vollständig erfüllt sind. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrages kann aber nicht davon abhängen, ob in dem jeweils streitigen Fall - mehr oder weniger zufällig - auch die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO vorliegen. Einen besonderen Zurückverweisungsgrund hat der Gesetzgeber im Rahmen des Erlasses des KapMuG in den § 538 ZPO nicht eingeführt, so dass mangels Zurückverweisungsmöglichkeit der Hauptsache es dabei verbleibt, dass das LG einen Musterfeststellungsbeschluss in einer Sache erlassen müsste, die bei ihm nicht mehr anhängig ist. Dies ist aber vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt.
Der Senat sieht auch keinen Anlass für eine analoge Anwendung von § 538 ZPO für die vorliegende Fallkonstellation, um dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers Genüge zu tun. Denn der Rechtsstreit zwischen den hiesigen Parteien wird im Berufungsverfahren umfassend geprüft. Alle entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen werden in diesem Verfahren geklärt. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens fehlt hier ebenso wie in den Fällen, in denen das LG ein Ablehnungsgesuch betreffend einen erstinstanzlichen Richter zurückweist und gleichzeitig ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht. Wenn gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel gegeben ist, ist der Ablehnungsgrund - aus Gründen der Prozessökonomie - in der Berufungsinstanz als Verfahrensfehler geltend zu machen, während die parallel geführte Beschwerde unzulässig ist (BGH Beschl. v. 18.10.2006 - XII ZB 244/05 im Anschluss an KG, Beschl. v. 5.11.2004 - 15 W 105/04, KGReport Berlin 2005, 139 = MDR 2005, 890 jeweils m.w.N.).