Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde eines Musterklägers gegen den seinen Musterfeststellungsantrag wegen Entscheidungsreife gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG zurückweisenden Beschluss des LG
Leitsatz (amtlich)
Die sofortige Beschwerde eines Musterklägers gegen den seinen Musterfeststellungsantrag wegen Entscheidungsreife gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG zurückweisenden Beschluss des LG ist unzulässig, wenn das LG bereits ein die erste Instanz abschließendes Urteil erlassen hat.
Normenkette
KapMuG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.04.2006; Aktenzeichen 21 O 235/06 (früher LG Berlin 21a O 372/05)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Berlin vom 19.4.2006 - 21a O 372/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der G.-bank eG (im Folgenden: Bank) Schadensersatz, da er sich aufgrund falscher beziehungsweise unvollständiger Angaben des Mitarbeiters der Bank bei der Vermittlung der Anlage beziehungsweise bei der Beratung zur Zeichnung einer Kommanditbeteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds "I.-Verwaltungs-GmbH und Co. KG" beteiligt habe. Er verlangt die Rückzahlung seiner Einlage von 200.000 DM zzgl. eines Agios, Beurkundungsgebühren und 8 % entgangenen Anlagezinses. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des LG vom 19.4.2006 - 21a 372/05 - verwiesen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 7.4.2006 einen Musterfeststellungsantrag gem. § 1 Abs. 1 KapMuG gestellt. Hinsichtlich der vom Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Feststellungsziele wird auf den Schriftsatz vom 7.4.2006 (S. 3, 4 = GA I 141 f.) Bezug genommen. In der darauf folgenden mündlichen Verhandlung vom 19.4.2006 (GA I 185) hat das LG den Musterfeststellungsantrag des Klägers zurückgewiesen, weil er nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG unzulässig sei, da der zugrunde liegende Rechtsstreit bereits entscheidungreif sei, wie sich aus dem am gleichen Tag verkündeten Urteil ergebe.
Das Urteil und eine Ausfertigung des Beschlusses sind dem Kläger am 19.6.2006 zugestellt worden (GA I 205).
Gegen die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrages richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 19.6.2006 (GA I 207). Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 27.6.2006 = GA I 209).
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, sie ist auch rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde ist aber unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Nachdem das LG am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2006 ein Endurteil verkündet hat und damit das Verfahren für die erste Instanz abgeschlossen ist, kann ein Musterfeststellungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden, weil dieses nur im erstinstanzlichen Verfahren statthaft ist (Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 1 Rz. 56). Das Beschwerdegericht hat dabei nicht zu prüfen, ob das LG zu Recht eine Entscheidungsreife des Rechtsstreits angenommen hat, denn eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt in diesem Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht, da die Hauptsache bereits beim Berufungsgericht anhängig ist. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass das Beschwerdegericht in der Sache prüft, ob das LG die Entscheidungsreife - unter Zugrundelegung von dessen Rechtsansicht (Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 1 Rz. 52) - zutreffend bejaht hat. Käme es dabei zu dem Ergebnis, dass keine Entscheidungsreife vorlag, so müsste es den Beschluss des LG über die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrages aufheben und das LG anweisen, den Antrag neu zu bescheiden. Das LG müsste dann einen Musterfeststellungsbeschluss in einem Verfahren erlassen, dessen Hauptsache bei ihm gar nicht mehr anhängig ist. Solches sieht aber das Gesetz nicht vor.
Es ist auch nicht, oder jedenfalls nur in Einzelfällen, möglich, die Hauptsache an das LG zurückzuverweisen, denn dies würde voraussetzen, dass die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO vorliegen. Dies ist aber z.B. immer dann nicht der Fall, wenn es nur um die Entscheidung von Rechtsfragen geht. Für eine solche Konstellation sieht die ZPO eine Zurückverweisungsmöglichkeit nicht vor. Auch in vielen anderen Fällen wird eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommen, wenn jeweils die Voraussetzungen von § 538 Abs. 2 ZPO nicht vollständig erfüllt sind. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des KapMug-Antrages kann aber nicht davon abhängen, ob in dem jeweils streitigen Fall - mehr oder weniger zufällig - auch die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO vorliegen. Einen besonderen Zurückverweisungsgrund hat der Gesetzgeber im Rahmen des Erlasses des KapMuG in den § 538 ZPO nicht eingeführt, so dass mangels Zurückverweisungsmöglichkeit der Hauptsache es dabei verbleibt, dass das LG einen Musterfeststellungsbeschluss in einer Sache erlassen müsste, die bei ihm ...