Leitsatz (amtlich)
1. Bei Unfällen zwischen Abbiegern und Fahrzeugen, die unberechtigt einen Sonderfahrstreifen ("Busspur") benutzen ist zu unterscheiden, ob der Abbieger dem Gegenverkehr oder dem gleichgerichteten Verkehr angehört. Abbieger aus dem Gegenverkehr müssen entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 StVO), und zwar unabhängig von deren Fahrstreifenwahl oder deren - für den Abbieger nicht erkennbare - Berechtigung, einen bestimmten Fahrstreifen zu benutzen.
Im gleichgerichteten Verkehr hingegen geniessen nach § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO nur die berechtigten Benutzer eines Sonderfahrstreifens Durchfahrtvorrang.
2. Benutzt der Geradeausfahrer unberechtigt den Sonderfahrstreifen und kollidiert er mit einem Rechtsabbieger, der ordnungsgemäß rechts neben der Busspur eingeordnet war, den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte und lediglich entgegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO vor dem Abbiegen nicht ausreichend auf nachfolgenden Verkehr geachtet hat, so kommt die Haftung des nicht ordnungsgemäß eingeordneten Benutzer des Sonderfahrstreifens nach einer Quote von 2/3 in Betracht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 213/08) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 17.6.2008 gegen 15:15 Uhr auf der Kreuzung Lewishamstr./Stuttgarter Platz in Berlin Charlottenburg geltend. Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen B-A ... die Lewishamstraße und zwar unmittelbar vor der Kreuzung auf der äußerst rechten Spur, einer Sonderfahrspur, der dreispurigen Fahrbahn in Richtung Kantstraße. Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug BMW mit dem amtlichen Kennzeichen B-EN ... den mittleren Fahrstreifen der Lewishamstraße in Richtung Kantstraße und beabsichtigte, nach rechts in den Stuttgarter Platz einzubiegen. Der Kläger machte eine Gefahrenbremsung und stürzte. Es kam auf der Kreuzung zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Die Beklagte zu 2) regulierte den Schaden des Klägers auf der Basis einer Schadensteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme (Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) sowie Vernehmung des Zeugen O) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Ansprüche des Klägers seien durch Erfüllung erloschen, da die Schadensteilung nach den Verursachungsanteilen im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers zu erfolgen habe.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, das LG habe zu Unrecht eine Haftungsquote von ¾ zu Lasten des Klägers angenommen (vgl. S. 3 der Berufungsbegründung) und rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers erloschen seien. Dabei habe das LG die Beweislastregeln verkannt und eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Die Schilderung des Beklagten zu 1), er habe den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und auf einen die Straße überquerenden Fußgänger gewartet, sei kein Beweis dafür, dass es sich nicht um eine bloße Schutzbehauptung handele. Die Aussage des Zeugen O sei hinsichtlich der Geschwindigkeit des Motorrades nicht ergiebig. Das LG habe auch nicht berücksichtigt, dass der Kläger den rechten Fahrstreifen benutzt habe, da auf der Kreuzung ein Krankenwagen mit Blaulicht gestanden habe. Er habe den Fahrstreifen deshalb nicht unbefugt genutzt.
II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Zutreffend hat das LG die Ansprüche des Klägers nach §§ 253 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1, 2 PflVG gegen die Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 17.6.2008 gem. § 362 Abs. 1 BGB als erfüllt angesehen und nach Abwägung der Verschuldensanteile gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers ermittelt (Soweit der Kläger auf S. 3 der Berufungsbegründung sich gegen seine Mithaftung nach einer Quote von ¾ wendet, geht dies an den Gründen der Entscheidung vorbei).
1. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) neben den Pflichten im Zusammenhang mit dem Rechtsabbiegen (§ 9 StVO) auch die Pflichten des § 7 Abs. 5 StVO (Fahrstreifenwechsel) zu beachten hatte. Das LG ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1) zwar nach rechts geblinkt, jedoch die zweite Rückschau versäumt hat. Demgegenüber hat sich der Kläger trotz des Blinkens nicht auf das Abbiegen des Beklagten zu 1) eingestellt und zudem unbefugt die...