Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den an einem dritten Ort ansässigen prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den an einem dritten Ort (weder Gerichtsort noch Wohn- oder Geschäftsort der Partei) ansässigen Rechtsanwalt die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, sind nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen wäre. Der Höhe nach wird die Erstattungsfähigkeit der Kosten durch die fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts und die ersparten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten begrenzt (Anschluss an BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 839).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1, 2 S. 1, § 91 2. Halbs.
Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Beschluss vom 02.12.2002; Aktenzeichen 8a C 247/01) |
Tenor
Der angefochtene Abhilfebeschluss wird aufgehoben.
Die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Wedding vom 2.12.2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert bis 300 EUR zu tragen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den richterlichen Abhilfebeschluss ist gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes, d.h. die Differenz zwischen den beanspruchten und den im Abhilfebeschluss festgesetzten Kosten (184,20 EUR - 122,73 EUR), mit 61,47 EUR die erforderliche Beschwer von 50 EUR (§ 567 Abs. 2 S. 2 ZPO). Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG ist das KG zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde, weil der Kläger im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Rechtsstreits seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hatte.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat Anspruch auf Erstattung der mit Kostenfestsetzungsantrag vom 9.4.2002 angemeldeten und im Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Wedding vom 2.12.2002 ursprünglich festgesetzten Kosten i.H.v. insgesamt 184,20 EUR, die die Mehrkosten für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Unterbevollmächtigten einschließen. Dementsprechend ist der angefochtene Abhilfebeschluss aufzuheben und die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.12.2002 zurückzuweisen.
Die Kosten eines Unterbevollmächtigten sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des auswärtigen Hauptbevollmächtigten erspart werden, die bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten selbst entstanden wären (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898 [899 ff.]). Voraussetzung für die Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten ist demnach zunächst, dass die dem Hauptbevollmächtigten bei eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten wären. Dies scheitert im vorliegenden Fall nicht schon daran, dass der Hauptbevollmächtigte der Beklagten nicht am Sitz der Partei in 6. N.-I. residiert, sondern seine Kanzlei in 5. K. an einem dritten Ort hat.
Wie der BGH für den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich entschieden hat, ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898). Gleiches gilt nach der Auffassung des BGH auch für den Fall, dass die Partei keinen in der Nähe ihres Geschäftsorts ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 839 = Rpfleger 2004, 618 = FamRZ 2004, 618). Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts seien bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspreche - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (§ 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO). Denn dürfe bei einem Streitfall eine vernünftige und kostenbewusste Partei den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, sei sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftrage...