Leitsatz (amtlich)

Zur Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen, mit denen ausgesetzte bzw. abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren nach Inkrafttreten des FamFG an ein anderes Familiengericht verwiesen werden.

Die Regelung des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG ändert nichts daran, dass es sich bei vor dem Inkrafttreten des FamFG ausgesetzten bzw. abgetrennten Versorgungsausgleichssachen auch nach dem 1.9.2009 um Folgesachen handelt, für die grundsätzlich das Familiengericht zuständig bleibt, bei dem das Verbundverfahren anhängig ist oder war.

 

Tenor

Das AG ... wird als das für das Verfahren zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Mit Urteil des AG ... vom 9.2.2005 - ... - wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt. Mit Verfügung vom 27.2.2010 nahm das AG ... das abgetrennte und ausgesetzte Verfahren gem. § 50 Abs. 1 VersAusglG wieder auf. Nachdem von den Parteien mitgeteilt worden war, dass sich die frühere Ehewohnung im Bezirk ... befand, erklärte sich das AG ... mit Beschluss vom 26.4.2010 ... für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren gem. § 3 FamFG unter Bezugnahme auf § 218 Nr. 2 FamFG von Amtswegen an das AG ... . Das AG ... erklärte sich mit Beschl. v. 1.6.2010 - ... - (ebenfalls) für örtlich unzuständig und legte die Sache dem KG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II. Das KG ist für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gem. § 5 FamFG zuständig, weil es das für die um die Zuständigkeit streitenden Familiengerichte ... in Berlin und ... in Berlin im Instanzenzug nächst höhere Gericht ist.

Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Ziff. 4 FamFG liegen vor. Der Verweisungsbeschluss des AG ... vom 26.4.2010 ist nach § 3 Abs. 3 FamFG bindend und erfüllt damit die Voraussetzung von § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Auch der Beschluss des AG ... vom 1.6.2010, mit dem es sich für unzuständig erklärt hat, ist unanfechtbar.

Als zuständiges Gericht ist das AG ... zu bestimmen.

Dies folgt allein daraus, dass im Bestimmungsverfahren nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ebenso wie nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in erster Linie die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen - insbesondere die nach § 3 Abs. 3 FamFG (entsprechend § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) eintretende Bindung - zu beachten sind (vgl. BGH NJW 1955, 948; BayObLG NJW-RR 2004, 1134; MDR 1983, 322; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rz. 28). Die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses wirkt daher grundsätzlich im Bestimmungsverfahren fort (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1091; 1994, 126; BayObLG NJW-RR 2001, 646, 647; Zöller - Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 36 Rz. 28 m.w.N.). Etwas anderes gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, welcher der Senat folgt, ausnahmsweise nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss auf Willkür beruht (vgl. BGHZ 71, 729, NJW 2003, 3201). Hierfür genügt es jedoch nicht, dass der Beschluss inhaltlich falsch ist. Denn eine unrichtige Rechtsanwendung allein schließt die Bindungswirkung der Verweisung nicht aus (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1126; BayObLGZ 1985, 391 und, a.a.O.). Die Annahme der Willkür setzt vielmehr voraus, dass dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH NJW 1993, 1273) oder die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und unhaltbar ist (vgl. BGH, MDR 2002, 1450 f.; BVerfGE 29, 45, 49; BGH MDR 1996, 1032). Die Bindungswirkung der Verweisung kann auch aus verfahrensrechtlichen Gründen entfallen (vgl. BGH, NJW 1962, 1819; Zöller/Greger, a.a.O., § 281 Rz. 16 m.w.N.), insbesondere bei Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Wendet man diese Grundsätze vorliegend an, kann dem Beschluss des AG ... im Ergebnis die Bindungswirkung entgegen der Auffassung des AG ... nicht versagt werden. Es bestehen zwar Bedenken, die Rechtsanwendung des AG ... als richtig anzusehen. Denn es hat ersichtlich bei der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gem. § 218 Ziff. 2 FamFG allein auf den Zeitpunkt der Wiederaufnahme des ausgesetzten und abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahrens im Februar 2010 abgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund der Ersten Verordnung zur Änderung der Zuweisungsverordnung vom 23.10.2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 26 vom 11.11.2009 auf Grund § 1 des Gesetzes zur Regelung der Zuweisung amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 16.11.2007 (GVBl. S. 579) für Familiensachen in den Bezirken des ehemaligen Bezirks ... und des Bezirks ... das AG ... zuständig geworden. Diese Rechtsanwendung lässt jedoch außer Betracht, dass es sich bei dem ausgesetzten und abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren um eine Folgesache handelt. Schon nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht handelte es sich bei der Abtrennung nach § 628 ZPO a.F. nach übereinstimmender Meinung in Rechtsprechung und im Schrifttum nicht um eine echte Verfahrenstrennung mit der Folge, dass der abgetrennte Versorgungsausgleich als selbständige Familiensache fortzusetzen wäre. Er b...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge