Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 71d III 473/16)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.01.2022; Aktenzeichen XII ZB 127/19)

 

Tenor

Die Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 EUR zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A) Die Geburt des Beteiligten zu 1 wurde im Register Nr. 1... /1... des Standesamts C... dahin beurkundet, dass der Beteiligte zu 1 dem weiblichen Geschlecht angehört und die Vornamen "V... N..." (weibliche Vornamen) trägt. Der Beteiligte zu 1 empfindet sich als Transmännlichkeit. Mit Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. August 2007 wurden seine Vornamen gemäß § 1 TSG in "N... L... J..." (männliche Vornamen) geändert. Am 14. August 2015 schloss der Beteiligte zu 1 die Ehe mit dem Beteiligten zu 2. Am 22. Juni 2016 gebar er den Beteiligten zu 3, dessen Geburt seit dem 5. Juli 2016 im Register des Standesamts N... von B... zur Registernummer G 1... /2... beurkundet ist. Als Mutter ist der Beteiligte zu 1 unter seinen bis zum 16. August 2007 geführten weiblichen Namen, als Vater der Beteiligte zu 2 eingetragen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 18. November 2016 - 73 III 115/16 -, rechtskräftig seit dem 20. Januar 2017, wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1 gemäß § 7 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. TSG erneut in N... L... J... geändert.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben vor dem Amtsgericht Schöneberg beantragt,

1. das Standesamt N... von B... anzuweisen, den Geburtsregistereintrag G 1... /2... dahin zu ändern, dass die bisher eingetragenen Vornamen der Mutter "V... N..." durch "N... L... J..." ersetzt werden,

hilfsweise,

das Standsamt N... von B... anzuweisen, den Geburtsregistereintrag G 1... /2... mit dem aktuell gültigen Vornamen "N... L... J..." der gebärenden Person (Mutter) zu erweitern,

2. das Standesamt anzuweisen, eine Geburtsurkunde auszustellen, in der N... L... J... ... nicht als Mutter und den Beteiligten zu 2 nicht als Vater, sondern beide mit dem Begriff "Eltern" ihres Kindes bezeichnet sind.

Das Amtsgericht hat die Anträge als solche auf Berichtigung des Geburtseintrags nach § 48 PStG angesehen und sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14 - (BGHZ 215, 318) als unbegründet zurückgewiesen. Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Rechtslage hat das Amtsgericht aus den Gründen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht gesehen. Aus diesen Gründen scheide auch die Erteilung einer Geburtsurkunde aus, in der die Eltern nicht als Mutter und Vater sondern als "Eltern" bezeichnet sind.

Mit der Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihre erstinstanzlichen Anträge auch im Namen des Beteiligten zu 3 weiter. Sie machen geltend, §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TSG seien verfassungswidrig. Der angefochtene Beschluss verletze die Beteiligten zu 1 bis 3 in ihrem jeweiligen allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Weiter seien Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sowie Art. 3 GG verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Rechtsansichten der Beteiligten wird auf die Akten nebst standesamtlichen Sammelakten Bezug genommen.

B) Das gemäß § 51 Abs. 1 PStG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

I. Das Geburtenregister ist nicht gemäß § 48 PStG dahin zu berichtigen, dass die bisher eingetragenen Vornamen der Mutter "V... N..." durch "N... L... J..." ersetzt werden. Denn der Geburtsregistereintrag ist nicht unrichtig.

Das Standesamt hat mit Recht den Beteiligten zu 1 gemäß §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TSG (nur) unter seinen bis zum 16. August 2007 geführten Vornamen V... N... beurkundet. Maßgeblich für den Inhalt der Beurkundung war gemäß Nr. 21.1 PSt-VwV die Namensführung zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Zu diesem Zeitpunkt trug der Beteiligte zu 1 jedenfalls im Verhältnis zu dem Beteiligten zu 3 die Vornamen V... N....

Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Geburt des Beteiligten zu 3 der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 16. August 2007 über die Vornamensänderung insgesamt, auch mit Wirkung für die Allgemeinheit, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 TSG unwirksam geworden ist, oder ob die Vorschrift insoweit verfassungswidrig ist. Denn jedenfalls soweit § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 TSG (für ein mehr als dreihundert Tage nach Rechtskraft der Entscheidung über die Vornamensänderung geborenes leibliches Kind) und § 5 Abs. 3 TSG (für alle leiblichen Kinder) regeln, dass in Bezug auf den Geburtseintrag des Kindes die Entscheidung über die Vornamensänderung keine Wirkung entfaltet, hat der Senat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Normen.

Der Bundesgerichtshof hat sich in seinen Entscheidungen vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14 - (NJW 2017, 3379) und vom 29. November 2017 - XII ZB 459/16 - (NJW 2018, 471) mit der Verfassungsmäßigkeit von § 11 TSG auseinandergesetzt und keinen Anlass für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG gesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat...

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