Leitsatz (amtlich)

Der für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbe-E-Mails anzusetzende Gegenstandswert für die Hauptsache ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats mit 3.000,00 EUR anzunehmen, wenn der Adressat des E-Mail-Schreibens hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der mit dem Empfang einer unerbetenen Werbe-E-Mail einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 17. Mai 2016 - 5 W 209/15, BeckRS 2016, 129689, Beschluss vom 19. Februar 2021 - 5 W 1146/20, S. 3).

Ein Streitwert für die Hauptsache in Höhe von 3.000,00 EUR bildet regelmäßig auch das Interesse des Empfängers eines E-Mail-Schreibens an der Unterlassung weiterer Zusendungen von E-Mail-Werbung hinreichend ab, der hierdurch in seiner gewerblichen Tätigkeit oder Berufsausübung betroffen ist und einen Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffes in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht. An seiner anderslautenden Rechtsprechung, nach der die Zusendung einer Werbe-E-Mail im gewerblichen Bereich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ohne weiteres den Ansatz eines Wertes von 6.000,00 EUR rechtfertigt, hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest.

Bei Zusendungen mehrerer E-Mail-Schreiben ist der Streitwert angesichts des hiermit einhergehenden höheren Angriffsfaktors grundsätzlich für jedes weitere Schreiben um 1/3 zu erhöhen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 15. Juli 2019 - 5 W 121/19, S. 3). Stehen mehrere E-Mail-Schreiben allerdings in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang, ist eine Erhöhung um insgesamt 10% ausreichend, um dem erhöhten Angriffsfaktor der erneuten Belästigung durch eine weitere Zusendung mit werblichem Inhalt Rechnung zu tragen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 19. Februar 2021 - 5 W 1146/20, S. 3 f.; Senat, Urteil vom 15. September 2021 - 5 U 35/20, S. 22).

Nimmt der Anspruchsteller neben dem werbenden Unternehmen auch dessen Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch, ist ein weiterer Aufschlag auf den Streitwert in Höhe von - je Geschäftsführer - 1/5 vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Februar 2021 - 5 W 1146/20, S. 3; Beschluss vom 24. Juni 2020 - 5 W 1035/20, S. 2; Beschluss vom 15. Juli 2019 - 5 W 121/19, S. 3).

Für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbeanrufe ist der Gegenstandswert für die Hauptsache mit Blick auf den im Vergleich zu einer E-Mail-Werbung erhöhten Lästigkeits- und damit auch Angriffsfaktor in gefestigter Rechtsprechung des Senats mit 4.000,00 EUR anzusetzen, wenn der Angerufene hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der hiermit einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird (Senat, Beschluss vom 19. Februar 2021 - 5 W 1144/20, S. 4). Nichts anderes kann für einen Werbeanruf im gewerblichen oder beruflichen Umfeld gelten (anders noch Senat, Urteil vom 15. September 2021 - 5 U 35/20, S. 21).

 

Normenkette

GKG §§ 48, 63, 68; RVG § 32; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 16.11.2021; Aktenzeichen 52 O 222/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Wertfestsetzung mit Beschluss des Landgerichts vom 21. Juli 2021 in Gestalt des Beschlusses vom 16. November 2021 - 52 O 222/21 - unter ihrer Zurückweisung im Übrigen geändert:

Der Verfahrenswert wird für die erste Instanz auf 7.840,00 EUR festgesetzt.

II. Die Beschwerde der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

III. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat die Antragsgegner, ein Energieversorgungsunternehmen und deren Geschäftsführer, auf Unterlassung unerbetener Telefonwerbung und unerbetener Zusendung von E-Mails mit werblichem Inhalt in Anspruch genommen, wobei Gegenstand des Unterlassungsantrages zwei Anrufe unter der privaten Rufnummer des Antragstellers und zwei E-Mail-Schreiben waren, die an eine der Antragsgegnerin zu 1) benannte und der vom Antragsteller unterhaltenen Domain [...].de zuzuordnende E-Mail-Adresse versandt worden sind, wobei die E-Mail-Adresse vom Antragsteller mit einem Präfix versehen war, das dem Datum der Werbeanrufe entsprach. Die an diese Adresse versandten E-Mail-Schreiben wurden - nach Darstellung des Antragstellers - über eine sog. Catch-all-Funktion an das Kanzleipostfach des Antragstellers [...]@rechtsanwalt-[...].de weitergeleitet. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2021 hat der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Verhältnis zum Antragsgegner zu 3) zurückgenommen.

Das Landgericht hat den Gebührenstreitwert mit Beschluss vom 21. Juli 2021 zunächst auf 6.400,00 EUR festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Parteien jeweils mit einer Beschwerde, wobei der sich selbst vertretende Antragsteller eine Heraufsetzung des Gebührenstreitwertes auf 12.133,33 EUR erstrebt und die Antragsgegner eine Herabsetzung des...

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